Benjamins Royal Enfield Bullet 500 wirbelt gängige Vorstellungen von Bikes aus den Händen des Schraubernachwuchses ganz schön durcheinander.
Bringen wir die Jahreszahlen mal zusammen: Benjamin wurde 1991 geboren, sein Bike wurde 1994 gebaut, aber aussehen tut die Enfield, als käme sie direkt aus den 50ern – ganz schön viel Konfetti macht das in unseren Köpfen.
Royal Enfield Bullet 500 – Konsequent oldschool
Erfrischend anders ist nämlich, dass sich der 25-Jährige eines eher selten genommenen Modells, der Enfield Bullet, angenommen hat. Erfrischend neu ist, dass er dabei nicht auf aktuelle Trends, sondern auf einen konsequent alten Look setzt.
»Mich faszinieren alte Motorräder, die früher unter der Woche als Alltagsfahrzeuge dienten und am Wochenende auf der Rennstrecke gefahren wurden«, erklärt Benjamin seine Intention.
Alltagsfahrzeug und Weekend-Racer
Damit wird auch deutlich, weshalb er, entgegen der landläufigen Meinung vom Bikebuilding, nicht mehr benötigte Halter bewusst am Motorrad belässt, anstatt sie wegzuflexen. »Früher wurden eben am Wochenende die Lampen abgeschraubt, Startnummern montiert und montags alles wieder rückgängig gemacht.
Diese Idee vom Alleskönner-Motorrad wollte ich erhalten.« Dass trotzdem einiges seiner Schrauberei zum Opfer fällt, ist klar. Gepäckfächer, Batteriehalter, Soziusrasten – alles unnötig, das kann weg.
Der Zündspulenhalter entsteht aus einer alten Gabelverkleidung
Im Gegenzug fertigt er den Kabelbaum selbst, verwendet an sichtbaren Stellen alte, patinierte Bougierschläuche, fertigt den Zündspulenhalter aus einer alten Gabelverkleidung und zwängt die Batterie hinter das Getriebe.
Sie befindet sich nun unter einer Aluplatte mit Bohrungen für die angelöteten Messingkontakte und wird mit einer Gegenplatte durch Flügelmuttern und Gewindestäbe nach oben gedrückt.
»Ich wollte ein Lowbudget- bis Nobudget-Bike bauen«
Teile, die Benjamin neu verbaut, stammen zum Großteil von kleinen Bikes, wie die Sitzbank einer Lambretta, der NSU-Tank oder der Lenker Marke Puch. »Ich wollte ein Lowbudget- bis Nobudget-Bike bauen, da sind solche Teile perfekt.« Und sind wir ehrlich, es passt auch alles bestens zusammen.
Benjamin schraubt allein an seinem Bike, andere lässt er nicht ran. »Es war halt mein Ding«, erzählt er, »und auch eine Art Lehrstück, bei dem ich Schweißen und andere Techniken gut lernen konnte.« Besonderes Augenmerk legt der Youngster auf die alte Optik der Bullet. Roststellen am Rahmen belässt er und konserviert sie.
Abplatzungen, Rost und Kratzer waren schon vorhanden
Der Tank war mal gelb lackiert, Abplatzungen, Rost und Kratzer waren außerdem schon vorhanden. Das Schwarz dagegen ist gewöhnlicher Acryllack. Mittels Hitze ergeben die zwei Lacksorten die rissige Endoptik. Eine grobe Linierung gab’s per Hand obendrauf, dazu etwas Nitro rund um den Tankdeckel.
An den Kniedellen am Spritgefäß schleift Benjamin den Lack bis aufs Metall runter und bringt es zum Rosten. Nach dem Konservieren überzieht er alles mit seidenmattem Klarlack. Die originale Frontlampe wird nur sandgestrahlt, bekommt aber ein Lampengitter.
Race-Optik für die Royal Enfield Bullet: Jede Menge Lochbohrungen
Das wird von Hand gesägt und gefeilt, dann mit alten Pinseln lackiert, beschriftet, leicht angeschliffen, zerkratzt und anschließend ebenfalls klarlackiert. Wo auch nur möglich, bohrt Benjamin Löcher, allein für das Schutzblech der Kette braucht er einiges an Zeit – der Race-Optik zuliebe ist das aber schon okay.
Und weil ein echter Racer auch ein bisschen mehr Leistung vertragen kann, kitzelt Benjamin zumindest noch ein paar mehr PS aus dem kleinen Einzylinder, in dem er Kanäle überarbeitet, Ein- und Auslassventile vergrößert und Zylinder aufbohrt.
Royal Enfield Bullet 500 – Cooler Vintage-Racer
So wird aus der Enfield ein in allen Belangen cooler Vintage-Racer, aber warum zur Hölle hat Benjamin sich nicht gleich eine alte, historische Bullet genommen? »Warum sollte ich? Es wäre doch schade gewesen, ein klassisches Motorrad umzubauen.
Da sollte man schon eher drauf schauen, es zu erhalten und fürs Customizen eben neueres Material nehmen.« Recht hat er, heilige Kühe schlachtet man nicht.
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.