Wir haben die aufwändige Herstellung einer Sitzpfanne mit punziertem Lederbezug begleitet – von der Suche nach dem Muster bis zur Ausführung.
Um das Wissen alter Techniken erhalten zu können, muss man es von den Alten lernen!« Ein einfaches Zitat aus der amerikanischen Hot-Rod-Szene, und doch schwingt in ihm der tiefgründige Geist der Wurzeln des Hinterhofschraubens mit. Es mag sein, dass die Alten in ihrem Verständnis gegenüber dem notwendigen Erhalt amerikanischer Handwerkskunst ihr Wissen bereitwillig mit Neueinsteigern teilen.
Mentoren sind innerhalb der deutschen Customszene eher rar gesät
Der amerikanische Markt ist groß, und so wird sich kaum einer der Alten vor der Konkurrenz nachrückender Generationen fürchten. In Deutschland stellt sich die Situation gänzlich anders dar. Jeder, der hier glaubt, mit der Umsetzung einer Idee bestehen zu können, stellt automatisch einen Konkurrenten dar, den es zu verbeißen gilt. Mentoren sind innerhalb der deutschen Customszene eher rar gesät.
Dimitrios Georgoulas, von seinen Freunden kurz Jimi gerufen, hatte in der Vergangenheit oft bewundernd vor den aufwendig gearbeiteten Ledersitzen mancher Custombikes gestanden. Er fasste den Entschluss, sich einen dieser Sitze in Eigenregie herzustellen, zeigte sich mit dem ersten Ergebnis jedoch nicht zufrieden.
Leder punzieren – Entscheidender Einfluss aufs Erscheinungsbild
Doch er warf nicht das Handtuch, sondern suchte nach Hilfestellungen und weiterführenden Informationen. Jeder weitere Sitz brachte ihn ein Stück weiter, bis er unter dem Label »Spirit Leather« seine eigene kleine Werkstatt gründete. Für Jimi kann ein Sitz weit mehr sein als eine mit Leder bezogene Blechplatte, die den Fahrer eines Bikes mehr oder weniger bequem seinem Ziel näher bringt. Für Jimi besitzt der Sitz eine eigenständige Seele, die einen entscheidenden Einfluss auf das gesamte Erscheinungsbild des Bikes nehmen kann.
Das Bike, für das der hier vorgestellte Sitz vorgesehen ist, sollte sich am Stil des Japaners Shinya Kimura orientieren. Es sollte in all seinen Facetten den Geist des alten Japan in die Gegenwart übertragen. Der Sitz sollte dabei eine besondere Schlüsselposition einnehmen.
Vier Millimeter Edelstahl trifft auf fünf Millimeter Leder
Bei der Herstellung der Grundplatte wählte Jimi bewusst einen Weg abseits der normalen Formensprache und gestaltete sie in der Form des Blattes eines Ginkgobaums. Eine vier Millimeter starke Edelstahlplatte sollte mit fünf Millimeter starkem Leder bezogen werden. Während bei anderen Projekten Totenköpfe oder Knochenmänner eine zentrale Rolle übernahmen, wollte er in diesem Fall dem Bike eine japanische Seele einhauchen.
Er wählte zunächst den Weg über die Literatur, um sich einen Einblick in das traditionell japanische Design zu verschaffen und zeigte sich überrascht, dort trotz der Strenge der Linienführung auf einen Überfluss an floralen Mustern zu stoßen.
Leder punzieren – Entwürfe auf Pergamentpapier
Jimi entwarf mit Pergamentpapier mehrere Bildentwürfe, die er im Schichtverfahren übereinander legte und näherte sich behutsam den Darstellungsebenen der Sitzfläche an, bestehend aus der Flagge der kaiserlich japanischen Marine, ineinander rankenden Ginkgoblättern und einer traditionellen Shikami-Maske, dem Abbild eines Dämons der japanischen Mythologie.
Dem urjapanischen Aspekt, zu einem umfassenden Verständnis der Dinge den Blick immer auch nach innen zu richten, wird durch einen bildlich dargestellten Riss in der Oberfläche genüge getan. Dieser führt den Blick des Betrachters unter die Oberfläche des Leders auf die ebenfalls symbolhafte Darstellung eines dort ineinander greifenden Räderwerks.
Kunsthandwerk – Den Entwurf dauerhaft in das Leder prägen
Den fertigen Entwurf auf das Leder zu übertragen, war eine Arbeit, die Jimi leicht von der Hand ging. In dem Bemühen diesen Entwurf in der Folge dauerhaft in das Leder zu prägen, musste er jedoch alle Register seiner Kunst ziehen.
Beim Punzieren der Sitzfläche wurde das zuvor gewässerte Leder von ihm so stark verdichtet, dass es in einigen Bereichen in der Stärke um gut die Hälfte reduziert wurde und sich dabei extrem in alle Richtungen verzog, nur nicht in die, in die er es sich gewünscht hätte.
Dem Leder mit einer Tätowiermaschine zu Leibe rücken
Nachdem das Leder jedoch über die Sitzplatte gespannt, aufwendig vernäht und dem Thema entsprechend farblich behandelt worden war, rückte er ihm mit einer Tätowiermaschine zu Leibe. So kam das Kizuna-Bike über den Sitz nicht nur zu seinem Namen, sondern erhielt darüber hinaus auch sein erstes und wohl auch einziges Tattoo.
Info | spirit-leather.de