Wenn ein Flugzeughistoriker, ein Customizer und eine Yamaha XV 1600 zusammentreffen, kommt mehr als eine akrobatische Fingerübung dabei heraus.

In grade mal 30 Tagen war er fertig – der fliegende Rittmeister anno 1915. Damit Manfred Freiherr von Richthofen vom Pferd ins Flugzeug steigen konnte, genügte eine kurze Theorie. So flugs verließ die IBC DR-1 allerdings nicht die Werkshallen in Fürstenfeldbruck.

Der rote Baron – eine logische Idee

Das von Michael Rohrer für den Flugzeughistoriker Dr. Thomas Leonhard gebaute Mottobike ist eine geradezu logische Idee. Der bei Freund und Feind respektierte Freiherr und sein roter Dreidecker Fokker Dr.1 gehören zusammen wie Agostini und MV Agusta, und so erhielt der Preuße nach dem Krieg von den Engländern den Beinamen »Red Baron«.

Aus Schalldämpfern im MG-Look feuert der 1,6 Liter-V2 seine Abgase ins Freie

Außer der Optik ging es auch um das Fahrgefühl eines urigen Oldtimers. »Dazu gehören Tankschaltung und Fußkupplung, ebenso die Springer-Gabel«, erklärt der Erbauer. Die 65 Jahre alte original Harley-Federung ins junge Fahrwerk zu implantieren, erforderte mit einer Kürzung um 20 cm und anschließender ästhetischer Wiederaufbereitung die meiste Arbeit.

Yamaha XV 1600 mit aufwändiger Heckmodifikation

Kaum weniger aufwändig war die Heckmodifikation, um die zehn Zoll breite Felge einzupassen. Obwohl der Zahnriemen mit Lasercut zur Hälfte geschmälert wurde, musste der Yamaha-Rahmen noch zweimal verändert werden, bis alles flutschte. Ganz normal bei einem einmaligen Bike, schließlich bestand auch der preußische Leutnant 1915 seine Pilotenprüfung erst im dritten Anlauf. Zum besten Jagdflieger wurde er dennoch, was gequälte Schüler von heute trösten mag.

Saugend fügt sich der motogadget vintage-Tacho in den klassischen Frontscheinwerfer ein

Stichwort Prüfung: Während des gesamten Aufbaus begleitete der TÜV das Projekt. „Wir bauen nur zulassungsfähige Motorräder, keine reinen Showbikes. An den Grenzen des Machbaren geht’s natürlich nur im Austausch mit den zuständigen Stellen.“ Michael und sein Team haben den Cruiser letztlich fast vollständig umgestrickt. Obwohl der Motor bis auf die Keramikbeschichtung serienmäßig ist, haben sie beispielsweise vom Rahmen nicht mal die Hälfte übrig gelassen. Entsprechend erfolgt die Umtypung auf IBC-Bikes.

Optische Umsetzung des beliebten Themas

Zur optischen Umsetzung des Themas »Roter Baron« gehört als Highlight die Rippenstruktur mit Leinenbezug im Stil eines frühen Flugzeugs. »Die Stege habe ich aufgeschweißt«, erklärt Michael. »Dann wurden die Teile im Unterdruckverfahren mit Stoff bezogen und schließlich lackiert.« Weitere Besonderheit ist der Sattel mit farbig geprägtem »Roter Adler-Orden III. Klasse mit Krone und Schwertern«: Ihn bekam Manfred von Richthofen als einer von lediglich fünf Ausgezeichneten.

Den Roter Adler-Orden III. Klasse mit Krone und Schwertern erhielt Richthofen als einer von lediglich fünf Ausgezeichneten

Neben weiteren Accessoires – wie dem Gasmaskenbehälter fürs Werkzeug, den typischen Hoheitsabzeichen oder dem Portrait auf dem Kupplungsgehäuse – ist Bewährtes wie Elektrik im Lenker schon kaum mehr erwähnenswert. Während der schlüssellose Starter mit Fernfunktion moderne Technik zelebriert, stellen die Schalldämpfer in MG-Optik mit den Mündungsstücken vom MG 08/15 wiederum historischen Bezug her. Nicht zuletzt Recherche, Finden und Verarbeitung von Details führten zu einer Bauzeit von 30 Monaten – nicht 30 Tagen. »Es geht auch schneller«, beruhigt Michael Interessenten an weiteren Themenbikes.

Fotos in der Flugwerft

Zur abschließenden Perfektion des Ganzen geht’s in die ehemalige Flugwerft Schleißheim. Die über 100 Jahre alte Flugplatzanlage gehört zu den ältesten Deutschlands, und 1965 gründete hier die US-Army den »Red Baron Flying Club«. Die seit der Pionierzeit erhaltene Kommandantur mit Flugzeughalle ist inzwischen Außenstelle vom Deutschen Museum München, mit dessen Genehmigung das Custombike in Szene gesetzt wird: vor einer Albatros DIII, mit der Richthofen die meisten Luftkämpfe gewann.

Der Tankdeckel ähnelt einer Klappe zur Schnellbetankung

Der vor 120 Jahren geborene Rittmeister, dem Reiten zu langweilig war, hätte bei seiner Technikbegeisterung sicher Freude an der ihm gewidmeten Maschine gehabt. „Im September geht’s damit in die Normandie“, betont Michael, dass die knallrote DR-1 keine Luftnummer ist.

 

Stephan H. Schneider