Eine Yamaha XT 500 lässt wohl kaum jemanden kalt, der in den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts Motorrad gefahren ist
Es gibt Motorräder, von denen sollte man sich niemals trennen. Eigentlich sollte man sich sowieso nie von einem Motorrad trennen. Bei manchen zweirädrigen Weggefährten blutet einem aber Jahrzehnte später das Herz. Wehmütige Erinnerungen an unbeschwerte Urlaube, heitere Sozias und unverantwortliche Abenteuer, die man damals mit dem Bock erlebte, lassen einen dann irgendwann im Internet nach der Jugendliebe fahnden – und wie im Falle einer XT 500 schwer schlucken.
Ein Klassiker von Motorrad
Von den gut 25000 Exemplaren, die in Deutschland verkauft wurden sind immerhin noch etwa ein Drittel existent. Hergeben will sie aber scheinbar kaum jemand. Was vor zwei Jahrzehnten noch für ein paar hundert Mark vom Hof fuhr, gibt’s heute praktisch nicht unter 4.000 Euro. Und das sind dann wahrlich keine scheckheftgepflegten Ersthand-Bikes.

Andreas ist womöglich zu jung für derartige Erinnerungen und Wehmütigkeiten. Er ist auch weniger besessener Motorradfahrer als vielmehr ein detailversessener Schrauber, der schon einigen alten Schätzchen ein neues, besseres Leben spendiert hat. Ein Zweiventil-Boxer verwandelte sich in seiner Werkstatt zum sehnigen Roadster, eine müde Suzuki GS 550 parkt als fescher Cafe Racer in seinem Wohnzimmer und im zweiten Teil der Garage lassen sich Hondas CB und noch mehr Boxer-Zeugs erspähen. Auf der Hebebühne ist bereits eine SR 500 festgeschnallt, die jetzt im Winter unter sein Skalpell kommt.
Ein klares Beuteschema
Das Beuteschema des gelernten Metallers ist offensichtlich in Stein gemeißelt: Stets nimmt er ziemlich abgenudelte Bikes, die scheinbar sonst niemand haben will. Eben weil sie ziemlich abgenudelt sind und reichlich Zuwendung brauchen. Davor schrecken die meisten Interessenten zurück, aber das ist eben genau das, was Andreas will. Zerlegen, gangbar machen, herrichten und umbauen.

Erfreulicher Nebeneffekt – abgefuckte Basisbikes gibt’s für recht kleines Geld. Die XT beispielsweise für weniger als 1.000 Euro. »Ich hab’s ja nicht eilig. Ich kaufe nur, wenn der Preis passt, ich kann warten« gibt er sich entspannt. Kann er auch, denn in seiner Garage steht – wie jetzt eben die SR – meist schon ein Umbauobjekt auf Vorrat. Der XT-Verkäufer staunte jedenfalls nicht schlecht, als Andreas mit einem Mittelklassekombi bei ihm aufkreuzte und nach besiegeltem Kauf kurzerhand Gabel und beide Räder ausbaute und zusammen mit dem Rest des Mopeds einfach in den Kofferraum legte.
Yamaha XT 500 in traurigem Zustand
Der schnäppchenverdächtige Preis war dem bemitleidenswerten Zustand der XT geschuldet, denn die hatte in den letzten Jahrzehnten ordentlich gelitten, irgendwo im halbfeuchten Schuppen seit Ewigkeiten vor sich hingegammelt. Das Outfit übel verwittert, verlassene Wespennester an den Kühlrippen, zugeschmodderte Ölleitungen, der im Rahmen integrierte Öltank mit teerähnlichen Klumpen zugesetzt – aber immerhin der Eintopf frei von größeren Schäden. Zerlegt hat ihn der Privatschrauber aus Bingen dennoch komplett. Natürlich weil er nach Jahren des Dornröschenschlafs revidiert werden musste, aber auch weil er etwas mehr Leistung bekommen sollte. Und weil Andreas sowas einfach saugerne macht.

Passend zum Leistungsplus schwebte ihm ein kompetentes Offroad-Fahrwerk vor. Also versah er das Frontend mit der stämmigen White Power USD-Gabel einer Husqvarna TE 510. Hinten ging es mit 420er YSS-Stoßdämpfern eine Etage höher. Die dürre Rundrohrschwinge ersetzte er durch eine massive Kastenschwinge des thailändischen Spezialisten Motolanna. Dergestalt wirkt die brave XT plötzlich wie ein waschechtes Competition-Bike.
Dokumentation des Umbaus auf Youtube
Es wäre müßig, hier all die großen und kleinen Restaurierungs- und Umbaumaßnahmen runterzubeten. Vom gekürzten Heck bis zu den frisch eingespeichten Rädern, der komplett neu gezogenenen Elektrik und dem Bau der mit Alcantara bezogenen Sitzbank – über all das kann euch Andreas viel besser selbst berichten. Der Gute hat sich nämlich die Mühe gemacht, den kompletten Um- und Aufbau per Video zu dokumentieren. »Die XT war Neuland für mich und ich wollte mich wegen der Motorrevision auf Youtube schlau machen. Da habe ich aber nichts Fundiertes gefunden und es dann eben selbst gemacht. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen Schrauber« erzählt er uns nebenbei.

Nachdem wir uns die Videos zuhause angeschaut haben, wären wir am liebsten nochmal an den Rhein gefahren, um den Kerl zu drücken. Das ist so gut gemacht, kein Firlefanz und keine Wichtigtuerei – einfach interessant anzuschauen und lehrreich dazu. Es sind knapp dreißig Videos die jeweils so um die zehn Minuten lang sind. Einfach bei Youtube workshop43 eingeben. Viel Spaß!
Info | Workshop43


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