Yamaha XT 500 – New Life



Eine Yamaha XT 500 lässt wohl kaum jemanden kalt, der in den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts Motorrad gefahren ist

Es gibt Motorräder, von denen sollte man sich niemals trennen. Eigentlich sollte man sich sowieso nie von einem Motorrad trennen. Bei manchen zwei­­rädrigen Weggefährten blutet einem aber Jahrzehnte später das Herz. Wehmütige Erinnerungen an unbeschwerte Urlaube, heitere Sozias und unverantwortliche Abenteuer, die man damals mit dem Bock erlebte, lassen einen dann irgendwann im Internet nach der Jugendliebe fahnden – und wie im Falle einer XT 500 schwer schlucken.

Ein Klassiker von Motorrad

Von den gut 25000 Exemplaren, die in Deutschland verkauft wurden sind immerhin noch etwa ein Drittel existent. Hergeben will sie aber scheinbar kaum jemand. Was vor zwei Jahrzehnten noch für ein paar hundert Mark vom Hof fuhr, gibt’s heute praktisch nicht unter 4.000 Euro. Und das sind dann wahrlich keine scheckheftgepflegten Ersthand-Bikes.

Die XT 500 ist eine Legende, der Tank auch. Den hier verbauten »Chromtank« hatten die modelle von 1981 bis 1985. Dabei glänzt hier gar kein chrom, sondern poliertes Aluminium

Andreas ist womöglich zu jung für der­artige Erinnerungen und Wehmütigkeiten. Er ist auch weniger besessener Motorradfahrer als vielmehr ein detailversessener Schrauber, der schon einigen alten Schätzchen ein neues, besseres Leben spendiert hat. Ein Zweiventil-Boxer verwandelte sich in seiner Werkstatt zum sehnigen Roadster, eine müde Suzuki GS 550 parkt als fescher Cafe Racer in seinem Wohnzimmer und im zweiten Teil der Garage lassen sich Hondas CB und noch mehr Boxer-Zeugs erspähen. Auf der Hebebühne ist bereits eine SR 500 festgeschnallt, die jetzt im Winter unter sein Skalpell kommt.

Ein klares Beuteschema

Das Beuteschema des gelernten Metallers ist offensichtlich in Stein gemeißelt: Stets nimmt er ziemlich abgenudelte Bikes, die scheinbar sonst niemand haben will. Eben weil sie ziemlich abgenudelt sind und reichlich Zuwendung brauchen. Davor schrecken die meisten ­Interessenten zurück, aber das ist eben genau das, was Andreas will. Zerlegen, gangbar machen, herrichten und umbauen.

Die total verranzte Umbaubasis gab’s für schlappe 950 Euro. Andreas hat die XT komplett zerlegt, entmockt, sandgestrahlt und pulverbeschichtet. Nebenbei noch den Motor revidiert, angeschärft und dann mit dem Umbau begonnen

Erfreulicher Nebeneffekt – abgefuckte Basisbikes gibt’s für recht kleines Geld. Die XT beispielsweise für weniger als 1.000 Euro. »Ich hab’s ja nicht eilig. Ich kaufe nur, wenn der Preis passt, ich kann warten« gibt er sich entspannt. Kann er auch, denn in seiner Garage steht – wie jetzt eben die SR – meist schon ein Umbauobjekt auf Vorrat. Der XT-Verkäufer staunte jedenfalls nicht schlecht, als Andreas mit einem Mittelklassekombi bei ihm aufkreuzte und nach besiegeltem Kauf kurzerhand Gabel und beide Räder ausbaute und zusammen mit dem Rest des Mopeds einfach in den ­Kofferraum legte.

Yamaha XT 500 in traurigem Zustand

Der schnäppchenverdächtige Preis war dem bemitleidenswerten Zustand der XT geschuldet, denn die hatte in den letzten Jahrzehnten ordentlich gelitten, irgendwo im halbfeuchten Schuppen seit Ewigkeiten vor sich hingegammelt. Das Outfit übel verwittert, verlassene Wespennester an den Kühlrippen, zugeschmodderte Ölleitungen, der im Rahmen integrierte Öltank mit teerähnlichen Klumpen zugesetzt – aber immerhin der Eintopf frei von größeren Schäden. Zerlegt hat ihn der Privatschrauber aus Bingen dennoch komplett. Natürlich weil er nach Jahren des Dornröschenschlafs revidiert werden musste, aber auch weil er etwas mehr Leistung bekommen sollte. Und weil Andreas sowas einfach saugerne macht.

Zwar ist Andy ein rein privater Spaßschrauber, seinem Tun gibt er mit Workshop43 aber trotzdem einen Namen

Passend zum Leistungsplus schwebte ihm ein kompetentes Offroad-Fahrwerk vor. Also versah er das Frontend mit der stämmigen White Power USD-Gabel einer Husqvarna TE 510. Hinten ging es mit 420er YSS-Stoßdämpfern eine Etage höher. Die dürre Rundrohrschwinge ersetzte er durch eine massive Kastenschwinge des thailändischen Spezialisten Motolanna. Dergestalt wirkt die brave XT plötzlich wie ein waschechtes Competition-Bike.

Dokumentation des Umbaus auf Youtube

Es wäre müßig, hier all die großen und kleinen Restaurierungs- und Umbaumaß­nahmen runterzubeten. Vom gekürzten Heck bis zu den frisch eingespeichten Rädern, der komplett neu gezogenenen Elektrik und dem Bau der mit Alcantara bezogenen Sitzbank – über all das kann euch Andreas viel besser selbst berichten. Der Gute hat sich nämlich die Mühe gemacht, den kompletten Um- und Aufbau per Video zu dokumentieren. »Die XT war Neuland für mich und ich wollte mich wegen der Motor­revision auf Youtube schlau machen. Da habe ich aber nichts Fundiertes gefunden und es dann eben selbst gemacht. Vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen Schrauber« erzählt er uns nebenbei.

Die CNC-gefrästen Fußrasten gab’s für unter 40 Euro bei eBay

Nachdem wir uns die Videos zuhause angeschaut haben, wären wir am liebsten nochmal an den Rhein gefahren, um den Kerl zu drücken. Das ist so gut gemacht, kein Firlefanz und keine Wichtigtuerei – einfach interessant anzuschauen und lehrreich dazu. Es sind knapp dreißig Videos die jeweils so um die zehn Minuten lang sind. Einfach bei Youtube workshop43 eingeben. Viel Spaß!

Info | Workshop43

 

Modell Yamaha XT 500 1U6
Baujahr 1982
Erbauer Andreas Wanning, Workshop 43

Motor
Typ luftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, ohc-Zweiventiler
Hubraum 534 ccm
Zylinder aufgebohrt 90 mm
Kolben Wiseco 90 mm
Zündung 12V, CDI v. Rex’s Speedshop
Ölsystem größere Ölpumpe
Vergaser orig. neu bedüst
Luftfilter K&N
Auspuff Eigenbau Edelstahl
Getriebe Fünfgang
Sekundärtrieb Kette
Leistung 35 PS bei 6500/min
Drehmoment 40 Nm bei 4500/min
Fahrwerk
Rahmen orig. Rohrrahmen, Heck gekürzt
Gabel Husqvarna TE510, WP Multiadjuster
Gabelbrücken Husqvarna TE510
Lenker LSL
Lenkerhalter Husqvarna TE510
Schwinge Motolanna
Federbeine YSS 420 mm
Räder Tagasako m. WWS-Sepichen, vo. 1.85, hi. 2,5
Reifen Pirelli mit v. 90/90-21 und hi. 130/80-18
Bremsen vo. Husqvarna TE510, hi. orig Simplex-Trommel
Zubehör
Tank original Aluminium
Sitzbank Eigenbau
Lampe Koso Thunderbolt LED
Instrumente Koso digitaler Tacho
Armaturen links XT600, rechts Kill switch
Elektrik Motogadget m.unit
Fußrasten CNC gefräst
Verkleidung Kedo
Schutzbleche Kedo TT
Metrie
Leergewicht 140 kg
Radstand 1415 mm

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Kommentare

Eine Antwort zu „Yamaha XT 500 – New Life“

  1. Avatar von Rob
    Rob

    Wow, bildhübsch… ich hatte selber eine nagelneue aus Kanada importierte mit dem Alutank, von 1986 bis 1988.
    Habe sie rund 34k gefahren, saß bei jeder Gelegenheit drauf, on wie offroad.
    Habe das Moped geliebt, war der beste Kauf zum Einstieg in die Bikewelt…
    Sowas müssten die Hersteller nochmal bauen, genau so, wie es Andy getan hat.
    Und endlich einer, der das hässliche, hochgezogene Sitzbankbürzel ästhetisch entschärft hat… 👏🏻👏🏻
    Und kein Schnickschnack, Moped pur…
    Einzig die Goldfelgen hätte man ihr noch gönnen können…😉👌🏻
    Ansonsten, top Leistung, Chapeau

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