Geld und eine Profi-Werkstatt sind nicht entscheidend. Peet kommt aus der Mitte der Selbstschrauber-Gesellschaft, seine Yamaha XS 650 auch.

Peet kommt aus America – America in den Niederlanden wohlgemerkt. Ein kleines 2000-Einwohner-Kaff mit großem Namen und die gute Gelegenheit, ein paar Witze drüber zu reißen. Peet ist das egal, er ist cool genug für einen Spaß und prostet uns zu. »Der Bierbecher stört ja bei den Fotos nicht, oder?«, fragt er und nimmt einen tiefen Schluck.

Yamaha XS 650 mit Scheibenrad

Peets Mopped hat uns sofort gefallen, vielleicht wegen des auffälligen Scheibenrads im Heck. Auf der 16-Zoll-Akrontfelge rotiert eine fette Moondisc, eine jener Radkappen, die man normalerweise auf Customcars oder HotRods sieht. »Ich fands cool für die XS«, erklärt Peet. »Und die Drumbrake passt da so prima rein«, zeigt er mit Blick auf die originale Trommelbremse.

Eigenbau-Kickerpedal mit eingebrannter »White Trash«-Signatur

»Vorne habe ich dafür keine. Das Bike ist zwar mit Baujahr ’82 ziemlich modern, aber man hat ja seine Prinzipien.« Peet ist ganz klar alte Schule – es soll nur am Rande erwähnt sein, dass der Holländer den 50. Geburtstag schon einige Jahre hinter sich gelassen hat. Peet ist Biker und Schrauber mit Leib, Seele und Herzblut.

Mit einfachen Mitteln

Er ist nicht reich, baut seine Karren mit einfachsten Mitteln und völlig traditionell zusammen. Und Peet trägt nicht ohne Stolz ein »White Trash«-Patch auf der Kutte und dem Kicker seiner Yammi. In den USA ist es die Bezeichnung für die weiße Unterschicht, Peet macht Kultur draus.

Wenig dran und trotzdem auffällig. Den Verzicht auf Bremse, Armaturen, Spiegel oder Blinker gleicht Peet allein mit dem wuchtigen Scheibenrad voll aus

Die laxen TÜV-Regeln in den Niederlanden lassen auch seine Yamaha unter Kultur laufen. »Keine Instrumente, keine Armaturen, keine Spiegel und was waren nochmal Blinker?«, Peet ist ein Meister im Weglassen. Der Yamaha verpasst er außerdem ein starres Heck, dass er selbst anschweißt. Und er betreibt Customizing aus schon vorhandenen Parts oder Teilemarkt-Einkäufen.

Yamaha XS 650 als Teile-Sammelsurium

Das vordere Buchanan-Rad von einer 68er-Triumph, die Frontlampe eine alte Nebelleuchte, das hintere Schutzblech ein oller Flatfender, vorne dagegen völliger Verzicht und nackte Optik. Dazu eine ganze Reihe an Eigenbau-Teilen. So entsteht der Auspuff für den nahezu im Originalzustand belassenen Motor – lediglich die Boyer-Zündung wurde neu montiert – aus rostfreiem Stahl, die Endstücke lassen Messing aufblitzen. Peet verlegt die beiden Krümmerrohre fast schon filigran und sehr auffällig zwischen den unteren Rahmenrohren.

Die XS 650 zählt zu den derzeit beliebtesten Basisbikes. Sie springt auf den ersten Kick willig an und bietet lässiges Handling selbst bei starrem Heck oder anderen Umbaumaßnahmen. Wirklich ein Motorrad, das für jeden Scheiß zu haben ist

Auch die Sissybar brät er selbst zusammen, genau wie Bremsstangen, Kettenblech, die Pedale oder »den ganzen anderen Kram«, wie er erklärt. »Mein Motorrad muss mich von A nach B bringen, es darf nicht der größte Kostenfaktor in meinem Haushaltsplan sein und es muss gut aussehen. Weißt du, dieses Bike habe ich für sehr wenig Geld geschraubt, aber es entspricht meinem Stil. Ich muss mir damit nicht schlechter vorkommen als die Hipster mit ihren Shovels und Pans«, sinniert er.

Stimmige Lässigkeit

Angenehm, wenn sich mal einer selbst nicht so wichtig nimmt. Lediglich bei der Sitzbank geht unser Holländer Kompromisse ein und lässt ausnahmsweise mal arbeiten. Der lederne Sitz ist eine Einzelanfertigung von Sara-Rachel, schmiegt sich wunderbar über den hinteren Fender und harmoniert perfekt mit dem braunen Lack. In seiner Lässigkeit ist Peets Bike absolut stimmig und passt hervorragend zu seinem Besitzer. Nur niemals spießig werden.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.