Customizing ohne den originalen Stil zu verändern? Kein Problem, wenn die Basis so gut da steht wie bei dieser Yamaha XJ 550

Mittlerweile gibt es eine Unzahl an Neumaschinen, die uns von den diversen Herstellern präsentiert werden. Eigentlich fast unvorstellbar, dass da nicht für jeden was dabei sein soll. Bei André sprang aber bei keiner der neuen Maschinen der Zündfunke über. Damit war klar, dass es etwas Altes sein musste, auf das er seine eigenen Vorstellungen übertragen konnte. Inspiriert durch Berichte über das Ace Cafe in London sollte es auf jeden Fall ein Cafe Racer werden.

Basis in Form der Yamaha XJ 550

Die Basis hierfür fand sich in Form von Yamahas XJ 550. Sie hatte alles, was die Idealvorstellung voraussetzte: natürlich luftgekühlt, einen klassischen Stahlrahmen und herkömmliche Stoßdämpfer. Leider wurde der erste Versuch unspektakulär zu Grabe getragen. André übergab seine erste XJ nämlich an einen Schrauber, um diverse technische Überholungen durchführen zu lassen.

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Als dann nach sechs Monaten ein kaputt restauriertes Etwas zurückkam, holte er sich umgehend rechtlichen Beistand. Wie der dazu geholte Gutachter quittierte, war es ein Totalschaden. Er empfahl, das Bike nie wieder auf die Straße zu bringen. Nach langer Suche stolperte André dann über folgende Anzeige: »XJ 550, Super Red metallic, 1. Hand, neuwertiger Zustand 10.000 km.«

Wie aus der Fabrik

Sofort kontaktierte er den Verkäufer, und als er kurz darauf bei ihm vorstellig wurde, traute er seinen Augen kaum. Die Maschine sah aus, als wäre sie gerade eben vom Band gerollt. Verkauft wurde sie im Auftrag eines 81-jährigen Erstbesitzers durch den gleichen Yamaha-Händler, der diesem die Maschine vor 26 Jahren verkauft und sie auch während dieser Zeit entsprechend den vorgeschriebenen Wartungsintervallen gepflegt hatte.

Leicht, wendig und spritzig sind die Attribute der schlanken Yamaha XJ550. Dank der überarbeiteten Gabel und den verbesserten Bremsen bringt das enormen Fahrspaß. Vorausgesetzt, der Fahrer scheut sich nicht vor hohen Drehzahlen. Trotz des hohen Alters genießt das Bike zudem den Ruf, sehr zuverlässig zu sein, was genügend Exemplare mit Laufleistungen weit über 100.000 Kilometern beweisen

Angesichts des unglaublichen Originalzustandes wurden die anfänglichen Umbauideen revidiert. André brachte es einfach nicht übers Herz, bei so einem Motorrad die Flex anzusetzen. Also entschied er sich für oldtimergerechte Modifikationen. Alle Umbauten sollten komplett rückbaubar sein.

Originalteile wurden konserviert und eingelagert

Schutzbleche, Sitzbank, Tank, Radsatz und Seitendeckel wurden deshalb als Neuteile zusätzlich angeschafft und alle Originalteile konserviert, verpackt und eingelagert – ein teurer Spaß und einer der Gründe, warum dieses Bike nicht so Low-Budget ist, wie es aussieht.

André brachte es einfach nicht übers Herz, bei so einem Motorrad die flex anzusetzen

Natürlich waren in den Achtzigern die Fahrwerke noch nicht das, was sie heute sind. Deshalb entschloss sich André mit den heute möglichen Mitteln die Gabel neu abzustimmen. Beim Spezialisten HH-Racetech wurde sie komplett überarbeitet. Zug und Druckstufe sind jetzt neu abgestimmt und mit einer stufenlos verstellbaren Federvorspannung versehen.

Yamaha XJ 550 im Ace-Cafe-Usedlook

Der optimale Zustand wurde von der Firma auf dem Prüfstand so lange abgestimmt, bis eine perfekte Dämpfer-Kennlinie entstand. Und weil die Fuhre jetzt so gut fährt, bekamen auch die Bremsen neben einer vollständigen Überholung bessere Beläge und Stahlflexleitungen verpasst. Das Custompainting im Ace-Cafe-Usedlook ist ein eigener Entwurf und wurde von Michael Schönen von Lackmuss realisiert.

Verschärfter Serienlook: Wegen des neuwertigen Zustands der Ausgangsbasis verzichtete der Besitzer der XJ 550 auf tiefgreifendere Umbauten

Natürlich sind alle Schriften, Logos und Nummern gebrusht. Die 83 auf der Nummerntafel ist das Baujahr, die darunter durchscheinende 68 das Geburtsjahr des Halters. Als Produktdesigner konnte André seine Entwürfe direkt als Vectordateien zum Plotten der Maskierfilme anliefern, was sich positiv auf den Preis auswirkte. Mittlerweile steht neben der alten Dame noch eine  MT 01 in der Garage. Hoffen wir mal, dass André auf seinen Sohn hört, denn der wusste gleich: »Papa soll das alte Motorrad behalten, das hört sich viel schöner an.«

 

Lothar Steinmetz
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE

Lothar Steinmetz ist bereits seit dem Jahr 2000 als freier Mitarbeiter für die CUSTOMBIKE tätig und kümmert sich vorrangig um Lowbudget-Umbauten. Darüber hinaus analysiert er Gesetzestexte und macht Technik für den Leser verständlich. Seit 1993 besitzt er eine gelbe Trude, die neben den anderen Mopeds der Familie immer wieder für Detailaufnahmen oder Reparaturanleitungen herhalten muss.