Wenn einer seine Yamaha Virago als »Drecksbecher« bezeichnet, muss wohl eine gewisse Portion Hassliebe im Spiel sein

Berny, der Blechmann, erlebte Höhen und Tiefen mit diesem, seinem ersten Motorrad. Es waren Stunden der Freude, der Verzweiflung und der Verzagtheit, doch er gab nicht auf. Die Geschichte zu Bernys Virago beginnt mit einem günstigen Glückskauf – ein nicht fahrbereites Wrack, trotzdem viele Kilometer auf der Uhr, komplett zerlegt, ein Großteil der Anbauteile fehlt.

Erstmal fahrbar machen

Zunächst bringt Berny die Yamaha in einen fahrbaren Zustand, ein bisschen was für die Optik ist auch drin. Die 1100 Kubik liefern ausreichend Drehmoment, einer ersten guten Saison steht nichts im Weg. Doch sie endet schnell und schmerzhaft – im Straßengraben. Und als Berny so neben seiner ramponierten Virago im Gras liegt, denkt er direkt und notgedrungen über die nächste Umbaustufe nach. Es soll noch sieben weitere Jahre dauern, bis die abgeschlossen sein wird.

Wenn selbst Spiegel und Armaturen in der eigenen Werkstatt gefräst und geformt werden, ist das höchste Custom-Schule

Das Bike wird zunächst zerlegt, »nichts sollte mehr an die alte Virago erinnern. Ich wollte in die Vollen gehen«, erklärt Berny seine Gedanken zur damaligen Zeit. Es war der Beginn einer über sieben Jahre andauernden Umbauphase. Sämtliche Anbauteile ersetzte Berny durch eigens gefertigte alugebürstete Parts.

Die Blechmann-One-Man-Show

Erfahrung im Umgang mit dem Material sammelte er sowieso reichlich, immerhin ist er in der Zwischenzeit mit seiner Firma »Blechmann« zum Metallexperten gereift, gar die Teilnahme an der Custom-WM in Sturgis gelang vor ein paar Jahren, damals mit dem Komplettaufbau eines Norton-Choppers. Von seinem Partner hat sich Berny freundschaftlich getrennt, der Künstler ist schon lange eine One-Man-Show.

Sieht aus wie ein Tankdeckel und ist auch einer: Trotzdem aufwendig gearbeitet und über zwei Gelenke geführt

Nur an der Virago geht es nach wie vor schleppend voran. Der Originalrahmen wird geschnitten und angepasst. Aus Niro fertigt der Österreicher die Sitzbank, die poliert und mit Leder überzogen wird. Tankdeckel, alle Halter, Rähmchen entstehen ebenfalls in der heimischen Garage – ohne CNC-Fräser, Laser oder Wasserstrahlschneider.

Yamaha Virago detailverliebt

Dafür unter massivem Einsatz von Feile, Hammer, Zangen, Winkelschneider und Schutzgas-Schweißgerät. Detailverliebt ist selbst der Kupplungszug ein Eigenbau. Die erste Fertigstellung des Projekts erfolgt 2008. Und wieder endet die Probefahrt im Nirgendwo von Schrauberträumen. Kapitaler Motorschaden. Beim Blick ins Innere des Zweizylinders bestätigt sich die Vermutung.

Liebevolle Details ohne Ende finden sich am ehemaligen Einheitsbrei-Motorrad: Selbst der Zündschlüssel ist ein Mini-Kunstwerk im großen Ganzen

Beim ersten Crash lief der Motor trocken weiter. Von vorne beginnen. Verzweifelt macht sich Berny auf die Suche nach einem Austauschaggregat. In den USA wird er fündig und ordert einen Motor. Und da das Bike nun sowieso wieder zerlegt ist, beginnt auch eine neue Umbaustufe.

Metall im Vordergrund

Lackteile werden wieder blank geschliffen und bekommen ein neues Design, das Metall steht im Vordergrund. Viele Teile, die er mühevoll handgefertigt hatte, landen im Müll und werden gegen noch exklusivere ausgetauscht. Alleine der über zwei Gelenke geführte und handgefertigte Tankverschluss unterstreicht dieses aufwendige Tun.

Kreativ auch die Lösung des Zündschlüssels – ein alter Kastenschlüssel erfüllt jetzt die Arbeit an der Virago. Auch an der Elektronik will Berny noch einiges verbessern. Kumpel Roland konstruiert ihm dazu eine Elektronik für Tasterbetrieb. Und weil alles eh schon egal ist, pflanzt er noch Felgen einer Yamaha FZ mit Kawa ZXR Bremsanlage rein.

Alle Entbehrungen vergessen

Irgendwann ist es dann endlich geschafft. Der Motor läuft perfekt. Nach der ersten Fahrt sind all die Entbehrungen, der Zorn, die Verzweiflung und Verzagtheit wie weggeblasen. Die Arbeit hatte sich gelohnt.

Theoretisch ist die Virago ein sauber abgestimmtes Motorrad, schon ab 2000 Umdrehungen ist die Laufruhe gefunden. Wie gesagt, alles theoretisch. Denn ob eine solche Skulptur wie die von Berny überhaupt auf die Straße gequält werden muss, bleibt Ansichtssache

Und als wäre diese ganze Story nicht schon verrückt genug, setzt der Burgenländer noch einen drauf: »Ich muss Investitionen für meine Firma tätigen«, also habe ich mich von der Virago getrennt. Wir zwei waren eh im verflixten siebten Jahr, da geht das schon.« Aber vermissen wird er ihn doch, den verfluchten Drecksbecher.

Info | blechmann.at

 

Roland Posch