Die Yamaha SR 500 ist ein Dauerbrenner der Motorradgeschichte, auch heute noch ungebrochen beliebt bei Originalheimern und Customizern

Ende der Sechzigerjahre: Das Aufbäumen nach dem Krieg, die coolen Fünfziger mit ihren Bobbern und Cafe Racern, alles längst vorbei, es war ruhig geworden um die Zweiräder. Die Motorradindustrie versunken im Dornröschenschlaf – und plötzlich wachgeküsst.

Boom der Motorräder

Mit Easy Rider, der Freiheit, dem Lebensgefühl ging der Wunsch nach zwei Rädern einher. Es gründeten sich Rockerclubs, Jungs machten wieder mit dem Bike die Bräute klar, die Nachfrage stieg rasant. Alle wollten wieder Motorräder haben – und die Zweiradwerke dieser Welt gaben sie ihnen, besonders in Japan. 

Noch nur eine Zeichnung: Die ersten Ideen zur Yamaha SR 500 stammen aus dem Jahr 1976. Seinerzeit stand die Linie schon fest, in der Entwicklung wurde es später etwas weniger langgestreckt

Yamaha hatte sich mit Zweitaktern einen Namen verschafft, nun sollte das Programm auf Viertakt-Motorräder umgestellt werden, das Know-how dafür kam aus der Autoindustrie. Das erste Bike der neuen Yamaha-Generation war schon 1970 die XS 1 mit OHC-Paralleltwin.

Yamaha SR 500 – schon 1976 beginnt die Erfolgsgeschichte

Schon ein Jahr später folgte die TX 750, bald darauf die TX 500 mit erstem eigenen DOHC-Vierventil-Twin, danach die dreizylindrige XS 750. 1976 war der Motorradboom endgültig nicht mehr von der Hand zu weisen, und mitten rein warf Yamaha die XT 500, mit nur einem Zylinder, aber einer Ausstrahlung, die die Highspeeder dieser Zeit locker in die Tasche steckte. 

Hier ein Modell der zunächst ausschließlich für den US-Markt geplanten Version »2J2«. Die zweite Scheibenbremse überlebte im US-Modell nicht lang, und die Gussräder sollten auch anderswo noch für Diskussionen sorgen

Atsushi Ishiyama, Vordenker unter den Yamaha-Designern, sollte schließlich der entscheidende Faktor einer neuen großen Idee sein. Mitsamt einer XT 500, einer Norton Dominator, einer BSA A 50 und einer Triumph stand Ishiyama am Ufer des Flusses Tenryu, eingeladen von Yamahas Abteilung für Produktplanung und aufgefordert, aus dem Arrangement der vier Motorräder seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Die Faszination des klassischen Einzylinders

Ishiyama fuhr an diesem Tag alle vier Motorräder, erlebte diverse Ankickversuche oder das Absterben des Norton-Motors nach nur einem Kilometer. Aber eben auch die Faszination der klassisch gehaltenen Einzylinder.

Der erste Prototyp der Yamaha SR 500. Schon hier trägt der Einzylinder eine Scheibenbremse vorn, die allerdings bis zur offiziellen Präsentation nochmals wachsen wird. Hinten gab es eine Trommelbremse, von Anfang an

Dann zog sich der Designer zurück und arbeitete mit Vehemenz daran, die Poesie eines Einzylindermotorrades in ein Straßenbike einfließen zu lassen, den Viertaktcharakter zu einem fahrenden Statement auszubauen. Die Büchse der Pandora war geöffnet, im Herbst 1976 ging der erste Prototyp eines neuen Modells auf Testfahrt.

Yamaha SR 500 – Ein Bike mit möglichst wenigen Bauteilen

Zwar wollte Yamaha für den Fahrer spürbare Vibrationen in den Vordergrund stellen, das aber bei der Verwendung möglichst weniger Bauteile insgesamt. Allerdings gingen die Vibrationen auf der Teststrecke nicht nur direkt ins Fahrerherz, sondern auch heftig aufs Material – Nachbesserungen dringend nötig.

Ihr Debüt auf der Tokyo Motor Show Ende 1977 gab die SR 500 in der Farbgebung Schwarz-Silber. Das Echo der versammelten Experten war verhalten. Aber als die ersten Maschinen nach Europa und in die USA kamen, stieg der Zuspruch

Es sollte sich noch einiges ändern, sowohl technisch als auch optisch, bis Yamaha bereit war, der Welt seinen neuesten Wurf zu präsentieren. Und dann war es so weit, auf der Tokyo Motor Show Ende 1977 stand die erste Yamaha SR 500, die endgültige Straßen-XT, ihr Namenskürzel Programm.

SR, das steht für Single Road

S für Single, R für Road – einfach, schlank, kompakt und konsequent retro, als es »retro« noch gar nicht gab. Der Applaus auf der Show war verhalten, zu grau scheinbar die Maus. Aber zeitverzögert kam er doch noch – und zwar brachial. Als die Bilder der Neuen um die Welt gingen und die ersten Maschinen in die USA und nach Europa gelangten, war der Zuspruch überwältigend und die Fangemeinde wuchs rasant.

Der Eintopf im Anschnitt: Kolben mit drei Kolbenringen, verstärkte Zylinderwände, gerader Ansaugweg hinter dem Mikuni

Und obwohl sich der Markt weiterdrehte, schnell nach Supersportlern gierte und die SR nicht überall gleichermaßen beliebt war – in England zum Beispiel war ihr nur ein kurzes Leben beschert –, hielt Yamaha an dem Einzylinder fest und ließ weitestgehend die Finger davon, das Motorrad zu verändern, einen E-Starter einzubauen oder die klassische Linie mit Speichen (Gussräder gab es bis 1983 gegen Aufpreis) und Trommelbremse hinten zu zerstören.

SR 500 – seit jeher Basis für Custombikes

Und so schaffte es die SR 500 sage und schreibe 21 Jahre lang, bis 1999, gebaut zu werden. Ein Motorrad mit Prinzipien und Charakter, das, als die Luft für retro dünn wurde, lieber von der Bühne trat, als sich zu verändern. Zweifelsohne ein Stück Motorradgeschichte.Ihre Liebhaber findet die SR 500 seit jeher auch in der Schrauberszene. Einfache Technik, einfache Optik – beste Voraussetzungen für Selberschrauber und Austober. Vier exemplarische SR-Customs zeigen wir euch in unserer Bildgalerie stellvertretend für eine nimmermüde Szene

 

 

 

 

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.