Wer über die Yamaha MT-07 berichtet, muss bei JvB-Moto in Köln vorbeischauen – und da gibt’s noch mehr zu erleben
»Eigentlich ist Köln zu klein für die vielen Menschen«, eröffnet Jens vom Brauck seine Geschichte über Köln – sein Köln. »Sieh dir das Chaos auf den Straßen an. Einfach zu viele Leute, die in die Stadt rein wollen oder raus.« Ich verstehe ihn nur zu gut. Wir sitzen am Kennedy-Ufer und blicken auf die Altstadt und die Staus auf der Deutzer wie der Zoobrücke. Auf letzterer haben wir uns gerade durch den Feierabendverkehr zurück gequält, um die beiden Super-7-Bikes auf Yamaha MT-07- und XSR-Basis in die Werkstatt in der Hafenstraße zu bringen – auf die unzivilisierte, germanische Seite des Rheins.
Fotograf verloren, unser Zeitplan hinkt
Unsere Ankunft dort ist das vorläufige Ende eines perfekt geplanten Tages. Geplant! Trotz minutiöser Planung hängen wir nämlich schon am Vormittag nach fünf Minuten Fahrt eine halbe Stunde fest: Unser Fotograf Ben ist weg, auf seiner Harley im Kurvengewühl verlorengegangen – so ein schwerer Eisenhaufen bleibt im Gegensatz zu den schmalen, wendigen Yamahas schon mal stecken. »Sorry, mein Fehler«, gesteht Jens, »das war mein Rushhour-Modus, ich habe euch da ganz vergessen.«

Meine Augenbraue hebt sich zweifelnd: Der vom Brauck’sche Fahrstil in der Stadt ist irgendwo zwischen Evel Knievel und Dragsterracing einzuordnen. Hat der Mann überhaupt noch einen Führerschein? Diese Frage wird ohne Antwort bleiben, denn schlagartig ist mein Kopf leer und mein Mund bleibt weit offen. Wir stehen auf dem Hof von Motorrad Kaup in Ehrenfeld. »Geil, ne?«, grinst Jens rhetorisch in meine Richtung und meint das Spalier von unzähligen Youngtimern aller Art, die mich durch ihre Scheinwerfer lockend anblicken.
Yamaha MT-07 im JvB-Style
Zweistöckig sammeln sich in der Halle mit hunderten Motorrädern und zigtausenden Ersatzteilen bald 30 Jahre Motorradgeschichte. »Während irgendeiner Intermot war ich mal mit ein paar Franzosen hier, die hatten Freudenpipi in den Augen bei dem Anblick.« Keine Frage, auch ich ringe mit meinen Gefühlen, als es plötzlich dunkel wird. Ich bin selbst kein kleiner Mann, aber ein wandelnder Tattoo-Berg mit Vorliebe für extreme Gespanne, namens Bart, schiebt sich so formatfüllend wie freundlich vor die Sonne und zieht mich in die Werkstatt rein.

»Ich bade gerade meine Vergaser«, zeigt er auf das Ultraschallbad auf dem Arbeitstisch. »Was meinst zu meinem Eimer?« Meint er das durchgerockte, rattige Cross-Gepann vor der Tür mit dem dicken Suzi-Vierender? Der Tank ist auf dem Beiwagen platziert und im riesigen Alukoffer hat der Riese eine 120-Ampere-Batterie untergebracht. »Ich brauch halt ein bissl Gewicht auf dem Beiwagen«, sagt er und sieht dabei selbstironisch an sich hinunter. »Außerdem kann ich damit auf den ganzen Wintertreffen immer schön Starthilfe geben – und die Handys laden.«
Yamaha MT-07 – und noch eine XSR 700
Jens reicht derweil Cappuccino vom italienischen Feinkosthändler nebenan. »Komm, ich zeig’ dir die Sehenswürdigkeiten.« Er führt mich in die heiligen Hallen. Durch das Oberlicht fällt mildes, staubgedämpftes Licht auf die Unmenge an Motorrädern, die hier reingepresst sind. Alles hat seine Ordnung. Auf der Galerie des Zwischenbodens stehen alte Zweitakter vom Schlage Kawa H oder Yamaha RD. »Die Schätze stehen oben«, erkenne ich und zeige auf die hierzulande fast unbekannte 400er-Katana im Originalzustand.

Containerweise hat Chef Peter Kaup früher in Japan Motorräder gekauft, darunter eben auch hierzulande fast unbekannte Modelle. Es gebe, so munkelt man, in ganz Köln verteilt noch weitere Schatzkammern mit Zeug, das keiner sehen soll. »Nur nicht zeigen, was man hat«, sprach einst schon mein Onkel, seines Zeichens Münch-4-Sammler. Auf die Frage, ob er sich hier auch Inspiration hole, antwortet Jens sehr klar: »Ich würde gerne, die Formen von früher sind oft cool. Doch das ist alles viel zu groß, breit und fett.
Ideen sammeln beim Kaup
Schau hier die alte Frontmaske der GPZ. Sieht eigentlich richtig gut aus, aber ist breit wie eine Schrankwand.« Wer Jens’ Frontmasken kennt, weiß, wovon er spricht, die Yamaha MT-07 beweist das einmal mehr. »Um Ideen zu sammeln, komm ich gerne hierher. Die Verkleidung der alten GPX hier zum Beispiel: Wie kamen die damals nur darauf, die Tanklinie so flach zu drücken und dann auch noch die Sitzbank so weit durchzuziehen? Ein paar interessante Teile nehme ich mir schon mal zum Probieren mit. Dafür kriegt der Peter meine abgebauten Neuteile zum Verticken. Das hält sich so die Waage, denke ich«, lacht der Wahlkölner aus Iserlohn.

Bevor er mit JvB-Moto zum international bekannten Designer und Customizer wurde, war Jens über zehn Jahre im Ausland unterwegs. Hauptsächlich mit seiner alten SR 500, 250 000 Kilometer hat die mittlerweile auf der Uhr. Eine Zeit lang lebte er in Malaga und verdiente seine Brötchen bei einem Mopedteilehändler. Aus Schrottteilen schraubte er da wieder fahrbare Untersätze und auch die ersten eigenen Umbauexperimente zusammen. »Wie den Motor der Suzuki Freewind in einem GPX-Rahmen. Natürlich nur, wenn der Chef nicht im Hause war.«
Mit der Yamaha-MT 07 in den Containerhafen
Mittagspause nach einem Besuch im Containerhafen. »Sag mal, muss es unbedingt Kölsch sein, oder geht auch Bier für das Bild?«, sehe ich in Jens’ Augen Hoffnung leuchten, als er die Yamaha MT-07 abgestellt hat. »Alter, das soll eine Story über Köln sein, mit total kitschigen Fotos vom Dom und so. Natürlich Kölsch!« Enttäuscht läuft Jens zum Büdchen und kommt kurz darauf mit zwei Flaschen wieder. »Reissdorf dann. Damit ist es immer einfacher beim Shooting.« Fragezeichen.

„Na ja, wenn die Grünen dich beim Moped knipsen an verbotenen Orten ansprechen, sagste einfach, das sei für Reissdorf. Dann gibt’s keine Probleme.“ Tatsächlich hängt in Sichtweite ein riesiges Reissdorf-Leuchtmännchen – in Bewegung! Andauernd führt es sich ein Glas zum Munde, dessen Inhalt den Bauch mit goldenem Licht füllt. Prost!
Köln als Kompromiss
»Köln war für mich beziehungsweise für uns anfangs ein Kompromiss. Meine Freundin war damals schwanger und ich eigentlich nur in der Welt unterwegs, ohne wirklichen Sitz. Köln bot sich einfach an, du kommst schnell überall hin und Iserlohn, da komme ich her, ist nicht weit. Seit 2001 sind wir nun hier und seither baue ich Motorräder. Und meine zwei Kids sind inzwischen groß.«

Auf die Frage ob die Kids ihren Papa, den Customizer, cool fänden, hat Jens keine konkrete Antwort: »Meine Tochter findet es langsam cooler, was ich so mache, und es fallen schon die Worte Roller und so. Aber wirklich heiß ist mein Sohn, der findet alles toll mit Motoren drin. Genau wie ich.«
Ein bisschen Sonne
Köln zeigt sich heute sehr freundlich. Es scheint ein wenig die Sonne, die Temperaturen aber gehen in Richtung Winter und wir verziehen uns in Jens’ Werkstatt. Heißer Kaffee wärmt die Seele und den Magen. Er teilt sich die Butze mit noch einem Schrauber, weder Heizung noch Klo hat die Hütte. Fließendes Wasser gibt’s nur bei Regen. Mittlerweile residiert er hier nicht mehr, »die neue Werkstatt hat sogar Fußbodenheizung«, freut er sich.

Was Köln für ihn ausmacht, will ich wissen. »Die Stadt ist für mich Heimat geworden. Ich mag die Leute, die Stadt und ihre oftmals recht assige Art und Weise. Klar geht mir der Verkehr tierisch auf den Sack, aber wenn man seinen Arbeitstag nach den Stoßzeiten richtet, kommt man recht flott durch. Auf der anderen Seite hat sich Köln auch stark verändert, nicht immer zum Guten«, sagt er und zeigt in Richtung der neuen Kranhäuser am Rheinauhafen.
Beck’s für zwei Euro
Letzter Halt Grünbaum. Im Belgischen Viertel lassen wir den Tag ausklingen, es ist »Beck’s-für-2-Euro-Abend«. Der Schachclub mit angegliederter Bar ist nur wenige Schritte von Jens’ Bude entfernt und lockt mit einem Flair zwischen »Hipster-Elend« und »Trinkhalle Gnadenlos«. Ich fühle mich auf Anhieb wohl. Mit dem letzten Schluck werde ich nochmal neugierig. »Wäre JvB-Moto auch ohne Kölle wie es heute ist?« Jens überlegt länger. »Mmmh, prinzipiell hat die Stadt wenig Einfluss auf mich als Designer und auf meine Motorräder. Die wären in jeder anderen Großstadt wohl auch so entstanden. Auf der anderen Seite hatte ich hier viel Glück und Köln passt ziemlich gut zu mir.«

Der Abend klingt aus, wir fahren mit Yamaha MT-07 und XSR eine letzte Runde um den Block. Die Stadt hat sich heute als Weltstadt präsentiert: offen, freundlich, etwas freakig und irgendwie verrückt nach Motorrädern. Nur Autofahren müssen die Jecken da noch lernen.
Info | jvb-moto.com | kedo.de


