Tsutomu Hasegawas Triumph TR6 … oder: Die Geschichte einer Oneman-Show und eines wunderbaren Motorrades
Kennt ihr die Wimmelbilder, die wir als Kinder so liebten? Voll mit buntem Zeug, und je länger man drauf geguckt hat, desto mehr Details sind einem ins Auge gefallen, desto öfter blieb der Blick hängen. Japan ist genau so ein absolutes Wimmelbild, und Tokio ist noch wimmeliger – egal in welchem Bereich, so auch in unserem Spezialgebiet.
Mitten in Tokio
Wie Pilze schießen sie aus dem Boden, die japanischen Schrauber – immer besser, immer mehr, immer neue. Haben wir schon lange Heiwa Motorcycles und Hide Choppers als die neuen Heilsbringer aus Fernost gefeiert, müssen wir heute schon wieder alles zurücknehmen. Unser geschultes Japan-Wimmel-Auge hat sich nämlich auf Tsutomu Hasegawa gerichtet. Wir nennen ihn der Einfachheit halber Tom, er hat kein Problem damit und heißt uns willkommen: In seinem Laden »Fork Co.ltd«, mitten in Tokio.
Ein japanischer Mopped-Schrauber beginnt seine Karriere kaum anders als jeder andere Bastler auf der Welt. Bei Tom ist es eine 250er Virago, die sein Begehren weckt und ihn als Teenie täglich zur Schule bringt. An der Universität darf es dann schon ’ne Nummer größer sein, Harley FXR. Jeden Morgen ankicken und als Alltagsfahrzeug nutzen, dazu unzählige Touren mit Kumpels durch Japan, lediglich Zelt und Schlafsack im Gepäck. »Auch das machte aus mir einen guten Mechaniker«, erzählt Tom, der ja auf sich selbst angewiesen war, wenn die Karre zickte.
Viel Lob für den lässigen Stil
Neben dem Studium beginnt er außerdem umzubauen. Seine lässiger Stil bringt viel Lob. Und er schließt ein Netzwerk, das später noch wichtig werden sollte. Mit 23 zieht es ihn in die USA, er setzt sein Studium am »American Motorcycle Institute« in Daytona fort, die Ausbildung ist sowas wie eine Mechanikerlehre mit Diplom. Tom ist in Florida eine Minderheit, er ist Asiate und nicht tätowiert. Und er fährt einen alten Yamaha XS 650-Chopper, einige Jahre bevor das Modell seine Renaissance erlebt.
Der Exot und Außenseiter sucht sich ein Projekt, sonst hat er neben lernen ja nix zu tun. Den Motor einer Triumph TR6 will er komplett überholen und tunen. Das Afterschool-Project wurde zum Vorzeigeaggregat, 100 Kubik Zuwachs brachte das Morgo-Kit aus Zylindern und Kolben. Traditioneller Amal-Vergaser und unverzichtbare Boyer-Zündung sind weitere Details, auch das Getriebe wird komplett renoviert.
Der Weg in die Selbständigkeit
Als Tom nach Japan zurückgeht, ist der Motor mit im Gepäck. Nach seiner Rückkehr heuert er als Mechaniker bei einem Harley-Händler an, die ständigen Ölwechsel und Wartungsarbeiten langweilen ihn so sehr, dass er sich ein neues Hobby sucht: Er beginnt, selbst Teile im Sandguss-Verfahren herzustellen. Seine Fähigkeiten sprechen sich schnell herum, die Wertschätzung ist groß, sein Können zieht Kreise. Bald wollen so viele Leute Toms Gussteile haben, er kündigt den Harley-Job und gründet seine Firma »Fork«. Und während wir an Zen-Buddhismus oder zumindest Motorradgabeln denken, erklärt er uns den Namen lächelnd: »Das Wort Fork japanisch ausgesprochen, klingt einfach unheimlich gut.« Ahja.
Tom hat das Glück, außerdem einen Meister des Gießens zu finden, der ihn bei der Herstellung unterstützt. Über 50 Jahre Erfahrung bringt der alte Meister mit, ein unglaubliches Jointventure. Heute bietet Tom über 250 Produkte an, allein 25 verschiedene Zündungsdeckel für Harleys, das Stück zu 8500 Yen. Ein Luftfilter kostet da schon mehr, 30.000 Yen, umgerechnet etwa 240 Euro. Toms Netzwerk ist weltumfassend, in Deutschland werden Fork-Teile zum Beispiel von W&W vertrieben. Die Einmann-Bude als internationaler Erfolgsbetrieb, allein das ist eine tolle Story, wenn da nicht noch dieses Motorrad wäre.
Triumph aus einem Guss
Schon nach seiner Rückkehr aus Daytona ist Tom klar, dass der Viertakter in einem stark modifizierten Monoshock-Rahmen wandern soll. So besteht der vordere Rahmen aus dem heftig gestretchten Triumph Originalrahmen. Der auffällig gerundete Heckrahmen stammt von Godden Racing (siehe Extrakasten), Tom verbreiterte ihn auf die Breite des vorderen Rahmens, auch um die Aufnahme der geplanten Triumph-Hinterradnabe zu gewährleisten, die Achsplatte ist eine Einzelanfertigung von Tom. Als diese wichtige Arbeit abgeschlossen ist, gerät das Projekt erneut in Vergessenheit.
Erst Ende 2011, als die Firma Mooneyes »British Irons« zum Sonderthema der Yokohama-Show macht, erinnert sich auch Tom wieder an seine Triumph. Er bestellt eine authentische Speedway-Gabel, die mit 2 inch over zur Halterung für das Vorderrad einer Honda XL 250 auf sagenhaften 23 Zoll wird. Sowohl vorne als auch hinten spendiert Tom seinen Rädern komplett neue Speichen, die ebenfalls als Sonderanfertigungen entstehen. Als absolute Custom-Oberklasse sind allerdings Benzin- und Öltank zu bewerten. Als wir Tom fragen, wieviele Stunden Arbeit darin stecken, schüttelt er nur den Kopf.
Triumph TR6 – Form vor Funktion
So entstand der Benzintank aus drei verschiedenen Gussteilen, die aufeinander abgestimmt, zusammengeschweißt und an drei Punkten in das obere Rahmenrohr eingesetzt werden – eine Meisterleistung, die Form vor Funktion stellt. Vier Liter fasst das schmale Gefäß. Den Öltank konstruiert Tom ebenfalls als Gussteil, das seinen versteckten Platz neben den Zylinderköpfen findet. Und dann die Sitzbank von den Freunden von »Skunk« (noch so ein merkwürdiger Name), die nach detaillierten Zeichnungen von Tom entsteht.
Am Ende steht ein Speedway-Bike der Oberklasse vor uns, je länger wir drauf schauen, desto inspirierender wird es. Tsutomu Hasegawas Triumph ist eine kleine Sensation, selbst im Japan-Wimmelbild.
Info | forkco.com
Godden Racing
Der Engländer Don Vincent Godden war mehr als 25 Jahre aktiver Bahnfahrer, hauptsächlich auf Gras. Am 1. August 1976 schraubte er den Bahnrekord in Cloppenburg auf 130,52 km/h und war damit Inhaber des inoffiziellen Grasbahnweltrekords. 1978 hängte Don Godden den Stahlschuh an den Nagel und betrieb seitdem professionell Motortuning. Bereits ein Jahr später, 1979, brachte er einen eigenen Motor auf den Markt, der sehr schnell erfolgreich wurde.
Karl Maier war der erste Fahrer, der demGodden-Motor 1980 und 1982 zu Weltmeisterehren verhalf. Neben seinen V-Twin-Motoren, die zuerst in Rahmen von JAWA und Weslake eingebaut wurden, fertigte der Spezialist auch Racing-Parts und Fahrwerkskomponenten. Am 29. Mai 2011 verstarb Don Godden im Alter von 74 Jahren. Seine Firma ist aber bis heute aktiv und immer noch auf Teile für Racing-Bikes spezialisiert. Godden Engineering wird mitterweile von Gary Drake geleitet.
Info | Fork Co.