Alten Damen über die Straße helfen? Eine wirklich anständige Sache – Julian und seine ein bisschen garstige Triumph T120.

Julian hat den Dreh raus, beruflich hat der gelernte Werkzeugmacher seine Heimat als Mechaniker bei Deathfield Choppers gefunden, privat kümmert er sich um die Damenwelt, aktuell alte englische Weiber bevorzugt. Wenn auch die erste Motorradliebe eine amerikanische war. Direkt nach der Lehre als Werkzeugmacher gings nämlich vor ein paar Jahren für ein Jahr nach Kanada, Erstkontakt mit Harleys vorprogrammiert, zarte Bande entstehen, der junge Deutsche ist verliebt … nein, schwer angefixt trifft es eher.

Triumph T120 – Eigenwillig, biestig und unheimlich charmant

Und weil man die erste Liebe auch in der Heimat nicht vergisst, manifestiert sie sich in dem Wunsch, direkt nach Rückkehr ein eigenes Motorrad zu bauen. Noch in Kanada werden erste Teile geordert und nach Deutschland zum Vater geschickt. Im Zeichen der Begierde steht allerdings erst mal eine Triumph, keine Harley – ein kleines Spiel mit dem Feuer, gelten die englischen Ladys doch gemeinhin als eigenwillig, biestig, aber eben auch als unheimlich charmant.

Der Zweizylinder-Viertakt-Motor der alten Lady wird mittels Neuteilen komplett wieder aufgebaut. Lohnt sich, sie pringt immer an … also fast immer

Julian meldet sich auf der Suche nach einer Basis in einem Triumph-Forum im Netz an, findet relativ schnell eins und kauft es direkt. Halt, das Wort komplett streichen wir doch lieber wieder. Um genau zu sein, kauft der Deutsche nämlich einen vorderen Rahmen, sowie zwei Kurbelgehäusehälften samt Kurbelwelle. Also muss er zunächst den Motor komplett neu aufbauen. Das geschieht mittels Neuteilen und dem Kopf einer Tiger, da der nur einen Vergaser erforderlich macht, ein Vorteil davon ist, dass die Drehzahl im Leerlauf sehr niedrig gestellt werden kann.

Triumph T120 – Rough und flach

Irgendwann ist sein Motor fertig und Julian poliert als finalen Akt noch das Kurbelgehäuse neu. An Weihnachten legt er sich dann selbst ein Geschenk unter den Baum. Das Rahmenheck, angefertigt von David Bird in den USA, ist um vier Inch gestretcht, um zweieinhalb gesenkt und maßgeblich verantwortlich für den roughen, flachen Look von Julians Bike. Auch damit ist es natürlich nicht getan, zur Zeit des Aufbaus investiert Julian jeden Monat fast sein gesamtes Gehalt in den Aufbau des Bikes.

Den rauen Look gibt das verschraubte Rahmenheck von David Bird aus den USA, gestretcht und nah am Boden macht die Lady nun ihre Kilometer

Und Zeit geht auch jede Menge flöten, geschraubt wird jeden Abend nach dem normalen Job. Immerhin, Julian hat einen Customizer mit Verständnis zum Chef. Er bekommt den Schlüssel zur Werkstatt und kann bei seinem Arbeitgeber nach Feierabend am eigenen Projekt bauen. Unbezahlbar, denn eigene Maschinen und Werkzeuge sind teuer. So entstehen in der Deathfield-Werkstatt die alten, neuen Felgen. Sie werden mit Edelstahlspeichen neu eingespeicht und schwarz gepulvert. Shinko-Doppelweißwand-Reifen, in den klassischen Maßen 19 und 16 Zoll, geben das Finish.

Ein Sportster-Tank ist immer eine Option

Gebremst wird vorn und hinten per Trommel, für die Leistung und das Baujahr tatsächlich einigermaßen ausreichend. Auch die komplette Elektrik verlegt Julian neu und verwendet ausschließlich Stoffkabel dafür. Und weil alles legal sein soll, bekommt die Lady sogar ein paar extrafeine Blinker. Die kommen von Kellermann und wenn man ganz genau hinschaut, kann man sie sogar sehen.

Sportster-Tanks haben sich für Oldschool-Umbauten bewährt, im Fall der Triumph ist das Spritgefäß zusätzlich geschmälert und mit einem Eigenbau-Tankdeckel gepimpt

Nach dem Bau von Auspuffanlage, Lenker, Öltank, dem Selbstdrehen der Griffe, dem Bau der Sitzplatte mit einer wie immer tollen Lederarbeit von Katharina von der Eiche und zahllosen Details mehr, tritt Julian zum großen Finale an. Ein Sportster-Tank ist immer eine Option, in diesem Fall wird der aber zusätzlich geschmälert und tiefergelegt, der Tankdeckel selbst gebaut. »Das Schweißen des Tanks war wirklich eine tolle Aufgabe«, Julian grinst, ein bisschen Ironie schwingt mit.

Die Triumph T120 springt (fast) immer an

Trotzdem, das Bike steht und wird mit ein paar Highlight-Pinstripes in Gold und Elfenbein, ausgeführt von Nick von »SchwarzWaldArbeit«, komplettiert. Die größte Freude aber ist, dass die Karre immer anspringt, auf der ersten Bikeshow sogar jedes Mal, über mehrere Tage. Nur als Nick auf die Bühne gebeten wird, um den Preis als »Best Bobber« entgegenzunehmen, da will sie nicht, gar nicht. Ihren Namen hat »Zicke« damit weg, Weiber halt.

Info | dfc-choppers.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.