Mit 40 Jahren hat John Crush sein Leben nochmal komplett umgekrempelt – eine Triumph T 100 war der Beginn des zweiten Frühlings.
Es gehört schon eine Portion Mut dazu, sich in der Mitte seines Lebens nochmal komplett neu zu finden. »Aber was blieb mir anderes übrig«, erzählt uns John, »ich habe doch die Motorräder eh nie aus dem Kopf bekommen.« Die Motorradleidenschaft des John Crush beginnt, als er fünf Jahre alt ist. Er und sein Bruder bekommen Honda-Minibikes, und während der Bruder seines fährt, zerlegt John das Ding lieber in Einzelteile, malt sie an, steckt sie wieder zusammen.
Triumph Tiger – herrlich reduziert
Der Grundstein ist gelegt, John schraubt ab da nur noch, an Fahrrädern, an Bikes, später auch an Autos. Aber erst nach vielen Jahren und nur auf Drängen seiner Freundin wagt er den entscheidenden Schritt. Er kündigt seinen festen kaufmännischen Job und startet sein eigenes Business. In Miami/Florida eröffnet er dieses Jahr seine Customwerkstatt »Crush Cycleworks«. Und weil man zum Grand Opening nicht gerne mit leeren Händen dasteht, baute John exakt dafür sein erstes hochoffzielles Bike, nämlich diese wunderschön reduzierte Triumph Tiger.

»Eigentlich startete das Projekt als hoffnungsloser Fall, das Bike war keinen Schuss Pulver wert, total veranzt«, erzählt John, der zwar eine Vorstellung hatte, wie das Ding mal aussehen sollte – auf klassisch getrimmt war Pflicht, aber keinen rechten Anfang fand. Als aber der Entschluss zur eigenen Firma feststand, musste John zwangsweise aus dem Quark kommen.
Einmal zur Motorrevision bitte
Als Einstieg nahm er sich den betagten 500er-Zweizylinder zur Brust. Polierter Amal-Vergaser, Hepolite-Kolben, neue Ventile und eine neue Zündanlage brachten das alte Aggregat auf Vordermann. Die Auspuffanlage bog er aus Dorn-Stahl selbst, die Cocktailshaker-Endtöpfe lieferte das örtliche Swap Meet. »Die Anlage besteht auf jeder Seite aus einem durchgehenden Rohr. Ich wollte sie so eng wie nur möglich am Rahmen laufen lassen. Nach Fertigung habe ich sie noch verchromen lassen«, erzählt John nicht ohne Stolz auf sein Werk.

Das Frontend seines Minimalbikes blieb einigermaßen original, die Faltenbälge der Triumph-Gabel wurden durch silberne Gabelcover ersetzt, außerdem bringt die gekürzte Gabel das Bike etwa zwei Zoll tiefer an die Straße. »So passt das Ding einfach super und hat den 19-Zöller mit der Trommel gut im Griff.« Beim Tank hingegen weiß John genau, wovon er spricht. Der stammt ursprünglich vom Teilemarkt, wurde allerdings so stark bearbeitet – unter anderem abgeschnitten und neu verschweißt – dass er fast als Eigenbau durchgeht.
Ein ganz spezieller Öltank
Und auch beim Öltank legte John kräftig Hand an. Der war in seinem früheren Leben nämlich das Ölfiltergehäuse aus einem GMC-Truck der frühen Nachkriegs-Jahre. Das alte Gehäuse wurde auf fast zwei Liter Fassungsvermögen erweitert und als Teil in das eigens gefertigte Hardtail-Heck integriert. Das Heck wurde anschließend in den Originalrahmen eingepasst und mit ihm verschraubt.

Die Sitzbank überm Öltank, die von einem unauffälligen Federchen gehalten wird, fertigte John ebenso selbst, wie den Heckfender, für den er ein Wassel-Schutzblech als Basis nutzte und es mit eigenen Struts versah. Bei der Farbgebung entschied John sich für komplette Zurückhaltung. Silber war absoluter Trumpf, die Räder sind pulverbeschichtet, der Motor komplett poliert. Lediglich die Tankhälften bekamen ein bisschen Weiß in Kombination mit goldenen Markenschriftzügen verpasst. Damit war das Bike vollendet, auf der diesjährigen Daytona Bike Week gab es erste Pokale für den Old-Newcomer.
The Shining Twin
Bleibt noch der ungewöhnliche Name der Triumph zu klären. Nun, weil John absoluter Fan des Films »Shining« mit Jack Nicholson in der diabolischen Hauptrolle ist, ist auch der Name des Bikes – The Shining Twin – für ihn nix Besonderes. Er bezieht sich nämlich auf die Zwillinge, die im Horrorhaus des Gruselfilms rumspuken. Kleine unschuldige Mädchen in netten Kleidchen, so wie diese britische Schönheit. »Ihren Zwilling werde ich dann als nächstes in Angriff nehmen«, erzählt uns John, auf dessen Werkbank die dafür vorgesehene BSA Lightning bereits wartet.
Info | Facebook: crushcycleworks
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.