»Die Einfachheit ist nicht der Anfang, sondern das Ziel einer langen Reise« – Arne und seine puristische Triumph T 110

Du bist ein echtes Kellerkind«, Arne Mengels Frau sprach irgendwann aus, was eh schon klar war. Doch nun hatte Arnes Schraubergemeinschaft auch endlich eine Art offiziellen Namen, die »Kellerkindsickles« waren geboren. Warum, das liegt auf der Hand.

Am Bock schrauben war Pflicht

Arne und seine Jungs schrauben im Keller seines Einfamilienhauses, »es vergeht kein Tag, ohne nicht mindestens einmal unten gewesen zu sein«, schmunzelt der Aachener, für den das Basteln von klein an dazugehörte, freilich damals vorgegeben vom Vater. Der dengelte dauerhaft an einem alten VW Käfer. Sobald Arne Motorrad fahren konnte, legte er sich eine Suzuki LS 650 zu, Kohle hatte er kaum, selbst am Bock schrauben war also Pflicht.

Kellerkind: Auch nach Fertigstellung seiner Triumph wird Arne tagtäglich in seinem Souterrain untertauchen

Dass den gelernten Tischler irgendwann aber der Wunsch nach einem echten Chopper beherrschte, versteht wohl jeder, der Motorräder mag. Bei Arne ist das knapp 20 Jahre her und fand Erfüllung im Kauf einer BSA. Zeitgleich erwarb Arnes Kumpel eine Triumph T110. Nicht irgendeine, sondern genau die, die ihr hier seht. Freilich gecustomized im polarisierenden Stil der 80er-Jahre. Schönheit lag auch damals schon im Auge des Betrachters.

Ein Angebot unter Freunden

Irgendwann geht Arnes Kumpel die Kohle aus, er entscheidet, seine T110 von damals zu verkaufen. Und weil die alte Freundschaft noch stabil ist, bietet er sie als Erstes dem Freund an. Der würde eigentlich sofort zuschlagen, aber Geld ist auch bei ihm nicht dick und der Fuhrpark besteht mittlerweile aus Guzzi, DKW und BSA.

Zwischen den Risern versteckt sich der Tacho

Also entscheidet Arne, seine Guzzi zu verkaufen, um den Triumph-Traum klarzumachen. Bis 100 Meter vor die Händlerwerkstatt schafft er es, dann ist das Getriebe im Arsch. Er schiebt die Guzzi weiter und verkauft sie mitsamt dem erheblichen Mangel.

Triumph in den Keller

Das Geld geht nahtlos an den Freund weiter, die Triumph tritt die Reise in den Keller an, auf Achse selbstredend: »Das Ding hatte zehn Jahre gestanden und ich habe auf der Fahrt sieben, acht Schrauben verloren«, schmunzelt Arne, der sich das Basteln über die Jahre selbst angeeignet hat und in der Zeit »auch jede Menge kaputtgebastelt hat«, wie er zugibt.

»Ich habe ein Bordsteinproblem«, gibt Arne unumwunden zu, als wir über die Fahrbarkeit seiner T 110 sprechen. Knapp 3,5 Zentimeter Bodenfreiheit taugen eben kaum für Experimente. Immerhin vermeidet er durch den sauber überholten Motor die technischen Zicken eines alten Aggregats

Der Motor ist ein klassisches Stück Technik, mit original Magnetzündung, feingewuchteter Kurbelwelle, Racing-Kupplung und Amal-Vergaser. Die Nockenwelle ist Bonneville-Material, der Trumpet-Endtopf für die Tiger-Krümmer entstand im Keller, schön schwarz und enganliegend am Rahmen. »Das hat seinen Grund«, erklärt Arne.

Nicht breiter als Vierzehneinhalb Zentimeter

»Das Bike ist an kaum einer Stelle breiter als 14,5 Zentimeter.« Und verdammt nah an der Straße. Den original Rahmen legt Arne etwa 50 mm tiefer, länger wird er außerdem. Auch die Gabel wird gekürzt. Die knubbeligen Avons zieht er auf die original 19-Zoll-Felgen vorne und 16er hinten auf. Alles für den schlanken Fuß. Aber Arne hat völlig recht, vor allem beim Blick von oben aufs Bike wird klar, dass nirgendwo was raussteht.

Cut-off: Zur mutwilligen Verringerung der Bodenfreiheit wurde die Telegabel gekürzt

Die Sitzbank eines Bonanzarades fügt sich ebenso perfekt in das schmale Gefüge ein, wie der Minimal-Tank eines Hercules-Mofas. Mit dem hat die Triumph nach langer An- und Abbauaction ihr endgültiges Spritgefäß bekommen. »Den Alutank einer Maico und einen Puch-Tank hatte ich schon probiert, überhaupt sah die Dauerbaustelle schonmal ganz anders und komplett in Alu aus«, erklärt Arne. Und so war der Tank auch das letzte neue, alte Teil, das er dem Umbau spendierte und mit dem er nun zufrieden ist.

Best Brit Bike

Viele Flohmarkt-Teile, Weggeworfenes, Selbstgebasteltes und längst Vergessenes findet außerdem den Weg zum Bobber, »und jede Menge Blut, Schweiß und Liebe«, wie Arne die zweijährige Umbauphase in Worte kleidet. Eine der ersten Ausfahrten mit dem schmalen Gerät führt ihn seinerzeit zur »Kustom Kulture«, wo er direkt den Pokal fürs »Best Brit Bike« verliehen. Mittlerweile sind die Motorräder in den Hintergrund gerückt, aber in der Szene aktiv ist Arne nach wie vor. Pnstripen, malen, lackieren – die Customszene hat zum Glück viele Bereiche, in denen sich Kellerkinder austoben können.

Info | FB: Kellerkindsickles

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.