Die Vorgänger-Version von Triumphs aktuellem Klassik-Twin war von recht öder Natur. Da tut mehr Dampf not: Über 80 PS aufs Hinterrad zu bekommen, ist allerdings schwierig und teuer, und oft wird die Ernte erst bei hohen Drehzahlen eingefahren. Dietmar Franzen hat für die vorherige Bonneville-Generation ein Big-Bore-Kit entwickelt, das bei 4000/min 25 PS mehr leistet und je nach Ausbaustufe noch deutlich mehr bietet

„Was meinst du? Klingt sie zu zahm?“, fragt mich Dietmar Franzen, als er am Gasgriff der giftgrünen Triumph dreht und ein wütendes Twin-Bellen die Luft erfüllt. Ich verstehe die Frage nicht. Hat er tatsächlich Angst, dass seine Sport- Evolution-Bonneville mit ihren 107 PS und 1100 ccm nicht angsteinflößend genug sein könnte? Mich jedenfalls macht das schon von der bloßen Papierform her nervös. Vielleicht, weil ich weiß, dass das grüne Biest satte 42 PS mehr in ­petto hat als Hinckleys herkömmliches Serienmodell. Nur ein paar Grad Drehwinkel am Gasgriff bringen ein promptes, mächtiges Aufbäumen. Diese Maschine brennt ­darauf, dich einzuschüchtern. Bei mir ist ihr das ­gelungen. Keine Spur mehr vom drögen Understatement der ­Standard-Bonneville. 

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Contis grobstollige TKC-80-Reifen können meine ­Unruhe kein bisschen dämpfen. Auf einem Mountaintrail würden sie sich sicher gut machen, aber auf den Straßen der Stadt? Außerdem sind sie doch gar nicht für derart viel ­zerrende Kraft ausgelegt, oder? Um die Angelegenheit noch zu verschärfen, ist der vordere Reifen mit ­seinen 120/70 auf der 17-Zoll-Felge ein regelrechter ­Ballon, und das Heck der Triumph liegt sicher fünf Zentimeter ­höher als bei der normalen ­Bonnie. Zu hoch in meinen ­Augen. Ich fürchte um ihre Stabilität im Einsatz. Dietmar aber versichert mir, dass die Geometrie mit Bedacht aus­gearbeitet und das Motorrad nach dem Vermessen mit ­seiner hauseigenen Grand-Prix-Simulations-Software neutral ausbalanciert wurde. Ich nicke anerkennend, ­meine Skepsis aber bleibt.

Präzise und routiniert arbeiten ­Dietmar und seine Crew an den Auf­gaben, die lange Erfahrung im Rennsport fließt immer mit ein

Fünf Minuten und zwei Roundabouts später bin ich ­bekehrt. Das Biest, es ist unter mir regelrecht geschrumpft, plötzlich wirkt es leicht und klein. Das Lenkverhalten ist so, wie Dietmar es mir versprochen hat – das Fahrwerk tut genau, was ich von ihm will. Weder fällt die Triumph in die Kurven noch brauche ich einen ­starken Arm, um sie um die Ecken zu zwingen. ­Natürlich greifen die Reifen sich den Asphalt nicht so fokussiert und präzise wie Sportgummis, ultimativen Grip darf man nicht erwarten. Das Feedback aber ist gut und der Grenzbereich relativ weit. Fangen die Dinger irgendwann an zu rutschen, dann so sachte, dass es eher kickt als beängstigt.

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Wie eindrucksvoll das Fahrwerk auch sein mag, Herzstück dieses Umbaus ist der meisterhaft getunte Motor. Mehr Pferde als der Evo-Twin einer Ducati Monster 1100 hat er und rotzt, ganz anders als die Duc, schon bei 2000 Umdrehungen ab. Zwischen 3000 und 4000/min serviert er dann die pure Kraft aus der Hexenküche dieser mäch­tigen, auf- und abpumpenden Schmiedekolben. Ein roher, muskulöser Rhythmus ist das, viel härter als bei einer Standardmaschine, niemals aber grob oder rumpelig. Drehst du den Twin bis 6 000/min hoch, wird die Bonnie besonders im zweiten und dritten Gang ernstlich schnell, bleibt dabei aber geschmeidig.

In der Gabel steckt ein 17-Zoll-Reifen in 120/70er-Dimension. Dank der hausinternen Fahrwerksoptimierung lenkt der Scrambler trotz des extremen Profils erstaunlich neutral ein und funktioniert auch mal im Gelände

Zwischen 2000 und 6000/min macht sie das zu einer perfekten Straßen­maschine: charakterstark, kraftvoll, leichtgängig, ­gerade­zu cremig am Gas, dabei aber immer scharf und ­reaktionsfreudig. Bei 4 000 Umdrehungen hat sie die ­Power des Factorybikes bei 7000. Auch sie könnte man bis 7000 ausdrehen, aber das muss man gar nicht, denn schon bei sechstausend Revs liegen 95 PS an. An diesem Punkt fängt die QD-Auspuffanlage, die erstaun­licher­weise eine ABE hat, an, uns an die ­guten alten Lafranconis der 70er-­Jahre-Guzzis zu erinnern. Will man was kritisieren, dann höchstens das: ­Diese ­Bonnie ist bei weitem nicht so ­entspannt und lässig wie das Original.

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Dietmar Franzen stimmt mir zu. „Diese Maschine ist eher etwas für die Theke. Gebaut, um Leute zu beeindrucken und zu ­sagen: Guckt mal, 107 PS – wir sind die Großen! Diese Konfiguration empfehle ich meinen Kunden aber auch nicht unbedingt. Um ihr Potenzial auszuschöpfen, muss man sie hoch ausdrehen, und das passt eigentlich gar nicht zum Charakter dieses Bikes. Wir haben es hier trotzdem mal auf die Spitze getrieben, um zu zeigen, was möglich ist.“ Diese „Stufe 2“-Maschine hat zusätzlich zum Elfhunderter-Kit ein speziell angefertigtes 44-mm-Drossel­klappensystem, bearbeitete Zylinderköpfe und einen Sport-Evolution-Nocken­wellensatz.

Tuningteile, die ihr Geld wert sind: Überarbeitete Zylinderköpfe sind zwar gut und richtig, aber Dietmar rät meist erstmal zum Einsatz der Sport-Evolution-Kolben und der massiven gefrästen Zylinder, die ohne weiteres zu einer erstaunlichen Performance-Verbesserung führen

Als ich Dietmar das letzte Mal getroffen ­habe, ­waren noch 100 PS das Ziel. Dann dachte er, dass vielleicht 115 möglich wären. In der nächsten Entwicklungsstufe versuchte er es dann mit größeren ­Ven­tilen und einer Doppelzündung. Das Ergebnis? 124 PS und 116 Newtonmeter. „Die 130 PS werden bald fallen“, ist sich Dietmar inzwischen sicher. Es ist die technische Herausforderung, die ihn fasziniert.

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Dietmar ist bekennender Speedfreak, begeistert von Runden­zeiten und Rennergebnissen. Und er ist ein obsessiver ­Konstrukteur von ultimativen Performance-Maschinen, wie  einer 171-PS-Speed-Triple im Jahr 2007 oder einer 214-PS-Fire-Blade 2009. Mit seiner Tuningwerkstatt Sport Evolution in Koblenz ist er bekannt als einer der fähigsten Köpfe ­innerhalb der deutschen Rennszene. Er selbst war Renn­fahrer, aber auch Technikguru in zahllosen Rennteams von der Endurance WM über World Superbike Racing bis hin zur Moto-2-Klasse der MotoGP. 

Edle Details wie das Minicockpit von Motogadget sowie LSL-Lenker und hochwertige Gabelverschlussstopfen ­runden das Gesamtbild ab

2008 gewann die von ihm für das G-Lab-Racingteam entwickelte Triumph Daytona die IDM Supersportklasse. Triumph war davon dermaßen beeindruckt, dass sie ihn schon damals fragten, ob er nicht auch mal eine Bonneville tunen könne. Damals hatte er kein Interesse. „Wir haben zu der Zeit nur Supersportler gemacht. Die Bonneville war einfach nicht meine Welt. Bis 2006 bin ich selber aktiv ­Rennen gefahren und kaum mal auf der Straße unterwegs gewesen. Ich hatte wirklich nur Racing im Kopf. Es war gar nicht mal die Bonneville an sich das Problem, sondern diese ganze Motorradgattung.“

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Doch der gnadenlose Stress und zweifelhaftes und dubioses Geschäftsgebaren inner­halb dieser so geliebten Wettbewerbswelt fingen allmählich an, ­Dietmar die Lust daran zu verleiden. Im Einklang mit seiner Frau Chantal schrumpfte er die Firma und richtete sie auf neue Ziele aus, denn auch er hatte zunehmend festgestellt, dass sich der Motorradmarkt ändert. Das Interesse an modi­fizierten Bikes nahm beständig zu, und sie entschieden, ihr Business wieder stärker aufs Tuning auszurichten. 

Ein ­Gerücht besagt, dass umwickelte Krümmer den Gasflow im Auspuff verbessern – ­Dietmar konnte das zwar bisher nicht ­bestätigen, hat sie aber trotzdem eingepackt. Die Endtöpfe ­stammen von QD und haben ­eine ABE

Für erste Experimente legte sich ­Dietmar einige Triumphs zu. Plötzlich erwischte er sich immer öfter dabei, wie er auf einer Bonneville durch die Eifel brauste. Und dann machte es irgend­wann plötzlich „Klick“: „Jeanshose, leichtes Jäckchen, Jethelm – du merkst einfach, das hier ist etwas ganz anderes. Diese emotionale Ebene des Fahrens. Es geht nicht darum, ob man statt 70 in letzter Konsequenz 131 PS hat. Nicht um Rundenzeiten oder optimale Rennergebnisse. Das Bike muss einfach ein gutes Gefühl erzeugen und beim Fahren denkst du irgendwann – ja, genau das ist es! Das gefällt mir jetzt.

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Völlig unabhängig von jedem Messergebnis. Sowas kann man von keiner Tabelle ablesen. Leute, die zu mir kommen und wollen, dass ich ihre klassische BMW oder Triumph umbaue, sind viel verbundener mit ihrer Maschine als solche, die mir einen Supersportler bringen. Auch wenn sie nicht ganz so viel technisches Verständnis mitbringen, ist es doch ihre große Leidenschaft. Das ist eine schöne Sache. Für einen Rennfahrer ist das Motorrad eher ein Mittel zum Zweck. Wenn etwas nicht so funktioniert wie gewünscht, wirft er seine Maschine den ­Mechanikern vor die Füße und sagt: ,Ich mach‘ jetzt Mittag, wann seid ihr fertig mit dem Ding?‘

Die Bonnie-Gabel hat ein Cartridge-Kit, mit dem Federvorspannung sowie die Druck- und Zugstufe einstellbar sind

Bonneville-Kunden haben eine viel emotionalere Bindung zu ihrem Bike und wissen, was ihnen wichtig ist. Zum Beispiel, dass Leistung an sich nicht das Ziel sein kann, denn mit einem Zuviel an Tuning verschiebt man auch die Kraftausbeute in viel höhere Drehzahlbereiche.“ Wenn man also irgendwann 120 PS bei 10000 Umdrehungen hat, gibt es bei drei- oder viertausend deutlich weniger. Das passt einfach nicht zu einer Bonnie. Das ist auch der Grund, warum Dietmar seinen Kunden nicht unbedingt zur letzten Ausbaustufe mit 107 PS rät. „Der Standard-1100-ccm-Big-Bore-Kit ist viel besser. Er besteht aus einem gefrästen Aluminium-Zylinderblock mit hochfesten Schmiedekolben und dazu passendem neuen Mapping für die Einspritzung. Probier es mal aus!“

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Er ­deutet auf einen frisch getunten Cafe Racer vor der Werkstatt. Ich setze mich drauf und drehe eine Probe­runde. Tatsächlich – von unten raus fühlt sich dieser ­Umbau deutlich kräftiger an als das grüne 107-PS-Monster von vorhin. Mühelose Power vom Leerlauf bis hinauf auf über 90 PS und 100 Nm an der Kupplung. Ein klarer Beweis für Dietmars Liebe zu seiner Arbeit. „Es macht einfach mehr Freude, als Supersportler umzubauen. Für Leute, die mit einer S 1000 RR hier an­kommen, treibt man einen mordsmäßigen Aufwand, um aus 200 dann 220 PS zu ­generieren. Das kostet sie 10.000 Euro und sie fahren mit zwanzig Pferdestärken mehr vom Hof, versteckt in einem Nutzungs­bereich, den normale Fahrer kaum spüren. Die meisten sind damit nicht wirklich glücklich. Das macht mich dann auch nicht glücklich.

1100 ccm Kit mit aus dem vollen gefrästen Zylindern und Schmiedekolben

Ich will einen richtigen Aha-­Effekt bei ­meinen ­Kunden ­erzeugen. Wenn die sich von mir dann einen Big-­Bore-Kit ein­bauen lassen, fahren die samstags vom Hof, und ­spätestens am Sonntag bekomme ich einen Anruf: ,Hey Dietmar, ich werf mich weg, das Ding ist klasse! Diese 25 Extra-PS machen einfach einen Riesenunterschied.‘ Genau das ist es, was ich damit erreichen will. Das macht mich dann auch glücklich und zufrieden.“

 

Info | sport-evolution.de

Gregor Johannsen