Was macht es eigentlich für eine Arbeit, einen Sitz herzustellen? CUSTOMBIKE begleitet die Fertigung eines Schwingsattels.

Mit der Sitzschale bewaffnet schlagen wir beim Polsterer auf. Zunächst einmal müssen wir mit Sattlermeister Jörg Ankert die Bezugsart klären. Schwarzes Leder soll es sein mit einem roten Rand, der sich farblich an den Felgen orientiert. Hierzu bekommen wir eine Lederfarbtonkarte in die Hand gedrückt, mit der wir an den Felgen die Farbe vergleichen können. Nach den formalen Klärungen kann es ans Werk gehen.

Robust, wasserfest und schön anzusehen: Der fertige Solosattel ist bereit für viele Jahre harten Alltagseinsatz. Die Schritt-für-Schritt-Erklärung gibt’s in der Bildergalerie

Zunächst werden in die hinteren Löcher Halter für Nieten eingesteckt und mit Klebestreifen fixiert. Ansonsten könnten sie während der folgenden Schritte ein unerwünschtes Eigenleben entwickeln. Die Nieten, die wir uns in Form und Farbe aussuchen können, dienen heutzutage nur noch optischen Zwecken. Anschließend werden Sitzschale und Polsterung mit Kleber eingesprüht. Nach dessen Abbindung werden beide Komponenten mittels Zusammendrücken für die Ewigkeit verbunden. Das überflüssige Material schneidet Jörg entlang der Sitzschale mit dem elektrischen Messer ab. Anschließend schrägt er die Kanten ab und bringt sie dann mit der Powerfeile in ihre endgültige abgerundete Form. Näherin Antje nimmt danach mit einem dünnen Vlies das obere und untere Maß vom Sitz ab, um die Form auf das Leder zu übertragen. Zur Orientierung sind genau in der Mitte kleine Einschnitte, die man aber nachher nicht mehr sieht. So werden Ober- und Unterteil im folgenden Arbeitsschritt zusammengenäht.

Die »Anprobe« –  Fertigung eines Schwingsattels

Im Anschluss erfolgt die Anprobe – es sieht zwar noch ein wenig zu groß aus, aber das gibt sich noch bei den späteren Abschnitten. Für die Biese, den roten Rand, wird nun die Länge mittels Maßband am Sitz abgemessen. Aus dem anfangs ausgesuchten roten Leder schneidet Antje nun den entsprechend langen Streifen aus. An der Maschine näht sie in zwei Etappen die Abschlusskante an den Sitzüberzug. Zunächst die eine Kante »auf links« Richtung Sitz, dann wird der rote Rand umgeknickt und erneut angenäht. Nun streicht sie Kleber innen auf die Biese und näht diese final zusammen. Das überschüssige Material schneidet die Näherin mit der Schere sorgfältig ab. Damit ist ihre Aufgabe erledigt.

Maßarbeit: Das überstehende Polstermaterial wird mit einer Stichsäge abgeschnitten

Der Chef persönlich kümmert sich um die weiteren Maßnahmen. Um eventuell noch vorhandene minimale Unebenheiten zu kaschieren, wird auf die bislang aufgebrachte Polsterung noch mal eine Schicht Schaumstoffvlies aufgebracht. Wie im ersten Schritt wird dazu wieder beidseitig Kleber aufgesprüht und alles nach dem Abbinden zusammengefügt. Danach folgt noch die Versiegelung mittels einer Kunststofffolie, natürlich aufgeklebt. Normalerweise weist gut gefettetes Leder Nässe ab. Bei mangelnder Pflege trocknet es aber aus, wird rissig und dann könnte sich das Innenleben mit Wasser vollsaugen – wenn da die Folie nicht wäre.

Nur eine geübte Hand, kann alles in die richtige Form bringen

Jetzt ist der Unterbau  auch endlich fertig, bevor es weitergeht muss jedoch wieder unterm Sitz Kleber aufgetragen werden, diesmal mit dem Pinsel. Anschließend zieht Jörg den Bezug über die Unterkonstruktion. Da, wo die Spitzen der Nieten aus der Sitzschale gucken, muss das Leder vorsichtig eingeschnitten werden, bevor es angepresst werden kann. Nur eine geübte Hand kann hier, bis zum endgültigen Abbinden, alles in die richtige Form bringen. Nachdem alles gut sitzt, müssen nur noch die Köpfe der Nieten drauf. Dazu werden erstmal die Stifte mit dem Seitenschneider auf Maß gebracht. Abschließend drückt Jörg die Köpfe drauf. Fertig! Damit kann der Sitz endlich aufs Moppet. Abschließend bekommt er noch eine Schicht Lederfett ab. So viel Aufwand für ein Teil, das doch eigentlich »für’n Arsch« ist …

Info | autosattlerei-ankert.de

 

 

Lothar Steinmetz
Freier Mitarbeiter bei

Lothar Steinmetz ist bereits seit dem Jahr 2000 als freier Mitarbeiter für die CUSTOMBIKE tätig und kümmert sich vorrangig um Lowbudget-Umbauten. Darüber hinaus analysiert er Gesetzestexte und macht Technik für den Leser verständlich. Seit 1993 besitzt er eine gelbe Trude, die neben den anderen Mopeds der Familie immer wieder für Detailaufnahmen oder Reparaturanleitungen herhalten muss.