Kunststoff kleben leichtgemacht – CUSTOMBIKE zeigt, wie sich schnell und kostengünstig ein defektes Plastikbauteil reparieren lässt.

Wer kennt nicht dieses leidige Thema, man montiert den Seitendeckel am Bike und ehe man sich versieht, bricht der kleine Befestigungsnippel innen ab. Nun ist guter Rat teuer. Schnell muss ein neuer Deckel her. Manche Leute kommen auch auf die Idee und bohren ein Loch hinein und fixieren den Deckel mit einer Schraube. Wir jedoch wollen es professioneller. Bevor es ans Reparieren geht, müssen wir allerdings einige theoretischen Grundlagen beachten, denn nur mit dem richtigen Basiswissen wird eine Klebreparatur auch wirklich dauerhaft halten.

Zunächst wird die beschädigte Stelle – hier an einem Kotflügel aus ABS-Kunststoff – mechanisch bearbeitet. Bohrungen (oben) und raue Oberflächen (unten) vergrößern die Oberfläche und sorgen für sicheren Halt

Kunststoffbauteile am Motorrad können im Allgemeinen relativ gut geklebt werden. Es gibt einige Ausnahmen, dies sind allerdings in der Regel keine Verkleidungsteile, denn diese bestehen meist aus dem Kunststoff ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), der gut klebbar ist. Kunststoffbauteile an Kraftfahrzeugen müssen nach dem Werkstoffblatt  VDA 260 gekennzeichnet werden. Hier erkennt man die Kunststoffsorte. PE (Polyethylen) oder PP (Polypropylen) lassen sich nur mit sehr viel Aufwand kleben. Hier sollte die Wahl des Reparaturverfahrens das Kunststoffschweißen sein. Wichtig ist auch, ob es sich um ein Bauteil handelt, das Auswirkungen auf die Fahrphysik bzw. die Sicherheit hat. Hier sollte im Zweifelsfall zugunsten der Sicherheit das Bauteil erneuert werden. 

Basiswissen Kunststoff kleben

Klebstoffe werden in zwei Gruppen unterteilt, die physikalisch abbindenden Klebstoffe und die Reaktionsklebstoffe. Der Unterschied besteht darin, dass Reaktionsklebstoffe auf Basis einer chemischen Reaktion aushärten. Dieses wird meistens durch zwei oder mehrere Komponenten ausgelöst (Klebstoff plus Härter). Bei den physikalisch abbindenden Klebstoffen basiert die Aushärtung durch abdampfen von Lösemittel (Beispiel Patex) oder abkühlen (Beispiel Heißklebepistole). In unserem Fall zur Reparatur von Kunststoffteilen verwenden wir einen Reaktionsklebstoff mit zwei Komponenten.

Die zu verbindenden Stellen dürfen nur mit einem speziellen Reiniger abgewischt werden, auf keinen Fall Verdünnung verwenden (oben). Auch das Gegenstück muss mit Schleifpapier aufgeraut werden (unten)

In beiden Fällen entstehen nach Aushärtung der jeweiligen Klebstoffe Adhäsionskräfte (Anhaften) und Kohäsionskräfte (Zusammenhalt). Damit dieses Zusammenspiel auch funktioniert, muss das Bauteil, das geklebt werden soll, auch gut benetzbar sein, damit der Klebstoff eine haltbare Verbindung mit dem Grundmaterial eingeht. Eine gute Benetzbarkeit kann man durch eine Oberflächenbehandlung erreichen. Diese ist insofern wichtig, da fehlende Oberflächenvorbereitung unweigerlich zum Versagen der Klebverbindung führt. Die Kohäsionskräfte sind dann in diesem Fall geringer als die Adhäsionskräfte und es kommt zum Kohäsionsbruch.                                       

Erst reinigen, dann Kunststoff kleben

Als Erstes müssen die Klebflächen großflächig gereinigt werden. Hierbei ist zu beachten, dass nur geeignete Reinigungsmittel für Kunststoffe verwendet werden dürfen. Diese könnt ihr in der Regel zusammen mit den Klebstoffen bekommen. Wichtig ist, dass bei Kunststoffbauteilen keine Lösemittel wie z. B. Verdünnung oder Aceton verwendet werden dürfen, denn bei der Verwendung von Lösemittel können im Kunststoff Spannungsrisse entstehen, die wir zunächst nicht sehen können, die aber auf Dauer zur Versprödung des Kunststoffs führen.

Vor dem Kleben müssen die Oberflächen geprimert werden (oben), anschließend wird der Zweikomponenten-Reaktionsklebstoff auf ein vorab zurechtgeschnittenes Verstärkungsplättchen aufgetragen (links), das dann zur Verbindung der Bauteile von der Rückseite angepresst wird (rechts)

Neben dem Anschleifen, was zur Oberflächenvergrößerung und somit auch zur besseren Benetzbarkeit führt, müssen Kunststoffteile vor dem Kleben geprimert werden. Das Primern führt dazu, dass Kunststoffoberflächen bessere Hafteigenschaften bekommen. Am besten ist es, wenn man sich ein komplettes Reparaturset zum Kunststoffkleben anschafft, dieses beinhaltet neben dem geeigneten Reinigungsmittel und Primer auch Aluminiumblechstreifen sowie Glasfasergewebe, die zur Verstärkung mit eingearbeitet werden. 

Bei einer Klebereparatur müssen einige Parameter eingehalten werden

Wichtig ist bei einer Klebereparatur, dass folgende Parameter eingehalten werden müssen, damit es zu einer haltbaren Verbindung kommt: Vorbereitung der Klebfläche, Auswahl des geeigneten Klebstoffs, primern der Fügefläche, korrektes Mischungsverhältnis der Klebstoffkomponenten und das Beachten der Topf- und Aushärtezeiten. Bei der Topfzeit handelt es sich um die vom Klebstoffhersteller angegebene Verarbeitungszeit. Diese darf nicht überschritten werden. Nach Ende der Topfzeit fängt der Klebstoff an zu gelieren und darf nicht mehr verwendet werden.

Jetzt wird der Reaktionskleber großflächig auf die Bruchstellen und als Untergrund für die Vliesmatte aufgetragen. Was wichtig ist? Gute Vorbereitung der Bruchstelle, korrektes Mischungsverhältnis beim Kleber, und je größer die Klebefläche, desto besser die Haltbarkeit

Nun wird eine ausreichend große Klebfläche mit Klebstoff benetzt. Der Versuch, ein dünnes Kunststoffteil – z. B. ein Verkleidungsteil – an der Bruchfläche zu verkleben, wird mit Sicherheit scheitern. Durch eine Klebflächenvergrößerung – etwa durch Hinterlegen eines Alubleches oder Verstärkungsgewebes – lassen sich wesentlich bessere Ergebnisse erzielen. Je größer die Klebfläche, desto besser die Haltbarkeit. Mit dem richtigen Basiswissen und dem dazugehörigen Klebstoff können so etliche Hunderter eingespart werden. In der Bildergalerie gehen wir die ganze Nummer nochmals Schritt für Schritt durch …

 

Adam Freydal