Nachdem wir beim Versuch unsere vergilbten Plastikteile zu retten, auf ganzer Linie scheiterten, baten wir euch um Hilfe und erhielten zahlreiche Zuschriften. Die vielversprechendsten Tipps zur Aufbereitung von Kunststoff am Motorrad haben wir getestet. Ring frei für Runde zwei!

Komm’ in die Werkstatt, haben sie gesagt. Wir machen einen tollen Technikbericht, haben sie gesagt. Der löbliche Ansatz, das durchgefärbte Plastik einer alten Yamaha aufzubereiten, alles zu dokumentieren und der Welt da draußen die perfekte Anleitung zu schreiben – er endete in einem Desaster. Versagen auf der ganzen Linie, könnte man auch sagen.

Kunststoff am Motorrad – Aufbereitung mit Hausmitteln

Dabei standen die Zeichen gut. Mittelchen gibt es ohne Ende, von allen namhaften Herstellern zu teils stolzen Preisen. Aber nichts half. Zumindest nicht bei unserem weißen, durchgefärbten ABS. Doch zum Glück sind wir nicht allein und wissen genau, dass sich unter unseren Lesern, vom Hobbyschrauber bis zum Customizer, das geballte Schrauberwissen Deutschlands vereinigt. Und so baten wir euch um Hilfe: »Schickt uns eure Ideen! Erzählt uns, mit welchen geheimen Tricks und Hausmitteln ihr bereits Erfolge feiern konntet und wir probieren sie aus«, lautete unser Aufruf.

Die Kandidaten: Von Zahnpasta über Haushaltsputzmittel bis zum Schleifpapier haben wir jeden Lesertipp ernstgenommen und das Zeug besorgt

Entsprechendes Feedback blieb nicht aus. Von der groben Kelle in Form von Schleifpapier oder Säure über Hausmittelchen und Haushaltsreiniger bis hin zu fundiert begründeten Geheimtipps, war alles dabei. Also versammelten wir uns ein weiteres Mal an der Werkbank und gingen, ohne Rücksicht auf Verluste, aufs Material los.  Die Reihenfolge der Versuche ergibt sich fast zwangsläufig, von schonend bis schändend, um nicht von vornherein mit dem gröbsten Mittel die Substanz des Kunststoffs zu zerstören.

Kunststoff am Motorrad – Aufbereitung mit Zahnpasta

Und so starteten wir mit der Whitening-Zahnpasta. Zwei Stück stehen zur Auswahl, damit es nicht am Ende an der Wahl des Herstellers scheitert. Ralf bekommt offenbar schon vom Halten der Verpackung weißere Zähne, stellt aber die Frage der Fragen: »Müssen wir die Zahnpasta eigentlich mit einer Zahnbürste auftragen?« Etwas verdutzt erwidere ich: »Keine Ahnung. Haben wir denn eine Zahnbürste?« – »Nee!« – »Warum fragst du dann?!« Kopfschüttelnd geht‘s ans Werk. Leider kann auch nach minutenlanger, punktueller Anwendung weder Colgate noch Blend-a-med dem Grauschleier unseres Kunststoffs etwas anhaben. Möglicherweise hilft wochenlanges Putzen, dreimal täglich, nach jeder Mahlzeit. Dafür fehlt uns allerdings die Geduld. Für den Werkstatteinsatz sind die Schleifpartikel und Aufheller der Zahnpasta zu zaghaft, sie fällt durch. 

Eine Stufe härter als die Zahncreme soll Scheuermilch die verfärbte Schicht runterkratzen. Wir kleben mittig ab und probieren es aus

Besser sollte es da doch mit echter Scheuermilch für Küche und Bad gehen! Eine von beiden enthält zusätzlich Aktivbleiche.  Wir kleben ein Seitenteil mittig ab und scheuern drauf los, jeder auf seiner Seite des Isolierbands. Aber mehr als ein wenig Oberflächeschmutz können wir dem Kunststoff nicht abringen.

Kunststoff am Motorrad – Aufbereitung mit Putzstein

Ich verdrehe die Augen. Geht das etwa genau so weiter wie beim letzten Mal? Bevor der Gedanke die Stimmung kippen lässt, greife ich schnell zum nächsten Duett: Putzstein und Schmutzradierschwämme. Gerade auf Letztere schwören Eltern kleiner Kinder bei nahezu jeder Verschmutzung und Oberfläche. Deshalb wurden sie uns auch für unser Japanplastik vorgeschlagen. Da unser Fotograf froh ist auf der Arbeit und nicht zuhause zu sein, weigert er sich standhaft uns die Anwendungshinweise vorzulesen. Aber das Zeug ist ja mehr oder weniger selbsterklärend. 

Überraschung: Zum allerersten Mal gibt es einen Vorher-Nachher-Effekt und die Erkenntnis, dass die Schmutzradierschwämme mehr können als der Putzstein

Dann die Überraschung: Zum allerersten Mal gibt es einen Vorher-Nachher-Effekt und die Erkenntnis, dass die Schmutzradierschwämme mehr können als der Putzstein. Zwar hätte ich wenig Lust damit ein gesamtes Motorrad zu bearbeiten, weil  mir sicherlich nach der halben Kiste der Arm abfiele, aber es macht Mut weiterzusuchen.

Kunststoff am Motorrad – Aufbereitung mit Polierpaste

Immerhin hat uns ein Leser nämlich einen Tipp gegeben, der auch für uns am sinnvollsten klingt: Acryl-Plexiglas-Polierpaste. Eigentlich entwickelt, um Kratzer auf Helmvisieren und Verkleidungsscheiben verschwinden zu lassen, kommt der Einsatzzweck dem unseren doch am nächsten. Dazu wird die Oberfläche zunächst mit möglichst feiner Körnung nass geschliffen und anschließend auspoliert. Und tatsächlich: Das Ergebnis kann sich auch bei uns sehen lassen. Zwar erfordert die Bearbeitung mit dieser Methode mehr Geduld als mit der zeitgleich getesteten Chrompolitur von Elsterglanz, dafür sieht die Oberfläche danach aus wie neu, ist nicht matt oder stumpf, sondern glänzt schön speckig.

Leserempfehlung: Acryl-Plexiglas-Polierpaste. Eigentlich soll sie Kratzer in Verkleidungsscheiben und Helmvisieren verschwinden lassen. Um den Unterschied zu normalen Polituren zu prüfen, lassen wir sie gegen Elsterglanz antreten

Der nächste Lesertipp rät uns zu Säure. Die Wahl fällt auf Zitronensäure aus der Drogerie. Die gibt es als Pulver oder flüssig. Wir entscheiden uns für die flüssige, unverdünnte Variante und ergänzen als scheuernde Komponente Salz. Ralf ist von dem Gebräu fasziniert und greift zu. Weil das Hausmittel gerne zur Reinigung heftig verkalkter Badezimmerarmaturen verwendet wird, lassen wir es gegen die nichtätzende Variante aus Omas Putzmittelsammlung antreten: Wiener Kalk. Der hat nichts mit Österreichern zu tun, sondern trägt seinen Namen, weil man damit alles mögliche wienern kann. Auch Altplastik? Ich probier’s …

Trotz engagierten Einsatzes bleibt der Erfolg aus

»HALT!« Erschrocken drehe ich mich um: »Was? Was ist los?« Mein Kollege zeigt auf die Verpackung und hebt den belehrenden Zeigefinger: »Hier steht, du sollst das mit einem Schwamm auftragen.« Mein Schock weicht Aggression. »Ralf! Hast du denn einen Schwamm dabei?« Er grinst: »Nee. Was soll denn ich mit ’nem Schwamm?« Unser Fotograf kringelt sich vor lachen, während ich mir beim Polieren des ABS Luft mache. Doch trotz engagierten Einsatzes bleibt der Erfolg diesmal aus. Im Badezimmer mögen die beiden Hausmittel Geheimtipps sein, fürs Plastik taugen sie nichts.

Von der Acrylpolitur begeistert greifen wir zu Metallpolituren und testen Ambassador EMR fein gegen Ecromal

Am Ende bleiben nur noch zwei Kandidaten übrig. Bei beiden handelt es sich um Metallpolituren, die wir auf den Fender des Vorderrads loslassen. Während Ecromal zu wenige Schleifpartikel besitzt und in der Wirkung hinter die Radierschwämme von  Meister Propper zurückfällt, überrascht uns die braune Pampe von Ambassador. Denn die »EMR fein Retro Polish« holt in kürzerer Zeit sogar mehr Material vom Kotflügel als das Nassschleifpapier und verkratzt dabei längst nicht so stark die Oberfläche.

Kunststoff am Motorrad – Die Talente der Testsieger kombinieren

Zwar ist sie nach der Behandlung relativ matt und stumpf, aber nach all dem Schrubben und Scheuern benötigen wir mit der »EMR fein« vergleichsweise wenig Energie zur Aufarbeitung der Teile. Allen Anwesenden steht die Verwunderung ins Gesicht geschrieben und dann passiert es: Plötzlich kann man den Groschen für die entscheidende Idee förmlich fallen hören. Ist es nicht möglich, die Talente der Testsieger zu kombinieren? Wir suchen uns eine unbehandelte Stelle, kleben neu ab und legen los.

Die Kombination aus Metall- und Acrylglaspolitur liefert am Ende brauchbare Ergebnisse

Fazit: Die Lösung für vergilbte Kunststoffteile: Zuerst schrubben wir mit der Metallpolitur »EMR fein« die verwitterte Schicht runter, anschließend polieren wir die matte Oberfläche mit Acrylglaspolitur von S100 aus, bis sie glänzt. Und tatsächlich, der alte Kunststoff sieht aus wie neu. Den entscheidenden Tipp für die Lösung gab Andreas Gaudeck aus Schwedt, herzlichen Dank!

Hier geht’s zum Artikel »Kunststoffaufbereitung Teil I«

 

 

 

Thomas Kryschan
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Thomas Kryschan, fährt ab seinem vierten Lebensjahr zunächst Zweitakter jeden Hubraums, bevor er für anderthalb Jahrzehnte in die vierzylindrige Streetfighterszene abtaucht. Beseelt vom Umbauvirus, identifiziert er Spender und Baujahr jedes Anbauteils. Erst beim Huber Verlag tauscht er seine Schraubenschlüssel zeitweilig gegen Schreibgerät.