Manch jungen Zweiradmechaniker mögen Vergaser an Jurassic Park erinnern. Im Gegensatz zu den Bits und Bytes moderner Einspritzanlagen sind sie aber erfreulich durchschaubar und bieten verspielten Perfektionssuchern eine geräumige Spielwiese. Am Beispiel einer Triumph Speed Triple machten wir uns mit dem guten alten Dynojet Vergaser Kit auf die Suche nach versprengten Pferden.

»Ja«, sagt Armand am Telefon, »bei deiner Triumph, da kann man was machen.« Das ist doch schon mal eine gute Nachricht. Armand Mottier, Kopf der Firma Micron ­Systems im fränkischen Fürth, ist seit mehr als 35 Jahren erfolgreich in der Verfeinerung von ­Serienware tätig. War sein Geschäft in früheren Tagen mit Rennequipment, Auspuffanlagen, Bremstechnik und jeder Menge weiterer Tuning-Accessoires eher hardwarelastig, ist es in den beiden vergangenen Dekaden mit der Zeit gegangen und immer softwarelastiger geworden, Stichwort Powercommander.

Dynojet Vergaser Kit für die Triumph Speed Triple

Wo er früher die Physik mit Düsen und Düsenadeln zu überlisten suchte, trachtet er heute danach, sie mit jeder Menge Nullen und Einsen zu übertölpeln. Kurzum: ein Abstimmungsexperte mit viel Erfahrung »Vor vielen Jahren haben wir zusammen mit Dynojet mal ein Vergaserkit für die Triumph Daytona 900 ent­wickelt. Die lief im unteren Drehzahlbereich ziemlich ­mager, bei Drehzahl dafür ziemlich fett.« Das passt, der Daytona- und der Speed-Triple-Motor sind identisch. Da sollte sich also bei meiner Stolzen in Sachen Drehmoment beim Stadtsurfen wie auch bei der Topleistung was ­machen lassen. Bei der Gelegenheit können wir uns auch gleich den Zustand der Vergaser mal anschauen. Immerhin hat die Triumph schon mehr als 25 Jahre auf dem Buckel.

»Bei der Speed Triple kann man was machen«, sagt Armand. Eine gute Nachricht

Von Euro 4 war noch keine Rede damals, doch gab es auch da natürlich schon Messzyklen für Abgas- und Geräuschentwicklung. Während die heutigen Einspritz­steuergeräte diese Zyklen automatisch erkennen und dann sinnigerweise etwas Dampf rausnehmen, musste man Vergaser noch grundsätzlich so abstimmen, dass es keinen Ärger gab: sprich mager in den Bereichen der ­Messungen bei gemäßigten Drehzahlen.

Fettes Gemisch kühlt besser als mageres

Wenn der Motor bei hohen Drehzahlen richtig gefordert wurde, fetteten die Hersteller dagegen das Gemisch – vor allem bei noch recht neu entwickelten Motoren, bei denen man noch nicht so viel Langzeiterfahrungen hatte – gern an. In ­Sachen Innenkühlung – fettes Gemisch kühlt besser als mageres – ­wollten sie verständlicherweise kein Risiko eingehen. Diese Tatsache nutzen die Dynojet-Vergaserkits seit jeher aus. In Prüfstandversuchen wurden für die allermeisten Serienmotorräder Lösungen entwickelt, die dann als Kit fürs jeweilige Motorrad angeboten wurden und auch heute noch angeboten werden.

Der Dynojet-Ver­gaserkit liefert pro Vergaser unter ­anderem eine Hauptdüse (in drei alternativen Größen), eine Düsen­nadel und das not­wendige Werkzeug

Der Kit besteht im Fall des Triumph-Dreizylinders aus drei Düsennadeln, drei mal drei Hauptdüsen unterschied­licher Bohrung, drei Unterlegscheiben, drei Miniaturschraubstöpsel aus Plastik und zwei Utensilien, die mich zunächst mal zurückschrecken lassen: Ein Standard- und ein Gewindebohrer. Löcher in meinen Vergaser bohren? Auf keinen Fall!

Im unteren Drehzahlbereich läuft der Triple viel zu fett

Vor der Demontage lassen wir die Speedy auf Armands Prüfstand brüllen, schließlich müssen wir den Istzustand kennen. Gut in Schuss, die alte Lady: 90 PS und 72 Newtonmeter am Hinterrad meldet der Dynojet-Prüfstand, darauf sind rund zehn Prozent Verlustleistung bis zur Kupplung draufzuschlagen. Doch neben der Performance interessiert uns auch die Gemischbildung, die der Prüfstand über ­eine im Auspuff platzierte Lambdasonde ebenso auf ­Papier zeichnen kann wie die Leistungskurven.

Der ­Arbeitsaufwand zum ­Heraus­operieren der Vergaser­batterie ist nicht zu unterschätzen. Hier kann der Selber­macher Geld sparen

Das Ergebnis gibt Armand Recht. Im unteren Drehzahlbereich läuft der Dreizylinder bis rund 6000/min viel zu fett, dann bewegt sich das Gemisch nahe dem aus Leistungssicht optimalen Bereich um 13 Teile Luft zu einem Teil Sprit, um sich ab 8000/min wieder in den fetten Bereich zu verabschieden. Mal sehen, was Dynojet daraus macht. Als wir die Vergaserbatterie herausoperiert haben (schöne Grüße an den verflixten Chokezug), öffnen wir die Schwimmerkammern und werfen einen ersten Blick ins Innenleben der Keihins, die keinerlei Überholungs­bedarf zeigen.

Geschmeidige Übergänge beim Gasgeben

Gleichdruckvergaser nennt sich dieser Vergaser­typ. Bei ihm werden die Schieber, die die ­Ansaugwege freigeben, nicht über den Gaszug zwangs­gesteuert, die Gashand bewegt lediglich die Drossel­klappen. Der bei deren Öffnung im Ansaugtrakt ent­stehende Unterdruck überträgt sich durch eine Bohrung im Schieber auf die Unterdruckkammer über dem Gaschieber. Gegen Feder­druck wird der Schieber über die Schiebermembrane nach oben gezogen und öffnet den Ansaugquerschnitt.

Der Gleichdruckvergaser

Dadurch werden die Übergänge beim Gasgeben geschmeidiger, denn beim plötzlichen Auf­reißen der Drossel­klappen würde der Unterdruck im ­Ansaugtrakt sonst schlagartig zusammenbrechen. Die Dosierung der Spritzufuhr regelt die Düsennadel, die sich im Düsenstock auf und ab schiebt und so den Querschnitt reguliert. Ihre Form und ihr Höhenniveau im Schieber – das dank Einkerbungen in der Nadel variierbar ist – hat somit entscheidenden Einfluss auf die Gemischbildung bei Teillast.

Kleine Durchlassbohrung für das Dynojet Vergaser Kit

Bei Volllast spielt hingegen die Hauptdüse die Hauptrolle. Steht die Tür nämlich erst mal auf Durchzug, begrenzt deren Durchmesser die maximal mögliche Spritzufuhr. Für den montierten Serienauspuff empfiehlt Dynojet die 124er-Hauptdüsen, die Düsen­nadeln hängen wir entsprechend der Empfehlung auf die zweite Kerbe von oben. Im nächsten Schritt kommt das Bohrwerkzeug ins Spiel, das am Schieber angesetzt werden soll. Armand versucht mir die Angst zu nehmen: »Wir bohren lediglich die einzelne Durchlassbohrung am Schieber etwas weiter auf, der Gewindebohrer kommt gar nicht zum Einsatz.«

Unter der Schwimmerkammer findet sich der Schwimmer, in der Bohrung sitzt im Betrieb die Hauptdüse

Er wird gebraucht, wenn die Bohrung – manchmal sind es auch zwei Stück – im Schieber in Serie einen größeren Durchmesser hat als der Bohrer. Dann werden die Öffnungen mit Gewinden versehen, die dem Set beiliegenden Plastikstöpsel eingedreht und aufs Sollmaß aufgebohrt. Bin ich jetzt beruhigt? Nicht wirklich, aber wir tun das ja im Dienste einer guten Sache. Die Größe der Bohrung im Schieber bestimmt die Schnelligkeit, mit der sich der Unterdruck auf die Schiebermembrane auswirkt.

K&N-Luftfilter als neue Einlasspforte für die Frischluft

Je größer, umso schneller rea­giert der Motor auf Gasbefehle. Ist die Bohrung zu groß, bricht allerdings der Druck nach dem ersten Ansprechen wieder zusammen, der Schieber fällt wieder runter. Ab einer bestimmten Größe sollten außerdem auch stärkere Federn verwendet werden, sonst läuft der Schieber Gefahr zu oszillieren. Weshalb die Bohrung ab Werk meist zu klein gewählt wurde? »Das hat mit der Geräuschmessung zu tun«, sagt Armand. »Reagiert der Schieber langsam, sind die paar Meter ­Strecke, auf denen gemessen wird, meist schon wieder vorbei.« Also bohren, Augen zu und durch.

Es half nichts, auch grobes Gerät kam bei der Optimierung zum Einsatz …

Als Schieber und Düsen eingesetzt sind, kontrolliert Armand noch die Gemischschrauben, an die man – wenn auch schlecht – auch bei eingebauter Vergaserbatterie noch herankäme. 2,5 Umdrehungen offen ist die empfohlene Grundeinstellung, der Rest wird, falls nötig, später über den Leerlaufanschlag einjustiert. Als neue Einlasspforte für die Frischluft packen wir einen K&N-Luftfilter ins Filtergehäuse, der das Serienteil ersetzt. Er bietet einen besseren Luftdurchsatz und kann außerdem ausgewaschen und ­wiederverwendet werden.

Das Dynojet Vergaser Kit bringt knapp sechs Prozent mehr Leistung

Prüfstandslauf, die zweite. Alles ist wieder montiert, die Spannung groß. Das Ergebnis? Bestechend, wie die Kurven belegen: nennenswerter Leistungs- und Dreh­momentzuwachs bis über 5000/min und wieder ab 7500/min, die Topwerte zeigen sich um 4,5 (Drehmoment) und knapp sechs Prozent (Leistung) gesteigert. Es ist ­Winter, und ich treibe meine Speedy ungern durchs Salz. Der Bereich bis 5000/min aber hat, so viel habe ich auf den paar Metern ums Haus schon gemerkt, an spontanem Pep spürbar gewonnen: Der Triple spricht direkter an, zeigt mehr Dynamik. Schon allein das war’s wert.

… die Ausgleichsbohrung fürs Vakuum im Vergaser­schieber musste auf­gebohrt werden

Apropos Wert: Ein Dynojet-Vergaserkit kostet bei Micron Systems grob gerechnet zwischen 100 und 200 Euro – je nach Zylinderzahl. Prüfstandsläufe schlagen mit 69 Euro zu ­Buche, Folgemessungen kosten etwa die Hälfte. »Mehr als 200 Euro kommen da eigentlich nie zusammen«, sagt Armand. Wer also die Demontage und Montage seiner Vergaser selbst erledigen kann, muss dann lediglich noch einen K&N-Filtereinsatz draufrechnen. Und unsere Maßnahmen waren erst die so genannte Stage 1 der Dynojet-Vergaserkur. Stage 2 bringt ein modifiziertes Luftfiltergehäuse, Stage 3 schließlich Einzelfilter – und entsprechend mehr Output. Da könnte meiner Speedy in Zukunft noch einiges blühen …

Info | micronsystems.de

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben