Heute testet Frau Reuter das Rundumpaket für Grimeco und Brembo-Bremsen sowie einen Salzsee-Film, den jeder gesehen haben sollte.

Es ist allerhöchste Zeit, das Leben mal wieder komplett zu ändern. Das bedeutet für mich: Alles, was an dem Haufen von Electra-Glide dran ist, abzuschrauben und dann mit möglichst wenig Anbauteilen erfrischt in den Frühling zu knattern. Ich war es einfach leid, mit so einer Schrankwand rumzueiern. Man nennt sowas wohl den zweiten oder dritten Frühling. Andere nehmen sich eine goldbezahnte Sekretärin, ich baue um. 

Skandal: Frau Reuter hat seine Bremsen vernachlässigt

Und jetzt stehe ich vor dem skelettierten Rest und sehe die Bremsen und stelle fest, dass ich die wirklich sträflich vernachlässigt habe. Nun bin ich fast sechs Jahre mit diesen Bremsen rumgefahren, ohne mich zu kümmern. Sechs Jahre mit damals aus Armutsgründen gewählten Brembo-Zangen. Denn die sind gut und günstig, anders kann man es nicht sagen. Und als ich hier so saß und die kleinen, treuen Zangen abschraubte und die neue Beläge draufpackte, hab ich mich doch gefreut, dass es so was Schlichtes und Funktionales überhaupt gibt. Das darf ich meinen Lesern nicht vorenthalten, dachte ich mir so. Damals habe ich aus Zehn-Millimeter-Baustahl selbst zurecht gedengelte Bremsankerplatten verbaut, die man sich nicht wirklich gerne anschaut. Das soll sich nun ändern.

Frau Reuters Bremszangen kommen vorn von Grimeca, hinten von Brembo, wobei die Grimeca baugleich mit der Brembo P“ F08 ist. Bis hierhin verstanden? Gut! Ein ordentliches Repertoire an weiteren Must-haves hält der Katalog von Stein-Dinse parat

Aber bleiben wir sachlich: Vorn habe ich eine schön kleine Grimeca-Bremszange drin, die baugleich mit der Brembo P2 F08 N ist. Diese Zange kostet heute knapp 200 Euro, ist einfach zu montieren, kinderleicht zu warten und hält ewig. Ich hatte mir schon vor einiger Zeit bei Stephan Schneiderbanger von SSCycles eine anständige Bremsankerplatte bestellt, die nun auch endlich eingebaut wird. Die SSC-Platte ist sauber ausgeschnitten und sehr schlank – ein kleiner Traum. Für die Hinterradzange, die bisher eine ebenso zuverlässige, aber kräftigere P2 F05 ist, habe ich mir was Neues ausgedacht. Weil nämlich demnächst ein 15-Zoll-Hinterrad rein soll und ich entsprechend wenig Platz im Rad habe.

Richtig tolle, zuverlässige Bremse für kleines Geld

Darum verwende ich nun eine P2 I08 N/1, die baut viel flacher und schmiegt sich schön an meine neue, gelochte 10“-Stahlscheibe. Diese tolle Zange kostet 209 Euro. Kürzlich bin ich bei Ebay auf den Vorläufer dieser Zange gestoßen, ein Pendant von Grimeca. Mit der Custom-Bremsankerplatte hab ich stolze 50 Euro dafür bezahlt. Das war es mir aber wert, denn nun kann ich diese Zange für etwa 40 Euro wieder fit machen, den alten Schwuchtelanker sauber nachzeichnen und von meinem Metallfritzen um die Ecke mit dem Laser ausschneiden lassen. Und ZACK! hab ich hinten eine richtig tolle, zuverlässige Bremse für kleines Geld.

Die passende Ankerplatte für Reuters vordere Grimeca gibt’s bei Stephan »Steve« Schneiderbangers SSCycles

Ausschlaggebend für meine Brembomanie war jedoch nicht nur ewiger Geldmangel, sondern auch Faulheit. Denn wenn man sich mal für Brembo entschieden hat, muss man nur noch den Katalog von Stein-Dinse bemühen – da gibt es ALLES an Anschlüssen, Belägen, Dichtsätzen und was man sonst noch so braucht. Eigentlich beliefert Stein-Dinse eher die Guzzi- und Ducati-Fraktion, aber wie ihr seht, kann auch so ein Harley-Lackaffe wie ich wunderbar mit diesen Teilen leben. Auch mein seit zwanzig Jahren verbauter Dell’Orto PHM 40 ist ursprünglich von Stein-Dinse. Der Katalog ist wirklich Gold wert. Unsereins interessieren darin vielleicht nur zehn Seiten, die aber haben es in sich! Und da selbst die neuen Triumph Bobber mit Brembo-Zangen (zumindest vorn) ausgestattet sind, kann meine Entscheidung nicht so schlecht gewesen sein.

Nehmt KEINE Edelstahlschrauben für eure Bremsen

Ganz nebenbei: So eine Zange ist wirklich in drei Minuten komplett zerlegt, und wenn man so klug war, die Kolben mit einem Schuss Druckluft in den Bremsleitungsanschluss aus dem Gehäuse zu drücken, hat man alles richtig gemacht. Dabei bitte Schutzbrille tragen! Ein Dichtsatz für all diese Zangen kostet rund 20 Euro, neue Beläge 35 Euro, neue Bremskolben rund 25 Euro – das sind Preise, die einfach nur glücklich machen. Meine Stahlscheiben kaufe ich bei W&W, da kosten die gelochten Zehn-Zöller unter 50 Euro. Wenn ich bremsleitungsmäßig was Anständiges brauche, wende ich mich an Probrake, die liefern mir die Leitungen fertig ins Haus. Seht euch mal deren Konfigurator im Netz an! Die Länge der Leitungen muss ich natürlich selbst ausmessen.

Zerlegt: So übersichtlich präsentiert sich die Bremszange in ihren Einzelteilen, das Zerlegen dauert nur wenige Minuten

Die Anschlüsse dafür gibts natürlich auch im Stein-Dinse Katalog. Und ganz wichtig: Nehmt KEINE Edelstahlschrauben für eure Bremsen, die sind zu weich. IMMER Stahlschrauben mit ausreichender Festigkeit verwenden! Auch für die Bremsscheibenbefestigung! Finger weg vom Edelstahl! Zum Thema Bremsflüssigkeit halte ich gepflegt die Schnauze, das ist wie ein Religionskrieg. Ich nehme stets DOT5, das ist auf Silikonbasis und wird von anderen »Fachleuten« gemieden wie Hundekacke, ich fahre mit DOT 5 wunderbar. Darf aber nicht mit anderen Brems-Suppen gemischt werden! Bei den Belägen ist es ebenso wunderlich.

Frau Reuter bremst prinzipiell mit Stahlgussscheiben

Ich fahre Carbon/Keramik-Beläge und werde nie was anderes nehmen. Viele Leute empfehlen Sinterbelege, die sollen besser bremsen, aber auch gern mal die Scheiben anfressen. Sinterbeläge sind eigentlich für Edelstahlscheiben, ich fahre aber prinzipiell Stahlguss. Die rosten so schön, wenn man mal im Regen parkt. Im Katalog gibt es übrigens auch Handpumpen und Fußbremspumpen – hab ich auch beides verbaut. Welche Pumpe zu welcher Zange am besten passt, erfragt ihr am besten telefonisch bei Stein-Dinse. Da sitzen kluge Herren, die gern weiterhelfen. Die Handpumpen müssen auf ein Zoll aufgebohrt werden, falls man Harley fährt. Das kann die Fachwerkstatt um die Ecke machen.

Neben »Easy Rider« vielleicht einer der besten Motorradfilme, die es gibt: »The Worlds fastest Indian« oder in Deutsch »Mit Herz und Hand« erzählt die wahre Geschichte von Salzsee-Weltrekordler Burt Munro

Insgesamt kann ich euch versichern, dass mir diese Bremsenbastelei genauso viel Spaß gemacht hat wie meine LEGO-Konstruktionen vor fünfzig Jahren. Darum bin ich wohl auch leicht euphorisiert. Und weil ich es endlich mal wieder geschafft habe, meinen DVD-Player anzuwerfen und mit einem bald 20 Jahre alten Streifen zu füttern. Vor lauter Streaming hat man ja fast vergessen, dass es sowas noch gibt.

Wer diesen Streifen noch immer nicht gesehen hat, sollte es jetzt tun

Deshalb an dieser Stelle einen nicht ganz frischen, aber absolut wichtigen Kulturtipp: »Mit Herz und Hand« ist der absolut beschissene deutsche Titel (im Original: The Worlds fastest Indian) für einen wirklich schönen, kurzweiligen Film mit Anthony Hopkins als altem Haudegen, der seine uralte Indian Scout in Bonneville über den Salzsee jagen will. Der Film lehnt sich an eine wahre Begebenheit an, was die Sache noch kuscheliger macht. Die DVD gibts im Netz für 7,50 Euro und lässt sich gut und gerne dreimal anschauen. Streamen geht natürlich auch, aber cineastische Perlen wie diese habe ich gerne auf DVD im Schrank stehen.

So, Kinder, mein Reparatursatz für die hintere Zange ist da, ich will jetzt wieder spielen gehen. Die Hopfenkaltschale steht schon warm. Das wird ein Tag wie ein Steppenfick in einer lauschigen Vollmondnacht!

Es grüsst – euer Martin

 

Frau Reuter
Frau Reuter bei CUSTOMBIKE

Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.