Heute erfahrt ihr von Frau Reuter, warum man immer einen Satz Stößelstangen dabei haben sollte und er/sie testet eine digitale Schieblehre, eine Art Fräsfeile und natürlich mal wieder Schweißerequipment. Hat ja sonst keine Hobbys, der feine Dame.

Es gibt Dinge, die man schon immer still auf dem Wunschzettel hatte, das Begehren – danach aber nie groß genug war, um wirklich zuzuschlagen. So geht es mir seit etwa dreißig Jahren mit der Gewindefeile. Geweckt wurde das unterschwellige Verlangen nach dem Besitz einer solchen von Carl Hertweck, der die Gewindefeile in seinem sensationellen Buch »Besser Machen« erwähnt. Und es sind nicht mal die Vorzüge des Werkzeugs an sich, sondern die Beschreibung des Instrumentes, die mich damals nicht nur laut auflachen ließ – immerhin ist das Standardwerk für Motorradschrauber, schon über sechzig Jahre alt. Damals hatten Mopedfahrer auch schon ein loses Mundwerk und waren herrlich »political incorrect«, wie das Zitat beweist: »… natürlich ist ein nachgefeiltes Gewinde kein ehrliches Schlosserhandwerk, es ist eine klare Räubermethode, aber man kann sich damit den Umständen angemessen soliderweise helfen.

»Eine Stunde und wir hatten den Glauben an das Gute wiedergewonnen«

Bei Belzer gibt es für solche Fälle eine besonders raffinierte Sache, eine Art Fräsfeile … auf acht Seiten acht verschiedene Zahnteilungen, entsprechend den verschiedenen Gewindesteigungen unterschiedlich starker Schrauben – damit kann auch ein Waldindianer ein beschädigtes Gewinde nachfeilen, ein Jugoslawe würde beim Besitz dieser Fräserfeile vielleicht eine Schraubenfabrik aufmachen.«

Die Gewindefeile ist – besonders bei großen Gewinden – ein erstklassiger Retter in der Not und sollte in keinem Werkzeugkasten fehlen

Natürlich, und das erwähnt auch Hertweck, kommt man um den Besitz eines Gewindeschneidsatzes langfristig nicht herum. Dennoch ist die Gewindefeile – besonders bei großen Gewinden – ein erstklassiger Retter in der Not. Die hier abgebildete Feile ist von Promat und deckt alle metrischen Steigungen von 0,8 bis 3,0 ab, dickere Gewinde werden wir am Motorrad kaum finden. An den Enden finden sich zwei Zapfen, um Muttern zu reparieren. Dies ist allerdings erst ab M10 möglich, funktioniert aber wirklich einwandfrei. Wenn ihr euch am Ende der Welt befindet, wird sich kaum ein Gewindeschneidsatz in eurem Werkzeugbeutel finden. Die handliche Gewindefeile kann euch jedoch den Arsch retten.

»Wir rauchten und spekulierten, was nun zu tun sei«

Mir ist klar, dass die Anzahl derer, die am Straßenrand schrauben, täglich sinkt. Die gesetzteren Herren fahren mit ADAC-Clubkarte und Mastercard zum Nordkap. Aber gerade die jungen Bengels unter uns tun es noch, das weiß ich sicher. Da wird noch gebastelt und probiert und in der Umhängetasche ist nicht selten neben der Bierflasche auch ein Haufen Werkzeug und Draht und Strapse und Zündkerzen und was man noch so braucht, um als Jungschrauber dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, waren das immer die spektakulärsten Momente, die sich unlöschbar ins Motorradfahrergehirn eingebrannt haben. Die Krönung – ich kann es mir nicht verkneifen, das hier zu erzählen – war ein Bekannter von mir, der südlich des Polarkreises wegen einer kaputten Stößelstange liegengeblieben ist. Wir rauchten und spekulierten, was nun zu tun sei. Und es kamen ein paar Harleyfahrer daher, die hielten an und fragten, ob man uns helfen könne.

Fester Platz für Schweißgeraffel: Knappe 65 Euro investieren und alles sicher verstaut haben, da kann keiner meckern

Und Werner, der Pechvogel, fragte, ob sie denn vielleicht eine Stößelstange für seinen Motor dabei hätten. Die Antwort war ein resolutes »JA«, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, mit Stößelstangen in den Taschen rumzufahren. Und so verbrachten wir eine unterhaltsame Stunde am Straßenrand der E45 zwischen Avaviken und Akkavare und hatten den Glauben an das Gute in dieser Welt wiedergewonnen. Werner hat jetzt IMMER einen Satz Stößelstangen dabei. Gar nicht mal für sich selber, sondern falls mal einer danach fragt. Diese Geschichte ist WAHR. Man möge mir bitte diesen romantischen Schlenker verzeihen, schlussendlich finde ich die Gewindefeile nun, da ich im Besitz einer solchen bin, schlicht genial und sie reiht sich ein in die Riege der altbewährten Werkzeuge, die man in dieser hochtechnisierten Welt gerne mal aus dem Auge verliert. So eine Feile kostet um die 35 Euro. Natürlich gibt es sowas auch in zöllig, der Preis ist der gleiche. Und das Buch von Hertweck lege ich euch jetzt bestimmt schon zum vierten Mal ans Herz. Als Lesezeichen eignet sich ganz ausgezeichnet eure ADAC-Clubkarte. 

Reuters neuer Schweißtisch

Nun muss ich euch noch meinen neuen Schweißtisch vorstellen. Ganz zufällig habe ich ihn im Internet gefunden. Eigentlich wollte ich einen Schweißtisch selber bauen. Doch allein das veranschlagte Material wäre teurer gewesen als dieser fertige Tisch, bei dem sich sogar die Tischplatte neigen lässt, der an einer Seite Rollen hat, um ihn von A nach B zu rollen, und der sogar Schlitze in der Platte hat, damit man Schraubzwingen zum Halten des Schweißgutes durchstecken kann.

Lohnt sich nicht, das selbst zu bauen. Martins neuer Schweißtisch kostete im Netz keine achtzig Euro und bietet ein paar nette Gimmicks

Ich bin völlig von den Socken. Zwei Randwinkel lassen sich als Anschlag oder zum Festklemmen verwenden, man kann aber auch zwei Schutzbleche gegen Funkenflug daran festschrauben. Der Tisch ist von Weldinger und kostet zwischen 70 und 90 Euro. Bei hausundwerkstatt24.de gibt’s eine gute Beschreibung zum Tisch, da kostet er rund 74 Euro. Der Tisch hat sich schon nach einer Woche bezahlt gemacht. Nur kurze Zeit später habe ich Herrn Weldinger noch den Schweißerwagen ECO abgekauft. Der Preis von knapp 65 Euro ist ein »no brainer« – dafür kann man ihn kaum selber machen. Hier ist auch eine Aufnahme für die Schutzgasflasche vorhanden. Nun hab ich endlich einen festen Platz für das ganze Schweißgeraffel! Beide Produkte sind kompromisslos durchdacht und wirklich absolut empfehlenswert, wenn man das Schweißen als meditativen Selbstfindungsweg gewählt hat!

Gute, alte Schieblehre

Wer hat eigentlich KEINE Schieblehre? Ich habe derer sechs, in allen möglichen Längen. Die kleinste misst bis maximal acht Zentimeter und ist aus Messing, das ist eigentlich keine Schieblehre, sondern nennt sich »Knopfmaß«. Damit misst der Schneider nämlich den Durchmesser von Knöpfen. Meine größte Schieblehre, die offiziell übrigens Messschieber heißt, misst bis zu vierzig Zentimeter, die brauche ich aber nur ein oder zwei Mal im Jahr. Die Standardlänge von etwa zwanzig Zentimetern ist jedoch dauerhaft im Einsatz. 

Satte zwanzig Zentimeter, da freut sich jeder Kerl drüber, und für Maulwürfe wie uns alten Säcke gibt’s die Schieblehre mittlerweile auch mit digitaler Anzeige

Nun kann ich nicht verheimlichen, dass ich mittlerweile so alt bin wie Methusalem und meine Augen etwa so scharf sehen wie die eines Maulwurfes, dem man ein Pfund Griebenschmalz ins Gesicht gedrückt hat. Ohne Brille geht rein gar nichts mehr. Und glaubt mir, ihr kleinen und teils noch frischen Hasen, das Schrauben wird mit Lesebrille nicht einfacher. Und die Skala einer Schieblehre gehört zu den Dingen, bei denen man selbst als 15-jähriger gelegentlich die Augen zusammenkneifen muss, um sie richtig abzulesen. Und nun kommt ein Schuss Modernität ins Spiel, denn ich habe mir eine Schieblehre mit Digitalanzeige gegönnt.

Beim metrischen Messen ist eine digitale Schieblehre fantastisch

Was für ein Fortschritt! Das Abmessen von Bauteilen wird zum Kinderspiel! Wie konnte ich dieses wunderbare Messwerkzeug nur jahrelang ignorieren? Beim metrischen Messen ist eine digitale Schieblehre fantastisch – im zölligen Bereich wird es dann eher ernüchternd. Als Zollschrauber- hat man sich zwar an diverse Bruchzahl-Maße gewöhnt und sie sogar verinnerlicht, aber das, was die Schieblehre anzeigt, wenn man auf Inch umschaltet, sind ja keine Bruchzahlen, sondern ganz normale numerische Maße, also Dezi-malzahlen. Kein Problem, wenn man als Vorlage eine Ansage wie 0,75“ hat – aber bei 3/4“ muss ich erst mal den Taschenrechner rausholen, um auf eben diese 0,75“ zu kommen, die es zu messen oder zu kontrollieren gilt. Nichtsdestotrotz: In unserer metrischen Welt halte ich die digitale Schieblehre für einen ganz großen Schritt nach vorne, etwa so wie der erste Schritt auf dem Mond, der keinen wirklich weiter gebracht hat, oder die Erfindung des Fischstäbchens, die ganze Kinderscharen in Verzückung gebracht hat und somit der Mondbesteigung vorzuziehen ist. Was ich aber eigentlich sagen will ist: -Tolles Teil. Und gar nicht mal so teuer. Die hier abgebildete Version gibt es schon für rund fünfzehn Euro bei Bauhaus. Mein Freund Klaus hat genau diesen Messschieber seit über zehn Jahren im täglichen Einsatz. Die Batterie ist immer noch die originale! Wer es qualitativ hochwertiger wünscht, der nimmt gleich ein Profigerät von Mitutoyo, die gibt es von 35 Euro bis rund 100 Euro, sowas hat man dann ein Leben lang, wenn man die Quittung aufbewahrt.

Analog oder digital: Die gute alte Schieblehre gibt es in vielen Varianten

Wer noch ein scharfes Auge hat, kann getrost bei der alten, analogen Schieblehre bleiben. Wer aber, so wie ich, bereits der Mehlaugenfraktion angehört, sollte seine Lebensqualität mit einer Digitalanzeige ver-bessern. Wer jedoch Zollmaße in Brüchen direkt ablesen will, kommt um den alten analogen Messschieber nicht herum, denn die zweite, obere Skalierung der meisten konventionellen Messschieber ist bereits in Halb-, Viertel- Achtel- und sogar 16tel-Schritte aufgeteilt und somit kinderleicht abzulesen. Stellt sich mir die Frage, warum es keinen Messschieber gibt, der auch Bruchzahlen anzeigen kann. Sowas ist doch sicher einfacher herzustellen als ’ne bekackte Mondrakete.

Nun bleibt mir nur noch, euch einen wunderbaren Start in den Herbst zu wünschen. Trinkt viel, esst viel, nehmt die Lieben in den Arm. Auch wenn das nicht mehr gesetzeskonform ist. 

Das Betreten des Mondes war es übrigens auch nicht. Man muss doch vorher wenigstens mal klingeln, ob einer da ist …

Es grüßt euer Käptn Reuter

 

 

Frau Reuter
Frau Reuter bei CUSTOMBIKE

Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.