Basteln in Zeiten der Cholera: Frau Reuter testet Mittel zur Restauration eines Motors – in diesem Fall allerdings kein Motorradtriebwerk …

So langsam wird die Luft dünn. Der unfreiwillige, seuchenbedingte Urlaub geht auf die Nüsse. Alle Fahrzeuge laufen, alles ist repariert. Der Gartenzaun zum Doktor nebenan steht. Der Unterstand vom Rasenmäher ist fertig. Wohin mit meiner unbändigen Energie? Zum Glück gibt es noch Frau Kleinfeld, wo Hippie immer Rasen mäht und Hecke schneidet. Ich hatte ihm aufgetragen, mal nachzufragen, ob die Olle noch ’ne alte Mofa oder sowas von ihrem Sohn im Schuppen liegen hat. Könnte man ihr ja abschwatzen. Und schau an, Hippie war zum Teil erfolgreich.

Martins schöner Basteltisch: Steht auf Rollen und lässt sich hervorragend in die Sonne schieben – samt Wabeco-Klemmschraubstock

Ja, sie hätte noch einen alten Bootsmotor rumliegen und ihr Sohn, den sie natürlich gleich angerufen hat, meinte, den könne ich ruhig haben, der liefe sowieso nicht. Also bin ich mit Hippie dahin, ’ne ordentliche Sackkarre dabei, mal sehen, ob wir den Schlorren aus dem Schuppen geastet kriegen. Aber erstmal mussten wir Kuchen essen. Und Kaffee trinken. Und dann gabs einen Obstler vom Bodensee, wo der Sohn jetzt wohnt. Und noch einen, weil die Schwiegertochter da auch wohnt. Und dann sind wir in den Schuppen. In der hintersten Ecke stand tatsächlich etwas, was einem sehr großen Pürierstab nicht unähnlich war – der Außenborder. Okay, dachte ich mir, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Hauptsache, ich hab was zum Spielen.

Restauration eines Motors: Heisse Luft und Handschlagschrauber

Bei einem Gewicht von zwölfeinhalb Kilo hätten wir uns die Sackkarre sparen können. Wir haben dann noch einen Obstler für den Rückweg eingenommen und sind heimwärts getrottet. Hippie mit der Sackkarre im Schlepptau und ich mit dem Motörchen auf der Schulter. Ich hab dann abends ein wenig im Netz recherchiert und war schließlich ganz glücklich, denn es handelt sich hier um einen vierzig Jahre alten Britisch Seagull Featherlight, einen sehr einfachen, aber zuverlässigen Außenborder, der in ähnlicher Form sogar von der Britischen Armee eingesetzt wurde. Keinerlei Abdeckung, schöner Messingtank, gestartet wird mit Reißleine an der Schwungscheibe – toll. Die Langeweile hat ein Ende. Und nun darf ich endlich mal wieder von ganz vorn anfangen, denn erstens sind alle Bolzen und Muttern natürlich nicht metrisch, sondern Whitworth-zöllig, also so richtig Scheiße. Zudem hat das Salzwasser allen Schraubverbindungen ordentlich zugesetzt. Aber der Pioniergeist in mir war geweckt. Das muss alles zerlegt werden – ohne irgend-was kaputt zu machen. Zwar gibt es in England noch Ersatzteile, aber der Service ist schleppend. Und nicht mal mein Freund Schoppe hat so ausgefallene Brit-Bolzen im Regal liegen.

Heißluftpistole und Handschlagschrauber: Beide Werkzeuge wurden an dieser Stelle schon einmal vorgestellt, denn sie begleiten Martin schon sein halbes Schrauberleben

Und so taste ich mich in aller Ruhe heran. Und ich habe Erfolg, denn bis heute ist mir kein Bolzen kaputt gegangen. Und ich musste kein Schräubchen ersetzen. Zu verdanken habe ich das vor allem dem Vorhandensein von Zeit und Geduld und meiner Heißluftpistole von Steinel, die ich vor Jahren schon mal an dieser Stelle vorgestellt habe. Mit ihr habe ich die vorher mit WD 40 eingejauchten Schraubverbindungen beziehungsweise die Aluteile, in denen die Bolzen steckten, erbarmungslos aufgeheizt.

Was sich dann nicht mit gefühlvoll eingesetzter Kraft lösen ließ, schaffte mein mittlerweile heißgeliebter Koken-Handschlagschrauber. Für solche Arbeiten ist der ideal. Auch ihn hatte ich vor zehn oder fünfzehn Jahren hier im Heft vorgestellt. Heute hat er sich endgültig bezahlt gemacht. Man braucht sicher nicht das sechzig Dollar teure Original, es reicht meist auch ein Fünfzehn-Euro-Pendant aus dem Baumarkt. Ich habe mir noch einen 1/2-Zoll- auf 3/8-Zoll-Adapter besorgt, dann kann ich die schlankeren 3/8-Zoll-Nüsse verwenden, um Muttern zu lösen. Und in eine 5/16-Zoll-Nuss passen ganz hervorragend sämtliche eventuell benötigten Schraub-Bits. Die sollten dann allerdings Schlagschraubertauglich sein. Mit einem Mix aus amerikanischen Zoll-Schlüsseln und deutschem DIN-Werkzeug habe ich die bekackten, britischen Muttern und Schrauben alle anpacken können – ein Wunder.

Restauration eines Motors: Mit Säure gegen Rost

Am Ende ließ sich feststellen, dass der Kolbenbolzen gefressen hatte. Den wiederum hab ich in England bestellt, kostet dreizehn Euro. Und während ich auf den warte, mache ich mich daran, alle verrosteten Teile zu entrosten. Das knüpft nun prima an die letzte Ausgabe unseres Magazins an, wo ich ja diesen schleimigen Entroster aus dem Supermarkt vorgestellt habe. Ich hab mir – ebenfalls im Supermarkt – zwei Sorten Zitronensäure gekauft. Einmal flüssig und einmal in Pulverform. Den ersten Satz Schrauben (inklusive Zündkerze) hab ich einfach in unseren kleinsten Edelstahlkochtopf gepackt, 100 ml Flüssigsäure reingekippt, mit der doppelten Menge Wasser verdünnt und eine Stunde auf dem Herd leicht köcheln lassen. Also etwa bei 90 Grad oder so. Fazit: erstklassig, kein Rost mehr, alles ist schön. Zitronensäure ist Gott. Punkt.

Gut und günstig: Zitronensäure gibt es im Supermarkt in flüssiger und pulveriger Form. Beides funktioniert bei richtiger Anwendung prima gegen Rostprobleme

Zum Pulver kann ich euch mitteilen, dass man die 350 Gramm (kosten etwa drei Euro) mit etwa 1,5 Liter Wasser vermischt und ebenfalls aufköchelt. Da passen reichlich Rostteile rein. Der Rost verschwindet spurlos. Die entrosteten Teile wird man nach der Prozedur mit einer Stahl- oder Messingbürste abputzen und ölen, fertig. Übrigens ist es von Vorteil, wenn man alle Teile vor dem Entrosten mit Bremsenreiniger entfettet, dann kann die Zitronensäure viel besser angreifen und wirkt deutlich schneller. Auch Messing- Kupfer- und Bronzebauteile lassen sich sehr schön mit der Säure reinigen. Nur Aluminium sollte man nicht damit malträtieren. Es wird stark angefressen und pechschwarz.

Ein Klassiker und Dichtungen

Einen Großteil des Motors konnte ich so schon nach zwei Tagen wieder komplett montieren. Hilfreich bei Demontage und Montage war mein zweitbester Freund – das WD40, das es nun mit verstellbarer Düse gibt: Bei hochgeklapptem Sprührohr wird im Strahl gespritzt, bei runtergeklapptem Rohr wird eingenebelt. Mit diesem Sprühkopf kann man jetzt auch über Kopf sprühen. Diese sieben Euro hab ich gerne ausgegeben.

Ach, beim unteren Teil des Motors, dem Propellergetriebe, fehlten mir am Ende zwei Dichtungen. Die hab ich natürlich beim Zerlegen zerstört. Mangels Ersatzteilliste hab ich beschlossen, die selbst zu basteln. Dafür hab ich bei Louis ein Dichtungsset von Elring gekauft, das wohl für den Rest meines Lebens langen wird. Für rund dreißig Euro finden sich hier sechs Bögen mit unterschiedlicher Stärke. Mit etwas Grips, einem scharfen Cuttermesser, einer Schere und einigen Locheisen kann man auf dieser Basis eine Dichtungsfabrikation aufbauen. Ich kann mit dem Set noch weitere zehn Außenborder abdichten. Das Dichtungsmaterial ist von ausgezeichneter Qualität und lässt sich hervorragend verarbeiten, scharfe Werkzeuge vorrausgestzt. Damit ich schön flexibel basteln kann, hab ich mir extra ein altes, selbstgebautes Rolltischchen umgerüstet. Das kann ich zum Feierabend schön in die letzte Ecke schieben oder damit sogar raus in die Sonne gehen und an der frischen Luft arbeiten. Und darauf lassen sich natürlich auch prima Motorradmotoren bearbeiten.

Die Allzweckwaffe in der Garage: WD40. Zusätzlich das Dichtungsset von Elring. Bekommt ihr für dreißig Euro bei Louis und hält verdammt lang

An diesem Tisch habe ich endlich auch den alten Wabeco-Klemmschraubstock anschnallen können, den ich aus dem Nachlass eines Nachbarn bekommen habe. Wabeco baut tolle, sehr leichte und dennoch stabile Schraubstöcke aus irgendeinem Spezial-Aluminium-Guss. Natürlich gibt’s die auch aus Stahl. Bei eBay kann man so etwas aus alten Bundeswehrbeständen kaufen, kostet meist nur um die fünfundzwanzig bis dreißig Euro. Eine ganz klare Empfehlung von mir.

Der kleine Ausritt in die Welt der maritimen Motorisierung hat sich gelohnt

Erstens kann ich damit offensichtlich zwei Magazinseiten füllen, zweitens hab ich bald einen schönen alten 1,5 PS Außenborder (aber kein passendes Boot), und zum anderen hab ich jetzt schon den zweiten Bootsmotor von Seagull auf dem Tisch – eine Freund hat einen Freund, der einen kennt, der noch einen hatte. Und ich habe gelernt: Es müssen nicht immer Räder dran sein.

Und hier der beste Verteidiger auf dem Spielfeld. Unerlässlich in meiner Schrauberfreizeit: der Wabeco-Klemmschraubstock

Es geht ums Schrauben an sich, das ist hochmeditativ und folglich sehr gesund. Mal abgesehen davon, dass ich wohl am Ende kaum Verwendung für die Dinger habe, im überholten Zustand sind diese schicken kleinen Motörchen in jeder Werkstatt oder sogar im Wohnzimmer eine echte Augenweide. Dann baut man sich eben einen tollen Ständer dafür. Sieht zehnmal besser aus als ’ne bekackte Standuhr oder ein Schirmständer. Ich zeig euch mal ein Foto, wenn ich mich zuhause durchgesetzt habe. Ich weiß nämlich schon einen schönen Platz. Und nun habe ich mir ein Bier verdient, finde ich. Bleibt gesund, leckt euch nicht gegenseitig übers Gesicht und seid sozial. So wie Frau Kleinfeld. Dann wird alles wieder gut.

Es grüsst euer Käptn Reuter

 

Frau Reuter
Frau Reuter bei CUSTOMBIKE

Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.