Heute testet Frau Reuter ein Schweißgerät, beziehungsweise einen Komplettsatz Schweiß-Equipment, den der Bengel von nebenan zur Konfirmation bekommen hat. Damit will er einen Einkaufswagen motorisieren …

Ich hab tatsächlich irgendwann mal mein Schweißgerät gegen eine Ständerbohrmaschine getauscht. Manchmal macht man sowas. Grundsätzlich kein schlechter Tausch, denn ich bohre fast täglich und schweiße fast nie, weil ich es nämlich gar nicht wirklich gut kann. Und wenn mal was geschweißt werden muss, dann fahre ich kurz um die Ecke zu Herrn Hofmann, der schweißt wie ein Gott. Dann gebe ich ihm einen Fünfer und alles ist gut. Trotzdem – manchmal ist ein eigenes Schweißgerät toll. 

Frau Reuter testet Schweißgerät und Zubehör

Nun wird also der Bengel von nebenan, der Sohn des Doktors, konfirmiert und er wünscht sich KEIN iPad und KEINE Stereoanlage, sondern – guter Junge – ein Schweißgerät. Ihm war nämlich vor geraumer Zeit ein Einkaufswagen zugeflogen, und im Rahmen der Motorisierung desselben (was liegt näher) war ihm aufgefallen, dass es Sinn macht, die nötigen Halterungen da einfach dranzuschweißen. Und überhaupt kam er plötzlich auf die Idee, dass Schweißen eine praktische Sache sein könnte.

Üben, üben … wie alles im Leben – da kriegste nix geschenkt. Außer du hast Konfirmation und wünschst dir wie Ture ein Schweißgerät. Und obendrein gab’s den 800 PRO dazu – einen selbstständig abdunkelnden Schweißhelm

Und so kam es also, dass auf seinem Gabentisch neben Eierlikör und Kinderbildfotoalben auch ein schwarzer Koffer stand, der dieses wunderbare kleine Schweißgerät beinhaltete. Wir Großen hatten uns schon im Vorwege informiert, was der ambitionierte Jungschweißer alles braucht, und jeder von uns hatte natürlich im Hinterkopf, dass das ja eine reine Win-win-Situation ist, weil wir uns das Schweißgerät nun jederzeit ausleihen könnten. HA! Und darum musste er natürlich auch einen komfortablen Automatikhelm bekommen.

Das Kind ist wirklich nicht blöd …

Und den besten Schweißerhammer aus dem Hause Schoppe. Wir haben uns also ziemlich ins Zeug gelegt, damit das, was wir uns später leihen, auch von einigermaßen guter Qualität ist. Mittlerweile hat der Bengel auch brav geübt, immer schön im Garten und immer mit einem Wassereimer in Griffnähe, damit Muttis Sonnenblumen nicht abfackeln, wenn es mal etwas zuviel Funkenflug gibt. Sein erster Schweißtisch ist tatsächlich eine Black&Decker Workmate, auf dem er zwei Gehwegplatten befestigt hat. Das Kind ist also wirklich nicht blöd.

Das neue, kleine Lustzentrum in Tures Werkstatt – der Gysmi 160P. Passt fast in jede Handtasche und wird gern von den nervigen Nachbarn ausgeliehen. Mögen die Spiele beginnen …

Wir hatten uns damals für ein preiswertes Gerät entschieden, weil es auch hätte sein können, dass der Junge nach zwei Wochen sagt »Och nöö, das schockt doch nich so wirklich, ich will lieber was anderes machen.« Aber Gott sei Dank ist es anders gekommen. Das Teil hier, ein Gysmi 160P Schweißinverter, kostet gerade mal 200 Euro. Da kann man nichts verkehrt machen. Ein wirklich tolles Produkt aus deutscher Fertigung wäre fast viermal so teuer geworden – dann hätten wir uns für das EWM Pico160 entschieden. So aber begnügt man sich mit dem Gysmi, das angeblich »Made in France« ist.

Frau Reuter testet Schweißgerät für Einsteiger

Für die läppischen 200 Euro kommt das Gerät mit einem Köfferchen und zwei Zuleitungen, die ruhig etwas länger hätten sein können: Das Massekabel ist gerade mal eins fuffzich lang, das Kabel am Elektrodenhalter misst rund zwei Meter. All das lässt sich verschmerzen, denn zum Anlernen genügt das allemal. Und für mein abgebrochenes Bremspedal langt diese Ausrüstung auch. Mit den maximalen 160 Ampere kann man schon sehr schön zwei Blechstücke von 6mm Stärke verbinden. Viel Dickeres fällt am Motorrad kaum an. Dünneres Blech als 2 mm würde ich mit so einem Kasten nicht unbedingt schweißen, das gibt ganz sicher Löcher.

Der 800 PRO – einen selbstständig abdunkelnder Schweißhelm

Das Gerät macht einen robusten Eindruck, lediglich das Potentiometer, an dem das gute Stück auch angeschaltet wird, wackelt etwas dämlich im Frontplattenloch hin und her. Auf Nachfrage beim Vertrieb sagte man mir, dass das bewusst so ausgeführt sei. Bei einem an der Frontplatte verschraubten Poti hätte es bei rauer Behandlung schnell zu Spannungsrissen in der Platine kommen können – so aber sei alles schön spannungsfrei. Das kann ich gelten lassen. Über das Schweißen selbst will ich mich hier nicht auslassen, das kann man oder kann es eben nicht. Auf alle Fälle kann man es ÜBEN und jeder Idiot wird dann irgendwann mal ’ne anständige Schweißraupe zustande bringen.

Schweißerzubehör – Helm und Hammer

Unser erster Tag war spektakulär, und Ture, unser Konfirmant, hatte bereits nach dreißig Minuten die besseren Schweißnähte vorzuweisen. Damit der Junge nicht dauernd mit dem Schweißhelm hin- und herwedeln muss, wie wir es in den letzten vierzig Jahren getan haben, hat er ja nun auch einen schönen Helm, der sich selbstständig abdunkelt, sobald die Elektrode zündet. Und das, meine Herren, ist für mich absolutes Neuland gewesen und in meinen Augen eine der besten Erfindungen seit dem Penizillin.

Der Mercedes unter den Schweißhämmern: Gedore 77ST-400 Schweißpickhammer

Vorbei die Zeiten, wo man sich aus Schusseligkeit die Augen verblitzte und dann ’ne halbe Woche mit dem Gefühl rumrannte, jemand hätte einem ’ne Schaufel Sand in die Äuglein geschüttet. Dieser Helm verdunkelt automatisch so dermaßen zuverlässig, dass man wirklich völlig sorglos durch die noch klare Scheibe aufs Werkstück schauen kann, und sobald die Elektrode zündet, wechselt das Bild in eine angenehm abgedunkelte Umgebung mit bester Sicht aufs Werkstück. Wir reden hier von einer Hell/dunkel-Umschaltzeit von einer dreißigtausendstel Sekunde. Ganz toll! So ein Helm kostet bei Amazon 75 Euro.

Der Mercedes unter den Schweißhämmern

Im Fachgeschäft wird er nicht viel teuerer sein. Dem Helm liegen zehn Ersatzscheiben bei. Die innenliegenden Batterien werden von Solarzellen geladen, ja, sogar das Schweißlicht lädt die Akkus auf. Das Gewicht von 480 Gramm lässt sich gut ertragen, die meisten Motorradhelme sind schwerer. Gerade am Anfang muss sich der Laie mit Schlacke rumschlagen. Beim Profi springt die ja im Idealfall nach wenigen Sekunden von selbst von der Naht ab. Um die Schlacke zu entfernen, habe wir noch den Mercedes unter den Schweißhämmern bei Herrn Schoppe gekauft: Den Gedore 77ST-400 Schweißpickhammer. Dieses Hämmerchen verweist alle Billighämmer in die Schranken, denn hier sind die Pickelspitzen wirklich hart. Sowas hält in der Regel ein Leben lang. Der Hammer kostet rund 20 Euro und ist beim E-Schweißen genauso wichtig wie die Steckdose.

Angenehmes E-Schweißen ist verdammt billig geworden. Und wer für den Rest seines Lebens mit so einer Maschine arbeiten will, wird ohnehin einen Tausender drauflegen und ein Gerät nehmen, das auch WIG-tauglich ist. Oder, wie Herr Hofmann sagt: Was soll der Scheiß, kauft ihm ein Schutzgasschweißgerät. Da kann man auch Schutzbleche mit schweißen. Ach, Herr Hofmann, hab ich da gedacht, du kleines Dummerchen! Motorisierte Einkaufswagen haben doch gar keine Schutzbleche.

So, ihr kleinen Hasen, ich schnapp mir jetzt ein kühles Bier und geh rüber zu Ture. Heute machen wir die Motorhalterung fertig. Das wird ein Fest …

 

 

Frau Reuter
Frau Reuter bei CUSTOMBIKE

Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.