Heute testet Frau Reuter Magura-Fake-Chokehebel, Proxxon-Microflam-Brenner und günstige Klamotten zum Mofafahren …

Kapitel 1: »Ich wünsch mir ’ne Mofa.« Das waren seine Worte. Meine Fresse – da hat sich der Bengel über 14 Jahre überhaupt nicht für Zweiräder interessiert, ja, fand Motorräder sogar »scheiße« und träumte von seinem ersten VW Golf 2. Und nun das! Ich werde also investigativ tätig und finde einige alte Möhren im Umkreis von 50 Kilometern. Eine Kiste verbastelter als die andere – es ist zum Heulen.

Eine Motobecane M11 für den Jungen – leider ohne Papiere

Bis in den Kleinanzeigen eine potthässliche Motobecane M11 auftaucht. Aber unverbastelt, aus erster Hand, mit Kaufquittung von 1983 (1200 Mark), leider ohne Betriebserlaubnis. »Die nehm’ wir!«, sagt der Junge. Ich latze also die aufgerufenen 280 Euro ab und pack den Haufen ins Auto. »Papiere besorgen ist sicher kein Problem«, sagt der Vorbesitzer. Okay, nur ganz am Rande für uns alle: Eine neue Betriebserlaubnis schlägt heutzutage mit rund 180 Euro zu Buche. Hätte ich das vorher gewusst, wäre wohl alles anders gekommen.

Obstgarten-Racing – Die Nachbarn verrammeln die Fenster

Nun gut, die Kiste steht auf dem Hof, der Führerschein wird ja erst im nächsten Jahr gemacht, also vertreiben wir uns die Zeit mit dem Auswechseln von Bowdenzügen, Reinigen von Tank und Vergaser und anderen Kleinigkeiten. Der Bengel dreht im Obstgarten Kreise, bis der Arzt kommt. Die Freude ist groß, die Nachbarn verrammeln die Fenster.

150 knackfrische Stuten um den Verstand gevögelt

Kapitel 2: »Ich brauch ’ne Lederjacke und einen Helm.« Mein Protest verhallt ungehört. Er habe ja 150 Euro gespart und er würde das alles selbst bezahlen. Also stiefeln wir zu Tante Louise um die Ecke. Der Junge hat tatsächlich mehr Glück als Verstand, denn wir stoßen sofort auf eine sportlich geschnittene Lederjacke für schlappe 70 Euro und erstehen einen Helm für knapp 80 Euro. Warum sind meine Sachen immer so teuer? Okay – meine Jacke ist aus der Haut eines strammen Hengstes gebaut, der in seinem Leben mindestens 150 knackfrische Stuten um den Verstand gevögelt hat, während die Highway-One-Jacke von Louis garantiert aus dem Arsch eines homosexuellen Wasserbüffelderivats besteht und von klitzekleinen hinterindischen Händen im Akkord zusammengefrickelt wurde – aber das will ich bei meiner finanziellen Lage nicht weiter hinterfragen.

Wer nur ein schmales Budget für seine Macker-Ausrüstung hat, der ist mit der Highway One von Louis bestens bedient

Fakt ist: Die Jacke sieht gut aus. Das Leder ist dicker, als ich erwartet hätte. Die Nähte sind sauber geführt, die Reißverschlüsse wirken stabil. Und das Wichtigste: Der Junge macht in der Joppe richtig was her! Ich sage es nur leise, aber ich sage es: Für die Kohle kann man bei der Jacke nix falsch machen. Als ursprünglicher Preis ist 99 Euro angegeben, und selbst das wäre für die gebotene Qualität nicht zu viel. Hätte ich heute keine Lederjacke, ich würd’ sie glatt kaufen.

ECE-Norm, Sonnenblende und Schlaufe fürs Brillenband

Nicht anders ist es mit dem Helm. Natürlich entspricht er – anders als all meine Helme – der ECE-Norm. Dafür trägt er nicht mal besonders dick auf und sieht noch recht flott aus. Der Kinnriemen hat sogar einen Schnappverschluss, das Futter ist angenehm und ordentlich befestigt. Das Ding hat sogar eine Sonnenblende und – wie es sich gehört – eine rückseitige Lasche zur Fixierung eines Brillenriemens. Alles in allem hat mein Kind das erste Mal wirklich gut eingekauft. Wahrscheinlich, weil es die eigene Kohle war. Beide Teile würde ich selbst tragen, wenn sie mir denn passten.

Der mattschwarze Highway-One-Jethelm sieht aus, wie ein Helm eben auszusehen hat. Und das für den kleinen Euro

Die Jacke heißt offiziell »Highway 1 Pilot« und der Helm hört auf den Namen »Highway 1 Retro Tribal«. Findet ihr bei Detlev Louis auf der Website oder im Shop. Ich geh davon aus, dass die Mitbewerber ähnliche Produkte im Angebot haben, die sind aber nicht bei mir um die Ecke ansässig. Falls also Herr Polo mir eine ähnliche Jacke zum Testen zuschicken möchte: Ich bin bereit und habe Größe 58. Mindestens … .

Rotzfreche, aber herzlose Kopie des Magura-Chokehebels

Nun weiß ich schon während unseres Einkaufes, dass an dem Mofa der Chokehebel kaputt ist. Also schnapp ich mir neben einigen Universalzügen auch noch den »Louis Bowdenzug Regulierhebel« für rund 10 Euro. Da muss zwar der Nippel am Zug verlötet werden, aber damit kann ich leben. Später, als das Ding am Lenker haftet, stelle ich fest, dass das Teil Mist ist. Es handelt sich um eine rotzfreche, aber herzlose Kopie des Magura-Chokehebels. Ohne größeren technischen Aufwand ist das Ding nicht dazu zu bringen, fest in der eingestellten Position zu verharren.

Original und Fälschung: Das Magura-Vorbild ist zweifellos der bessere Chokehebel

Nun komm ich also richtig aus dem Arsch und schnapp mir mein Original, um den direkten Vergleich anzustellen. Und siehe da: Der »Magura Regulierhebel 14AR« tut seinen Dienst bestens und hat sogar eine Klemmschraube für den Zug – man muss also nicht mal löten. Wenn ich die Wahl habe – und die muss ich in diesem Fall haben – entscheide ich mich lieber für das Original. Bei Magura hab ich es nicht auf der Homepage gefunden, aber einige Rasenmäherläden haben das Teil auf ihren Websites im Angebot. Natürlich kostet der Magura mit rund 30 Euro das Dreifache, ist aber dafür zehn Mal besser und hält ein Leben lang. Die Halteschelle des billigen Louis-Artikels passt übrigens exakt an den Magura, ebenso die Einstellschraube auf der Kopfplatte. Nur, dass man beim Louis-Hebel nix einstellen kann, während man damit am Magura die Friktion des Hebels einstellt.

Dieses Teil ist genial, die Wärmeentwicklung gewaltig

Am Schluss meine Entdeckung des Jahres in Sachen Löttechnik: Der Proxxon-Microflam-Brenner MFB/E! Ich drehe seit Jahren Kreise um dieses Produkt. Nun, wo ich an dem Mofa reichlich Züge zu löten habe, ist es in meinem Besitz gelandet. Ohne Scheiß: Dieses Teil ist genial. Die Wärmeentwicklung ist gewaltig, damit kann man richtig fein Bowdenzüge und Nippel verlöten. Etwas Übung ist sicherlich nötig, damit man seinen Zug nicht versehentlich entmaterialisiert, aber dann entpuppt sich der Brenner als unverzichtbarer Bestandteil der Werkstatt. Funktioniert mit Feuerzeuggas und passt sogar in die Werkzeugtasche für die Reise. Astrein.

Interessiert sich hier jemand für die Funktionsweise eines Proxxon-Brenners? Es gibt genau vier Betätigungsfelder: Die regulierbare Luftdüse, den Gasregler, einen Verriegelungsschieber und den Zündkopf

Ich brauche für Bowdenzüge nur ein Drittel der verfügbaren Leistung, die Befüllung ist idiotensicher und sauber. Gezündet wird die Flamme mittels Piezo, die Flamme ist sehr gut regulierbar. Meine Empfehlung des Monats. Kostet rund 30 Euro. Um Carl Hertweck mal wieder sehr frei zu zitieren: »Ein Jugoslawe würde auf Basis dieses Werkzeugs eine komplette Schmuckmanufaktur eröffnen.« In Hertwecks Buch »Besser machen« werden übrigens minutiös das Verlöten von Zügen und tausend andere wichtige Schraubersachen beschrieben. Wer dieses Buch nicht hat, sollte es sofort kaufen.

Frau Reuter – völlig ausgebrannt

Und nun bin ich komplett ausgebrannt. Der Bengel ist in der Schule – ich denke, ich dreh mal ein paar Runden im Obstgarten. Macht Spaß, glaubt mir! Und falls einer von euch ‘ne alte Mobylette übrig hat: Immer in meine Richtung werfen. Mofafahren ist einfach klasse …

Es grüßt mit 25 km/h auf der Uhr
Euer Martin

 

 

Frau Reuter
Frau Reuter bei CUSTOMBIKE

Martin Reuter ist unter seinem Pseudonym »Frau Reuter« inzwischen zweitdienstältester Mitarbeiter der CUSTOMBIKE. Der freischaffende Künstler rezensiert mit spitzer Feder und scharfem Wort Produkte, die seiner Meinung nach etwas Aufmerksamkeit bedürfen. Im wahren Leben ist er als Illustrator, Fotograf und Textautor tätig und spielt ganz nebenbei Bass und Orgel in der zweitschlechtesten Band der Welt. Kulinarisch betrachtet kocht er scharf und trinkt schnell. Als echtes Nordlicht badet er selbstverständlich nur in Salzwasser. Seine Vorlieben sind V8-Motoren und Frauen, die Privatfernsehen verschmähen. Stilecht bewegt er eine 76er Harley, restauriert eine Yamaha SR 500 und bewegt sich politisch korrekt die meiste Zeit mit dem Fahrrad fort.