Ein Schutzblech fürs Motorrad selber machen? Wer das Besondere sucht, kommt mit etwas handwerklichem Geschick seinem Ziel in großen Schritten näher.

Die Faszination eines Custombikes geht von seiner Exklusivität aus. Auch heute noch, wo es für den Neueinsteiger so aussieht, als ob praktisch jedes nur denkbare Teil anbaufertig aus dem Katalog zu kriegen ist, bauen die richtigen Profis selten ein prägnantes Bauteil an, ohne ihm ihre eigene Handschrift zu verpassen.

Ein Schutzblech fürs Motorrad gibt’s auch als Rohling

Viele Customizer bieten ihren Kunden eigene Kreationen für bestimmte Modelle, die – maschinell (vor)gefertigt – Passgenauigkeit versprechen. Vereinzelt sind in den letzten Jahren Schutzblech-Rohlinge für Do-it-yourselfer auf den Markt gekommen, vorgerundet und mit überschüssig breitem Blechrand zum individuellen Zuschnitt.

Zuerst wird mit einem Holzhammer die grobe Form herausgearbeitet, das erfordert einige Übung, bis man weiß, wo man mit welcher Kraft hämmern muss. Am Anfang steht allerdings die Materialwahl

Selbst Profis greifen gerne darauf zurück. Der Drang nach Einzigartigem ist damit allerdings nicht zufriedenzustellen. Und weil wir im Grunde alle schon mal wissen wollten, wie man ein Schutzblech mit eigenen Händen herstellt, hatten wir uns an einem entsprechenden Workshop angemeldet. 

Mit dem Hammer auf den Sack

Bei der Suche danach sind wir einerseits auf die Handwerkskammer gestoßen. Aber auch Firmen, die Werkzeuge zur Restaurierung von Oldtimern vertreiben, bieten solche Blechbearbeitungskurse an: Learning by doing also. Hier wird gezeigt wie mit Holzhammer und Sandsack Blech in Form gebracht wird.

Mit dem Englischen Rad wird das Material geglättet und die Form weiter herausgearbeitet. Das Material dehnt sich durch das Strecken aus und bleibt in dem unbearbeiteten Bereich ungestreckt, das führt zu der gewünschten Wölbung.

Ganz wichtig erschien es uns zu lernen wie mittels Rollenstreckmaschine – auch »Englisches Rad« oder »English Wheel« genannt – das vorher grob zurechtgeklopfte Blech geglättet wird. Aber auch, wie und mit welchen Werkzeugen Blech geschnitten oder Versteifungssicken eingebracht werden können. 

Schutzblech aus 2-mm-Aluminiumblech

In dem von uns besuchten Kurs gingen wir die Herstellung eines breiten hinteren Schutzbleches aus 2-mm-Aluminiumblech an. Die einzelnen Arbeitsschritte führte uns Simon, ein Blechbearbeitungsprofi aus England, anschaulich vor und griff – wenn nötig – immer mal wieder ein.

Das obere Rad ist höheneinstellbar, so bestimmt man den Druck auf das zu bearbeitende Blech. Das untere Rad ist auswechselbar, es stehen eine flache und verschiedene gewölbte Formen zur Auswahl

Die Teilnehmerzahl ist auf eine gute Handvoll begrenzt. Und das ist gut so, denn jeder hat seine spezifischen Fragen, die auch zufriedenstellend beantwortet sein wollen. Für unser Projekt wählten wir Alublech mit einem Reinheitsgehalt von 99,9 Prozent.

Mit groben Holzhammerschlägen Richtung Blechmitte

Dieses Blech ist entsprechend weich und kann ohne zusätzliches Zwischenerhitzen in die von uns gewünschte Form gebracht werden. Zunächst arbeitet man sich mit groben Holzhammerschlägen am Rande des Blechstreifens entlang in Richtung Blechmitte vor.

Schon nah dran: Immer wieder müssen wir das Werkstück mit einer Formenlehre überprüfen

Von beiden Längsseiten gleichmäßig, versteht sich! Dabei liegt der zu bearbeitende Teil des Blechstücks auf einem mit Sand gefüllten Ledersack. Immer wieder kriegt das Blech, das sich durch die Hammerschläge nicht nur in die Tiefe verformt, sondern auch noch verwindet, durch einfaches Zurechtbiegen gezeigt, in welche Richtung es gehen muss. Dann wird weitergedengelt. 

Ein Schutzblech fürs Motorrad – Jetzt geht’s ans Rad

Ist die grobe Form herausgearbeitet, geht es ans Englische Rad zum Glätten. Den Blechstreifen einseitig etwas länger zu lassen kann für die Handhabung von Vorteil sein, ist aber nicht zwingend erforderlich. Unbedingt anzuraten hingegen ist, während des ganzen Bearbeitungsprozesses Schutzhandschuhe zu tragen. Unser Vollprofi und Fotomodel Simon gab uns hierfür allerdings kein nachahmenswertes Beispiel.

Ist die Form korrekt, markieren wir mit der Reißnadel die Schnittkante für den runden Abschluss

Absolut notwendig wird das ständige Prüfen der wachsenden Blechform an mitgebrachten Rädern oder vorgefertigten Mustern und Schablonen. Die bisher erreichte Form ist breiter als die Anrissbreite. Selbstverständlich berücksichtigten wir eine verstärkende Bördelung des Randes von vornherein und wählten die Breite des Ausgangsbleches entsprechend größer.

Der Rand wird entlang des Anrisses zur Innenseite vorgebogen

Mit der Flachzange (oder entsprechender Maschine) wird der Rand um circa 90 Grad entlang des Anrisses zur Innenseite vorgebogen, dann wieder mit Hammerschlägen und eingelegtem Metallformklotz geglättet. Bis schließlich der Draht (hier Alu-Draht) eingelegt werden kann. Selbstverständlich hat der Fachmann auch hierfür seine Spezialmaschinen, doch wie man sieht geht es auch manuell.

Danach greifen wir zur Blechschere …

Hierbei sind allerdings ein Paar zusätzliche Helferhände nicht zu verachten. Sie halten das Schutzblech, während man selbst den Draht in die richtige Position bringt und mit gezielten Hammerschlägen den Blechrand darüber bördelt. Noch ein letztes Zurechtbiegen des wieder mal leicht verzogenen Fenders, letzte Korrekturschläge an den Kanten und dem guten Teil fehlen nur noch eine Politur und die Befestigungslöcher zum Anschrauben.

Längst ist es im Customizing zum Tagesgeschäft geworden: Schutzbleche werden nach den gestellten Anforderungen verlängert, gekürzt, verbreitert, geschmälert. Auch das ein oder andere Anbauteil, wie zum Beispiel ein Rücklicht, kann integriert werden. Es gibt Spezialisten, die achten sogar darauf, dass die Außen- bzw. Innenkontur des Fenders absolut parallel zum Reifenradius verläuft. Als schick gilt, gerade an Starrrahmenbikes, wenn der Spritzschutz möglichst eng am Reifen anliegt.

Das Schutzblech fürs Motorrad nicht zu knapp kalkulieren

Doch Vorsicht: Normale Motorradreifen (Diagonalreifen ohne Gürtel) wachsen beim Beschleunigen aus niedrigen Geschwindigkeiten im Durchmesser um bis zu drei Zentimeter. Ähnliches ist auch an Vorderreifen während des Abbremsens zu beobachten. Innen blank gescheuerte Schutzbleche, Blasen werfender, verbrennender Lack auf der Oberfläche und ein rasanter Profilschwund am Reifen sind die Folgen. Ein wesentlich geringeres Größenwachstum weisen sogenannte »0°-Stahlgürtelreifen« auf.

Geschafft! Nur noch ein paar wenige Korrekturschläge und euer weltweit einmaliges Schutzblech ist fertig

Auto-Stahlgürtelreifen, einst im Chopperbau fürs Hinterrad beliebt, die der TÜV allerdings nicht mehr einträgt, haben ähnlich stabile Außenmaße. Sie vergrößern ihren Durchmesser dynamisch nur um maximal 0,2 Zentimeter. Also kalkuliert eure Fender nicht zu knapp und bedenkt immer: Auch Matsch und Steinchen können den Freiraum zwischen Reifen und Fender reduzieren und so Schäden an Gummi und Blech verursachen.

INFOS

Schnupperkurse oldtimer-restaurieren-handwerk.de
Rohteile cpo-bikes.de
Sonderanfertigungen blechfee.de

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.