Muss man eine Lehre machen, um das Schweißen zu lernen oder gibt es auch Möglichkeiten für Normalsterbliche?

Für die meisten ist es mit dem Schweißen genauso wie mit der Elektrik, sie lassen es lieber einen anderen machen. Oft genug kommt es aber auch vor, das man keinen findet, der hilft. Oder das die Erfüllung der Wünsche in Euros aufgewogen werden müssen. Da wäre es schon gut, wenn man selbst schweißen könnte. Aber wo besteht diese Möglichkeit? Geht das nur mittels einer Ausbildung oder auch mal so nebenbei? Im Internet sind wir auf ein Angebot der VHS (Volkshochschule) gestoßen: Ein Schweißkurs über zwölf Abende, jeweils von 18 bis 21 Uhr. Um zu sehen, ob so ein Kurs etwas für das normale Bikerleben bringt, haben wir ihn mitgemacht und für euch dokumentiert.

Schweißen – die verschiedenen Techniken

Wie immer geht es mit der Theorie los, MAG, WIG und Elektroschweißen werden erklärt. Ein kurzer Film zeigt den eigentlichen Schweißvorgang im Detail und das Schweißen im Berufsleben. Danach erhalten wir die Unterweisung in den Arbeitsschutzvorschriften.
Das MAG-Schweißgerät wird erklärt, wichtig bei allen Arten ist die Erdung des Werkstückes über den Tisch. Ansonsten kann kein Strom fließen, und ohne Lichtbogen läuft nichts. Unter Hilfestellung des Ausbilders zieht jeder Teilnehmer eine kurze Naht.

Feingefühl: Beim WIG-Schweißen wird der Zusatz individuell von Hand zugeführt

Wir werden ausgestattet mit eigenen Handschuhen und Brille. Schutzhelm, Lederkittel und Ledergamaschen gehören zur Werkstattausstattung. Alle machen Aufschweißen mit MAG, das wird zum Veredeln von Oberflächen benutzt. Gasflasche eine Umdrehung auf, Durchfluss auf ca. 9 Liter, Netzschalter an und los geht’s. Wir teilen uns mit zwei Mann eine Kabine. Es geht darum, ein Gefühl für das Schweißen zu bekommen und möglichst viel an einem Objekt zu üben. Das Blech ist 5 mm stark, somit das Durchbrennen fast unmöglich, es verzeiht noch alle Fehler.

Erst Theorie, dann Praxis

Beim nächsten Mal gibt es zuerst wieder ein wenig Theorie. Wir bekommen alle einen Zettel, auf dem die unterschiedlichen Schweißarten gezeigt werden. Das Aufschweißen haben wir letztes Mal geübt. Jetzt kommt Runter- und Hochschweißen, dabei werden die Bahnen von oben nach unten und im Tannenbaumverfahren von unten nach oben gezogen. Jeder kann entscheiden, welche Schweißart er weiter machen möchte. Die meisten machen mit E-Schweißen weiter, da so ein Gerät preiswerter oder schon vorhanden ist.

Angespitzt: die Wolfram-Elektrode muss von Zeit zu Zeit nachgeschliffen werden

Wir bekommen vier Stahlplatten, die wir rechtwinklich zusammenschweißen sollen. Dafür helfen Magnetwinkel. Erst heften wir die Bleche nur kurz zusammen. Dann werden die Kanten zugeschweißt, zunächst in der Mitte und dann noch rechts und links eine Naht daneben. Zu Übungszwecken wird abschließend noch eine dicke Naht über die vorhandenen gezogen (von rechts nach links, kurz stoppen, wieder zurück, kurz stoppen u.s.w.) Danach werden noch zwei weitere Bleche mittig auf je eine Seite des Vierkantstückes geschweißt. Abschließend können wir uns an dem kompletten Teil austoben. Dabei merken wir, dass es wesentlich einfacher ist Kurven zu schweißen, als eine wirklich gerade Linie.

Eine Kabine für jeden

Wir erhalten alle eigene Schweiß-Kabinen. Nachdem bislang nur dickes Material bearbeitet wurde kommen jetzt Dünnbleche dran. Wir können selber probieren, welche Einstellungen wir vornehmen, also Stromstärke und Drahtvorschub, Bei den E-Schweißern ist es die Elektrodendicke, die festgelegt werden muss. Verhält sich aber äquivalent, also bei MAG mehr Drahtvorschub heißt bei E dickere Elektrode (Dickenangabe in mm). Nach dem Ziehen von genügend Linien (mehr oder weniger gerade) wird das dünne Blech senkrecht auf ein dickes geschweißt. Jetzt kommt wieder das rauf und runter Schweißen.

Vorarbeit: Sind der Drahtvorschub und die Stromstärke eingestellt, muss man sich bei MAG nur noch auf die Naht konzentrieren

Zum Aufwärmen ziehen wir erstmal ein paar gerade Linien, schweißen rauf und runter. Dann erklärt uns der Ausbilder wie man an der Senkrechten waagerecht schweißt. Das ist nicht einfach nur eine Linie ziehen. Das Prinzip ähnelt einem Spazierstock, der Anfang ist oben, von da aus geht es in einem Bogen nach unten, ein Stück weiter als man angefangen hat. Nach kurzem Verweilen geht es den selben Weg zurück bis kurz neben den Ausgangspunkt u.s.w.. Mit zunehmender Übung sehen die Nähte dann auch recht flüssig aus und nicht mehr wie ein geflochtener Zopf. Laut Ausbilder ist das eins der schwierigsten Schweißverfahren, besonders an dem benutzten Dünnblech.

Schweißen aus der Schrottkiste

Bevor es wieder weitergeht, kramen wir uns ein paar Bleche aus der Schrottkiste und üben noch mal alle bisher gelernten Praktiken. Danach geht’s an die Fertigung eines Würfels aus Dünnblech, also ca. 0,7 mm dick. Wieder hilft der Winkel-Magnet bei der Realisierung der rechten Winkel. Dabei werden zunächst jeweils drei Seiten aneinander gepunktet. Die sich daraus ergebenden zwei Würfelhälften werden dann freihand aneinander gebracht. Dann schweißen wir in allen gelernten Techniken die Kanten zu.

Falscher Eindruck: Auch eine Endlosrolle kann mal zu Ende sein, aber dafür gibt es sofort Ersatz

Nach der üblichen Aufwärmphase geht der Würfelwahn weiter. Es kommen noch zwei weitere, jeweils kleinere Würfel hinzu. Diese werden in der gleichen Weise hergestellt wie beim letzten Mal. Danach schweißen wir die Würfel aufeinander. Die vermeintlich leichten Schweißnähte in den Ecken erweisen sich als wesentlich schwerer als gedacht. Halten tut’s natürlich, sieht aber nicht so schön aus. Gut, das es im wahren Leben die Flex gibt, die solche Stellen wieder glättet.

Üben, üben, üben

Und es heißt üben üben üben, damit es auch nachher zu Hause klappt. Besonders die Ecknähte werden intensiviert.

Die Schweißtische müssen ab und zu mit der Flex geglättet werden, damit auch der nächste ordentlich arbeiten kann

Nachdem wir uns nun lange genug mit MAG-Schweißen die Zeit vertrieben haben, wollen wir heute das E-Schweißen ausprobieren. Die Techniken sind die gleichen, lediglich das Anfangen erfordert wieder neue Übung, da die Elektrode beim Zünden auf dem Werkstück gerne mal festbrät. Auch an das Heranführen der immer kürzer werdenden Elektrode muss man sich gewöhnen.

Auch WIG-Schweißen steht auf dem Plan

WIG steht auch noch auf dem Plan. Hierzu üben wir am liegenden Blech einfach Nähte zu ziehen. Schnell wird klar, dass dieses Verfahren viel Zeit und Gefühl verlangt. Oft muss die Wolframelektrode anfangs angespitzt werden, da wir sie zu nah an die Schweißstelle führten.

Vorsicht: auch wenn das Blech nicht mehr rot glüht, kann man sich noch daran verbrennen

Beim letzten Mal schweißen wir mit WIG Dünnbleche über Eck aneinander. Anfangs ohne Zusatz, also nur durch die Verschmelzung der Bleche. Danach noch mit dem Zuführen von dem entsprechenden Zusatz.

Was ist Schweißen?

Nach diesem Lehrgang kann sich jeder Teilnehmer gerüstet fühlen, um selber kleinere Schweißarbeiten an nicht tragenden Teilen durchzuführen. Arbeiten an Schutzblechen, Halterungen oder sonstigen Verkleidungen sind also in der Zukunft keine Hürde mehr

 

Lothar Steinmetz
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE

Lothar Steinmetz ist bereits seit dem Jahr 2000 als freier Mitarbeiter für die CUSTOMBIKE tätig und kümmert sich vorrangig um Lowbudget-Umbauten. Darüber hinaus analysiert er Gesetzestexte und macht Technik für den Leser verständlich. Seit 1993 besitzt er eine gelbe Trude, die neben den anderen Mopeds der Familie immer wieder für Detailaufnahmen oder Reparaturanleitungen herhalten muss.