Durchwühlen von Schrottkisten vermag Geistesblitze auszulösen. CUSTOMBIKE zeigt die Herstellung eines einzigartigen Rücklichts, des »Shark-Nose-Exhaust-Clamp-Taillights«.

Es war wirklich nicht geplant. Aber wenn man – wie ich – der Meinung ist, dass individuelle Vorder- und Rückleuchten das Erscheinungsbild eines Custombikes signifikant prägen, dann ist das Auge auf solche Teile geschärft. Der Rücklichtfetischist in mir hatte sich auf der Veterama günstig ein leichtgewichtiges Shark Nose Taillight gekauft und einige Meter weiter fand er dann auch noch diesen Appetithappen.

Auspuffklemme als Gehäuse

Das Teil stach ins Auge. Sofort stand fest: Diese alte Honda-Auspuffklemme musste das Gehäuse meines neu gekauften Rücklichts werden! Messschieber aus der Tasche gezogen, nachgemessen – passte. Trotzdem … mit gespielt zerknirschtem Gesicht nochmal zurückgelegt und mit wenig Euphorie die Frage herausgepresst: »Was soll’n der koschde und wu iss’n der Reschd?«

Erbeutet: Auf dem Swap Meet günstig erfuggert und wie für einander geschaffen

Wohlwissend, dass in der Krabbelkiste nur dieses einzelne Exemplar lag, hatte diese einzeln aufgefundene Aluminium-Klemme den (ganz bewusst hervorgehobenen) Makel eines nicht kompletten Vierer-Sets. Selbstverständlich musste sie daher zu einem Spottpreis den Besitzer wechseln. Zuhause wird nun ans Bike gehalten und gleich weiter geplant.

Eine Skizze ist von Vorteil

Verschiedenste Lösungen zur Befestigung werden durchgespielt und für eine hintere Abdeckung aus Aluminium – sieht damit einfach gefälliger aus – eine Skizze erstellt. Nicht jeder hat Zugang zu einem Maschinenpark, aber für manches ist ein entsprechender Freund, Bekannter oder der Schlosser um die Ecke gut. Die Zeichnung hilft dann, die eigenen Ideen und Wünsche umgesetzt zu bekommen.

Gebohrt: Wo die Kennzeichenleuchte durchscheinen soll wird zunächst Loch an Loch gebohrt…

Der Deckel wird in drei Fertigungsstufen aus Alu-Vollmaterial an einer Drehmaschine gefertigt, mit einer Bandsäge die Flanschkontur – passend zum Gehäuse der Ex-Auspuffmutter – herausgearbeitet und an einer Ständerbohrmaschine mit Anschraublöchern versehen. Unten bekommt der Deckel eine flach angesenkte Bohrung verpasst. In der soll eine Gummitülle zur Kabeldurchführung später ein Durchscheuern der Kabel verhindern.

Rücklicht, Marke »Shark Nose«

Eine zwei Millimeter dicke Aluminium-Scheibe, mit dem Plastikkörper der Shark Nose Rückleuchte verschraubt, wird später in einer 1,9 Millimeter flachen Vertiefung im Deckel Platz finden. Durch die entstehende minimale axiale Pressung zwischen der geraden Rückseite am verrippten Gehäuse und dem hinteren Deckel wird dann das Rücklicht beim Zusammenbau geklemmt.

Variante: Zur Befestigung und Niveauregulierung könnten Gelenkstangenenden herhalten.

Verständlich, dass unser Rippengehäuse dazu hinten exakt flach sein muss. Dies hinzubekommen wäre zwar auch auf einer ebenen Glasfläche und zwischengelegtem Schmirgelpapier durch vorsichtiges Abschleifen möglich. Wir entscheiden uns jedoch für planstechen auf der Drehmaschine. Ein Dorn, der mit etwas Pressung im Alugehäuse steckt, hilft beim Spannen im Dreibackenfutter, ein Abstechwerkzeug schneidet vorsichtig Material im Zehntelmillimeterbereich vom Werkstück bis hinunter zum Bolzen und egalisiert so die Hinterseite des Gehäuses.

Nummernschildbeleuchtung nicht vergessen

Danach muss unten noch ein Durchbruch für die Nummernschildbeleuchtung rein. Weil sich keiner der bekannten Maschinisten schnell mal bereiterklärt, den Schlitz einzufräsen, ist Old School Manufacturing gefragt. Diesmal wird der Spanndorn im Schraubstock verankert. Er verhindert Macken, die sonst im weichen Aluminium beim direkten Einklemmen unvermeidlich wären. Eng aneinandergereihte Bohrungen, nacheinander an der Ständerbohrmaschine eingebohrt, werden mittels Rundfeile zum Schlitz verbunden und in Folge auf Fertigmaß und -kontur aufgeweitet.

Die Lösung: Eine auf die Kennzeichengröße passend zurechtgeschnittene Blechtafel aus Edelstahl hält nun das neue Rücklicht

Der Dorn wird vor dem Feilen herausgeklopft, das Werkstück direkt, aber vorsichtig im Schraubstock geklemmt. Schmirgelleinen und eine Reihe immer feiner gewählter Wasserschleifpapiere, helfen anschließend erst den Durchbruch und dann das komplette Alu-Gehäuse auf beinahe Spiegelglanz zu glätten. Und unser neues Shark-Nose-Exhaust-Clamp-Taillight ist fertig zum Zusammenbau.

Rücklicht, nun auch bombenfest

Zum ersten Run am folgenden Wochenende werden Rücklicht und Nummernschild noch provisorisch mit Kabelbindern gehalten. In der darauffolgenden Woche findet sich dann die Zeit eine kombinierte Kennzeichen-Rücklichthalterung aus V2A-Blech herauszusägen. Jetzt muss nur noch das riesige Nummernschild weichen …

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE Magazin

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.