Was ihr schon immer über Kunststoff wissen wolltet. In unserem kurzen Lehrstück geht es heute um Reparaturschweißungen.

Wenn es kracht an der Motorradverkleidung, wird in den meisten Fällen das komplette Verkleidungsteil ausgetauscht. Dies ist allerdings nicht immer ganz preiswert, zumal auch nicht alle Verkleidungsteile fertig lackiert erhältlich sind. Somit steht auch noch ein Besuch beim Lackierer an. Neben dem Ärger und der anfallenden Zeit und Kosten ist es gerade im Custom-Bereich oft so, dass diverse Bauteile aus Kunststoff nicht gerade Standardteile sind und deshalb ein einfacher Austausch ohne weiteres nicht möglich ist. Daher bietet es sich an, das beschädigte Verkleidungsteil zu reparieren.

Reparieren, statt neu kaufen

In den meisten Fällen können Kunststoffteile wieder instand gesetzt werden. Um jedoch eine haltbare und vor allem dauerhafte Reparatur durchführen zu können bedarf es einiger Grundkenntnisse. Dieser Beitrag behandelt das Schweißen mittels Schweißkolben.

Diese defekte Verkleidung einer Honda Africa Twin wollen wir wieder in Form bringen. Sie besteht aus ABS-Kunststoff

Zunächst ist zu klären, um welchen Kunststoff es sich handelt (Custombike berichtete in der letzten Ausgabe). Bei einem thermoplastischen Kunststoff hat man die Wahl zwischen einer Reparatur durch Kleben oder Schweißen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Verkleidung aus Acrylnitril-Butadien-Styrol (kurz ABS). Dieser Thermoplast ist ausgezeichnet schweißbar. Ein Vorteil beim Schweißen ist, dass Folgearbeiten wie Schleifen und Spachteln sofort nach dem Abkühlen durchgeführt werden können, ohne auf Aushärtezeiten Rücksicht zu nehmen. Die Endfestigkeit der Schweißverbindung ist sofort nach der Abkühlzeit gegeben.

Kunststoffschweißen

Es gibt auf dem Markt unterschiedliche Reparatursets zum Schweißen, die sich alle für eine fachgerechte Instandsetzung von Kunststoffbauteilen eignen. Hier zeigen wir die Schweißreparatur-Sets der Firmen Orbi-Tech und Steinel. Beim Schweißkolben der Firma Orbi-Tech, erwärmt sich die Spitze  und man kann die passende Temperatur für den jeweiligen Kunststoff einstellen. Zur Erhöhung der Festigkeit wird ein Metallgewebe in das aufgeschmolzene Grundmaterial eingearbeitet. Danach wird die Schadstelle mit geeignetem Schweißzusatzwerkstoff aufgefüllt. Hierzu wird für jede Kunststoffart der passende Schweißdraht verwendet.

Mit der erwärmten Schweißspitze können nun die Stücke untereinander fixiert werden

Beim System der Firma Steinel wird mit einem Schweißzusatzwerkstoff für alle Arten von Kunststoffen gearbeitet, einem sogenannten »Multiflex Schweißdraht«, der für alle thermoplastischen Kunststoffe als Schweißzusatz verwendet wird. Die Schweißtemperatur wird hier auch nicht individuell eingestellt, man schweißt hier alle Kunststoffarten bei einer Temperatur. Auch hier wird zur Verstärkung ein Metallgewebe in den Kunststoff eingearbeitet um die Festigkeit zu erhöhen. Bei der Vorbereitung unterscheiden sich beide Systeme nur wenig. Beide Hersteller liefern die Reparatursets mit detaillierten Bedienungsanleitungen aus, an die man sich in jedem Fall halten muss, um eine erfolgreiche Reparatur umzusetzen.

Und los geht’s mit den Vorarbeiten

Zunächst werden eventuell abgebrochene Kunststoffstücke angepasst, dabei kann man geringe Spalten zwischen den Bauteilen mit Schweißzusatz auffüllen. Diese Spalten sollten allerdings nicht größer sein als 1-2 Millimeter. Nun muss der Lack vollständig entfernt werden. Hierzu kann ein Bandschleifer oder auch ein Exzenterschleifer verwendet werden.

Die Bruchstücke müssen zunächst angepasst werden. Schön, wenn noch alle (Klein-)Teile vorhanden sind

Wichtig ist, die Geschwindigkeit der Maschine und den Druck beim Schleifen nicht zu hoch zu wählen, da Kunststoff  beim Überhitzen zum Schmieren neigt. Auch die Körnung des Schleifmittels sollte nicht zu fein gewählt werden, z. B. Korn 80, um ein Zusetzen des Schleifmittels zu verhindern. Beim System der Firma Steinel ist zu beachten, dass ca. 1 Millimeter Material abgetragen wird, um das Verstärkungsgewebe einzuarbeiten.

Der Lack rund um die Bruchstellen wird abgeschliffen, die Kanten der »Scherben« werden aufgeraut

Nach dem Schleifen muss die zu schweißende Stelle gereinigt werden. Zunächst werden die Risse am Ende ausgebohrt, dies  verhindert ein Risswachstum und somit das Entstehen eines neuen Risses nach erfolgter Reparatur. Hierzu wird ein Bohrer mit fünf Millimeter Durchmesser verwendet. Die Bruchstücke werden nun fixiert. Hierzu wird die erwärmte Schweißspitze in das Material eingetaucht. Die entstandene Schmelze wird unter Druck verteilt.

Verstärkung des Risses mit Metallgewebe

Nachdem alle Bruchstücke gut fixiert sind wird ein den Sets beiliegendes Metallgewebe so zugeschnitten, dass der Riss umseitig ca. 1 Zentimeter überdeckt ist. Dieses Gewebe wird nun fixiert und komplett in das vorhandene Material eingearbeitet. Durch die Temperatur im Schweißkolben und das Aufbringen eines stetigen Druckes auf die Schweißspitze sinkt das Gewebe in das Material ein und wird der Länge nach eingearbeitet.

Wichtig ist, die Bruchenden auszubohren, damit die Risse nicht weiter wandern können

Hierbei kommt es drauf an, die richtige Temperatur zu wählen und dem Material genügend Zeit zur Erwärmung zu geben. Die optimalen Schweißtemperaturen sind den Herstellerangaben zu entnehmen. Bei zu hohen Temperaturen wird der Kunststoff irreparabel zerstört. Also Vorsicht: Nicht überhitzen!   

Schweißen und Nachbehandlung

Nachdem nun alle Risse komplett mit Gewebe verstärkt wurden, kann mit dem im Set beiliegenden Schweißzusatz die Schadstelle aufgefüllt werden. Auch hier gilt es, etwas Geduld mitzubringen und dem Bauteil sowie dem Schweißzusatz die Zeit zu geben, sich zu erwärmen. Die komplette Schadstelle wird nun aufgefüllt und das aufgeschmolzene Material sauber verteilt. Sollten auf der Sichtseite noch größere Spalten sichtbar sein, so können diese ebenfalls mit dem Schweißzusatzwerkstoff aufgefüllt werden. Für die  Haltbarkeit der Reparatur reicht es aus, sie einseitig  auszuführen. Die Sichtseite kann nun ganz normal zum Lackieren vorbereitet werden.

 

Adam Vreydal