Was hat ein Eisernes Kreuz eigentlich am Chopper zu suchen? CUSTOMBIKE blickt tief in die Geschichte des alten Symbols

Sie sind die Insignien der Chopper-Bewegung: FTW-Aufkleber (Fuck the World), Totenschädel, ja, auch das Hakenkreuz und allen voran das Eiserne Kreuz. Die Amerikaner waren es zuerst, die das Motorrad und das Eiserne Kreuz miteinander verknüpften. Gruppen wie die Hells Angels trugen Nazi-SS-Abzeichen und Tapferkeits-Orden, die als Beutegut in die USA gelangten schon in den sechziger Jahren an ihren Jeans-Westen. Besonders das Eiserne Kreuz machte sich gut, denn das darauf gezeigte Hakenkreuz demonstrierte ihre Verachtung gegenüber dem Establishment und der angepassten Bürgerschaft genauso, wie ihre langgabeligen, aus der Norm ausbrechenden und verkehrsunsicher erscheinenden Motorräder.

Chopper und das Iron Cross

Doch dem nicht genug. Bastler gestalteten Benzin- und Öltanks für diese Chopper in der Form des Iron Cross und bald erkannte auch die damals gerade aufkeimende Zubehörindustrie dieses Potenzial. Nachgemachte Embleme, Gürtelschnallen und Flaggen, Rückleuchten und Spiegel mit den Konturen des Eisernen Kreuzes kamen auf den Markt, allerdings unter der Bezeichnung »Maltese Cross«. Ob markenrechtliche Gründe oder schlichte Unkenntnis der richtigen Einordnung die Gründe dafür waren, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. So genannte »Malteserkreuze« jedenfalls fand man in jedem Katalog. Und nun gibt es sie wieder. Das Revival der Chopper und die Wiederverwendung der alten Symbole bringt gerade jüngere Chopper-Jünger dazu, zu fragen, was es denn mit dem Kreuz auf sich hat, und wo es eigentlich herkommt.

Malteserkreuz-Spiegel: Dieses Teil stammt aus einer Epoche, in der billiges Zubehör noch in Japan gefertigt wurde

Hier also die nüchternen Fakten: Zum Andenken an den Geburtstag der verstorbenen Königin Luise stiftete Friedrich Wilhelm III., König der Preußen, in Anbetracht der Befreiungskriege gegen Frankreich zum 10.03.1813 einen neuen Orden »für Soldaten und Nichtkombattanten«, die sich in besonderer Tapferkeit vor dem Feind auszeichneten. Die damalige Rückseite, später zur Vorderseite gemacht, trug die Königskrone und sein Namenskürzel FW sowie drei Eichenblätter und die Jahreszahl 1813. Die Frontseite des Abzeichens war glattflächig. Den besonderen Wert des Eisernen Kreuzes bekräftigte Friedrich Wilhelm dadurch, dass andere Militärehrenzeichen in den Napoleonischen Kriegen nicht verliehen werden sollten.

Das Eiserne Kreuz als Auszeichnung

Eigentlich bestimmte Friedrich Wilhelm III., die eigentümliche Auszeichnung nach diesem Kriege nicht weiter zu verleihen. Doch wie wir aus der deutschen Geschichte wissen, wurde die Verdienstauszeichnung des Eisernen Kreuzes jeweils 1870, 1914 und unter Hitler 1939 wieder belebt. Laut Gesetz vom 26.07.1957 ist bei uns das Tragen des WW-II-Kreuzes, auf dem das Hakenkreuz abgebildet ist, verboten. Was allerdings unsere Armee nicht daran hindert, mit einem neutral nüchtern wirkenden Abbild des Eisernen Kreuzes (ohne Swastika) die Tradition des preußischen Ordens auch heute noch fortzuführen. An den Fahr- und Flugzeugen der Bundeswehr ist das Hoheitsabzeichen wiederzufinden.

Tail Light: Rücklicht aus der Frühzeit des Chopper-Zubehörmarktes

Beim Malteserkreuz geht die Historie noch weiter zurück. Zunächst war es mal das Stadtwappen von Amalfi. Von dem hatte es sich die christlich-ritterliche Bruderschaft der »Hospitaliter«, die sich im Jahre 1099 gründeten, entlehnt. Ursprünglicher Zweck dieser Vereinigung war die Versorgung der Pilger auf dem Weg nach Jerusalem und jene, wenn nötig auch gewaltsam, durch feindlich gesinntes Gebiet zu führen. Die Zeit der Kreuzzüge machte den Ritterorden groß und einflussreich. Nach der Eroberung Jerusalems nannten sie sich »Johanniter« und übernahmen mehr und mehr militärische Funktionen. Das weiße achtspitzige Kreuz auf schwarzem Mantel und das gleiche Kreuz auf rotem Kampfgewand verbreitete Angst und Schrecken in der moslemischen Welt.

Die Geschichte des Malteserkreuzes

Nach ihrer Vertreibung aus dem Heiligen Land setzten sie sich in Zypern und Rhodos fest. Jahrhundertelang waren die Johanniter die größte Seestreitmacht im mediterranen Raum. Mit der Schenkung einiger Inseln durch Kaiser Karl V. an die Johanniter, darunter auch Malta, kam es schließlich zur Umbenennung des Ritterordens in «Malteser«. Sie begannen mit dem Handel, und es begann für die Region eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte. Mit dem Wohlstand verlor der Orden seine ursprüngliche Bestimmung. Selbstherrlichkeit, Maßlosigkeit und Disziplinlosigkeit ersetzten frühere Tugenden. Und dann fiel Napoleon ein. Die Malteser verstreuten sich in aller Herren Länder und mussten selbständig neue Aufgaben in der Gesellschaft finden. Johanniter- und Malteser-Hilfsdienste erkennt man bei uns am weißen achtspitzigen Kreuz auf rotem Grund. Heute ist in Rom die Zentrale des immer noch etwa zehntausend Mitglieder zählenden Ordens.

Achtung! In US-Chopper-Magazinen warb die Zubehörindustrie nicht nur mit Eisernen-Kreuzen, sondern auch mit Repros von bei uns verbotenen Nazi-Abzeichen

Noch tiefgreifender würde die Geschichte des Hakenkreuzes werden, würden wir auf die Jahrtausende alte Verwendung in allen möglichen Kulturen eingehen. Unrühmlich war seine Verwendung im Dritten Reich unter Adolf Hitler – und deswegen ist es in Deutschland und Österreich auch verboten. Doch gerade amerikanische Biker scheren sich einen Dreck um historische Zusammenhänge und Unterschiede. Sinnbilder mit kriegerischem oder nationalistischem Hintergrund? Für die meisten von ihnen sind sowohl das Hakenkreuz, das Malteser- und auch das Eiserne Kreuz einfach nur cool. Sie wollen nichts weiter als schocken! Seit den Chopper-Tagen der Sechziger stehen diese Symbole für ein unausgesprochenes »Ihr könnt mich alle am Arsch lecken!«

Das Eiserne Kreuz gegen die Schickeria

Das Eiserne Kreuz richtet sich vor allem gegen die in den eigenen Reihen angesiedelten, ach so glatt gebügelten Custombikes der Schickeria. »Fuckin’ Choppa’s sollten keinesfalls für die Geldsäcke gebaut werden!« Das jedenfalls ist die Botschaft der amerikanischen Zeitschrift »The Horse – Back Street Choppers«, die sogar im Titelbild mehrmals ihr ureigenes »Iron Cross« eingebaut hat. Doch auch »The Horse« konnte nicht verhindern, dass sich die Industrie dem Motiv wieder mal angenommen hat. Seit der Chopper-Guru Jesse James die Szene mit bekreuzten T-Shirts überschwemmt, ist das Malteserkreuz wieder in.

Harley-Öltank: Ganz leidenschaftliche Kreuzritter fertigen komplette Bodyparts in Form des Eisernen Kreuzes an

So findet man zurzeit eine volle Auswahl an Bauteilen – vom Tankdeckel über den Schutzblechhalter bis zum LED-Rücklicht – die sich des Kreuzes bedienen. Modernste Techniken lassen Änderungen des Designs in Kleinserien zu. Jeder Händler hat daher sein eigenes abgewandeltes Kreuz-Logo. Ob mit konvex nach außen gekrümmten Außenlinien als vierschneidige Streitaxt, oder konkav eingefallen mit spitziger Anlehnung an das Johanniter/Malteser-Kreuz. Bei uns zunächst als Reminiszenz an alte Zeiten an den Retro-Choppern aus skandinavischen Ländern gesichtet, ist das Chopper-Kreuz schließlich weltweit wieder zum Synonym für den ausgestreckten Mittelfinger an der geballten Faust geworden.

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE Magazin

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.