Arie van Schyndel hat schon einiges ausprobiert. Vom eigenen Skate-Label über den Bau von Autozubehör und Überrollbügeln für den Rennsport bis hin zur Produktion und Vermarktung der »HotRod Havoc«-Szenefilme war alles dabei. Angekommen ist Arie heute in seinem Shop »Vee Mfg« mit dem Bau traditioneller Chopper. Wir trafen den Kalifornier zum Interview.

CUSTOMBIKE: Dein Motto war schon immer »Just do anything«. Was bedeutet das für dich?
A
rie van Schyndel: Ich glaube, die Leute werden heutzutage gezwungen, alles perfekt machen zu wollen. Gehe den richtigen Weg in der richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge – und ich denke, deshalb stolpern zu viele. Ich finde es da besser, egal ob im Leben allgemein oder bei einem bestimmten Projekt, »tu es einfach!«. Mach irgendeinen Schritt hin zu deinem Ziel, wenn du es für richtig hältst und lass das deinen Verstand öffnen. Selbst, wenn du versagst, wirst du so Dinge lernen, die dir helfen, voranzugehen. Es geht einfach darum, Dinge einfach zu machen und daraus zu lernen.

Die Chopperszene ist extrem gewachsen

Wie hat sich die Motorradszene in den letzten Jahren verändert, vor allem in Kalifornien?
Ich denke, die größte Veränderung in der Szene ist, dass sie extrem gewachsen ist. Ich denke da vor allem an die Chopperszene. Die ist für den »gewöhnlichen« Schrauber zugänglicher geworden. Es gibt mehr Wissen darüber, wie Dinge in der Vergangenheit gemacht wurden. Und es gibt mehr Leute, die Teile herstellen und jedem dabei helfen können, seinen eigenen Custom-Chopper zu bauen.

»Tu, was du willst«, Arie hat nie einen großen Unterschied zwischen Autos und Bikes gemacht, hat alles schon gecustomized. In den letzten Jahren galt seine größte Liebe aber den Harley-Choppern

In Europa ist Harley-Davidson in den letzten Jahren nicht mehr so ​​erfolgreich. Viele Biker und Schrauber wechseln zu japanischen Bikes oder BMWs. Ist es in den Staaten dasselbe?
Das kann ich nicht wirklich beurteilen, da ich noch nie dem Mainstream gefolgt bin.

Es ist gar nicht so schwer, Geld zu verdienen. Aber …

Wie schwer ist es, im Motorradgeschäft Geld zu verdienen?
Es ist gar nicht so schwer. Aber es ist super einfach, es auszugeben, das ist manchmal das Problem.

Hat dein Business dich als Person verändert?
Ja, ganz sicher!

Ein riesiger Apehanger, noch höhere Auspuffrohre. Die Panhead, die Arie hier fährt, entstand für die kalifornische Born Free Show, für die er vorher bereits eine Knucklehead gebaut hatte

Du warst mehrmals in Deutschland. Was ist der Unterschied zwischen der Szene in Europa und den USA?
Es ist schwierig, Europa als eines zu betrachten, weil es dort schon von Ort zu Ort anders zugeht. Was die Chopper angeht, so scheint mir die Szene in Deutschland, der Schweiz oder Spanien neu und jung zu sein. Vielleicht liege ich falsch, aber ich habe zum Beispiel noch nie ein deutsches Magazin aus den 60ern mit einem Panhead-Chopper drin gesehen. Das erklärt dieses Phänomen vielleicht. 

Wir führen einige Traditionen im Stile der Vergangenheit fort

In Schweden dagegen ist es zum Beispiel sehr ähnlich wie hier in den Staaten. Wir haben eine Geschichte hinter uns. Und wir haben die alten Jungs, die Urgesteine, die wir fragen können, wie es damals war. Und wir können sie um Hilfe bitten. So führen wir einige Traditionen im Stile der Vergangenheit fort. Es gibt Choppermagazine aus den 60er und 70er Jahren, aus denen wir Inspiration holen können.

Rahmen sind Aries Spezialität, sein Fundus beneidenswert. Für die eigenen Umbauprojekte werden sie an das jeweilige Projekt angepasst, nichts bleibt Serie

Ich erinnere mich, als ich 2008 mit einem Bike auf eurer CUSTOMBIKE-SHOW in Bad Salzuflen war. Die Besucher haben es nicht verstanden. Sie sagten, der Tank wäre zu klein, der Lenker verrückt, die Lackierung zu wild. Sie brauchten noch ein paar Jahre, um zu erkennen, dass es bei einem Chopper nicht um Alltagstauglichkeit, sondern um Stil geht. Aber ich denke, sie verstehen es jetzt. Bei einem Chopper geht es nur darum, etwas Cooles zu bauen.

Die Ära bis Ende der 1960er ist mein Favorit

In den letzten Jahren hast du quasi nur Oldschool-Chopper gebaut. Interessierst du dich auch für andere Stile?
Die meisten Bikes und Chopperparts, die ich baue, sind von den frühesten Jahren der Chopper bis etwa Ende der 1960er Jahre inspiriert. Diese Ära ist mein Favorit. Zu dieser Zeit gab es keinen Aftermarket. Wenn du etwas Cooles oder anderes haben wolltest, musstest du es selbst bauen.

»Ich höre nie Musik, wenn ich fahre. Ich muss immer auf den Motor hören. Das ist der einfachste Weg zu bemerken, wenn etwas schiefläuft – gerade bei den alten Bikes.«

Das sah vielleicht nicht perfekt aus, aber die wilden Ideen waren da. Später in den 70er Jahren gab es viele Aftermarket-Unternehmen, die Teile leicht zu bekommen und erschwinglich machten. Das war das Ende von echten Custom-Motorrädern. Heute sind die meisten professionell gebauten Custombikes die immer neue Kombination von den gleichen Teilen, die sich jeder, der eine dicke Brieftasche hat, kaufen kann. Das interessiert mich nicht.

Das Drehen von Schraubenschlüsseln ist nicht das, was mich erregt

Was inspiriert dich für deine eigene Arbeit an Motorrädern oder Autos?
Eine Vision! Das Drehen von Schraubenschlüsseln ist nicht das, was mich erregt. Mich macht es eher an, wenn ich sehe, wie das Bild, das ich in meinem Kopf habe sich Schritt für Schritt real zusammenfügt. Das ist »ES« für mich.

»Der perfekte Tag ist für mich einer, an dem ich die Nacht durchgearbeitet habe« sagt Arie

Wie sieht dein perfekter Tag aus?
Der perfekte Tag ist für mich einer, an dem ich die Nacht durchgearbeitet habe. An einem großen Projekt mit begrenzter Zeit. Ein paar Dinge müssen schiefgehen. Vielleicht bis zu dem Punkt, an dem ich denke, dass ich das Projekt nicht pünktlich abschließen kann. Aber du musst weiterarbeiten. Eins nach dem anderen fällt dir ein. Vielleicht gibt es dieses eine Teil, das du nicht finden oder kriegen kannst.

»Während du deine Arbeit endlich beendest, geht die Sonne auf«

Also musst du Dinge ändern oder es von Grund auf neu machen, und dieses Ding ist am Ende das Coolste an dem ganzen Motorrad. Die Zeit sitzt dir im Nacken, also musst du noch eine Nacht arbeiten. Und während du deine Arbeit endlich beendest, geht die Sonne auf. Es ist an der Zeit, die fertigen Teile zum Verchromer zu bringen. Das ist mein perfekter Tag.

Schweißen lernen auf YouTube funktioniert wohl eher nicht. Aber man kann dabei zumindest verstehen, wie es funktioniert

Welche Art von Musik hörst du, wenn du arbeitest?
Mein Freund John Wayne – er heißt wirklich so – stellt uns die Playlists zusammen. Die reichen vom Soundtrack von »Crocodile Dundee« bis hin zu »Whitey on the Moon« von Gil Scott-Heron.

»Ich muss immer auf den Motor hören«

Und was ist dein Soundtrack für eine perfekte Ausfahrt?
Ich höre nie Musik, wenn ich fahre. Ich habe normalerweise zu viel in meinem Kopf. Außerdem muss ich immer auf den Motor hören, gerade wenn ich auf den alten Bikes unterwegs bin. Das ist ein einfacher Weg, um zu bemerken, wenn etwas schiefläuft, bevor es zu einem großen Problem wird.

»Heute sind die meisten professionell gebauten Custombikes die immer neue Kombination von den gleichen Teilen, die sich jeder, der eine dicke Brieftasche hat, kaufen kann. Das interessiert mich nicht«

Was denkst du? Wie wird sich die Motorradszene in den nächsten Jahren entwickeln?
Das ist schwer zu sagen. Aber ich denke, dass diese ganzen überteuerten Fake-Custombikes aus der Mode kommen. Viel mehr Leute werden in Zukunft die Teile für ihre Bikes selbst herstellen.

»Das mag nicht jedem gefallen, es ist aber nun mal so«

Es ist heute einfacher, die Prozesse, die dazugehören, zu lernen. Mittlerweile kann man schweißen, einfache Teileherstellung oder sogar die Arbeiten an Motoren anhand von Beiträgen in Internetforen oder auf Youtube gut verstehen. Das mag nicht jedem gefallen, es ist aber nun mal so.

»Die meisten Bikes und Chopperparts, die ich baue, sind von den frühesten Jahren der Chopper bis etwa Ende der 1960er Jahre inspiriert«

Die Zeiten ändern sich. Wirst du eines Tages ein Elektrobike fahren?
Ich würde das tatsächlich mal für einen Tag tun. Vielleicht würde ich sogar ein paar Teile dafür bauen. Aber mein echter Platz wird immer der auf einem alten Motorrad sein.

Info | instagram.com/arie_vee

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.