Es ist wirklich zum heulen: An diesem Wochenende wären wir normalerweise auf der Suche nach alten Teilen über die Veterama gepilgert. Doch auch unsere Lieblingsveranstaltung ist erneut der elenden Pandemie zum Opfer gefallen. Da hilft nur, in Erinnerungen zu schwelgen …

»Bisher sind die zuständigen Behörden nicht in der Lage, uns eine Genehmigung zu erteilen oder auch nur in Aussicht zu stellen.« Das Statement der Verantwortlichen macht nachvollziehbar, warum die Veterama auch in diesem Jahr nicht stattfindet. Und selbst wenn es eine Genehmigung gegeben hätte, wären viele Aussteller nicht gekommen, wären viele Besucher enttäuscht gewesen, weil es eben nicht so wie immer gewesen wäre. Wie es immer war? Schauen wir zurück: Vom Fugger-Markt für Alteisenfreunde zum größten Oldtimer-Markt Europas – unser Mitarbeiter Horst Heiler war schon 1975 beim ersten Mal in Mannheim dabei …

Ernsts Ponton-Mercedes war noch keine zwanzig Jahre alt. Zu fünft hatten wir die Fahrt in ihm nach Mannheim unternommen. Jeder von uns schraubte an anderem Alteisen. Oldtimer? Wir sahen es so, doch streng genommen waren das einfach nur »alte« Fahrzeuge.

Der Ernst hatte gesagt, es gehe zum Fugger-Markt

Auch meine NSU-Konsul hatte noch nicht den Oldiestatus erreicht. Damals musste so ein Ding zwar nur 25 Jahre auf dem Buckel haben, aber so alt war ja kaum einer von uns selbst. Der Ernst hatte gesagt, es gehe zum Fugger-Markt … neblig war es und kalt und noch recht überschaubar. 

Nur ein paar Parts oder doch die pfundige Panhead? Schwierige Entscheidungen erfordern Rücksprache mit Kumpel und Kontostand

Die Sammler Winfried Seidel und Walter Metz steckten dahinter. Metz war Motorradsammler, Seidel eher vierrädrig orientiert. Beide hatten 1975 alle ihre Bekannten mobilisiert. Die brachten alles mit, was sie nicht brauchten, hatten alte Lager, Scheunen, Schuppen und Garagen geräumt.

Veterama heißt nichts anderes als Veteranen-Markt

Sie kamen alle mit altem Material, zum Teil schon markenbezogen vorsortiert. Zwei Jahre später hieß die Veranstaltung dann Veterama (kurz für Veteranen-Markt). Man munkelte, ein nachdrückliches Anwaltsschreiben des Augsburger Handelsadels Fugger wäre der Grund gewesen.

Wenn nicht gerade irgendeine Pandemie tobt, treffen am zweiten Oktoberwochenende mehr als 4000 Aussteller aus ganz Europa auf dem Mannheimer Maimarktgelände auf fast 50 000 Jäger und Sammler, die nach Teilen und kompletten Fahrzeugen suchen

Die Fugger hätten ihren Namen durch den Markt verunglimpft gesehen und auf Unterlassung bestanden. Nun, der neue zog auch, die Idee war ja gut … so gut, dass die Veterama auch Konkurrenz bekam. Sogar von Metz und Seidel selbst.

Frühjahrs-Veterama in Hockenheim

Die Väter des Gedankens konnten wenige Jahre später in Ludwigshafen (seit 2013 nun auf dem Hockenheimring) eine zweite Frühjahrs-Veterama etablierten. Und der Mannheimer Markt wuchs und wuchs. Er musste seit 1975 zweimal umziehen.

Es gibt nichts, was es nicht gibt. Ob man das gesuchte Teil bei dem gigantischen Angebot auch tatsächlich findet, ist oftmals Glückssache

Heute treffen am zweiten Oktoberwochenende mehr als 4000 Aussteller aus ganz Europa auf dem Mannheimer Maimarktgelände auf fast 50 000 Jäger und Sammler, die nach Teilen und kompletten Fahrzeugen suchen. Immer wieder taucht neues Altmaterial auf, aus aller Herren Länder beigeschleppt.

Das Angebot wird nicht kleiner, sondern wächst und wächst

Vieles, was früher noch rar oder unbezahlbar war, wird heute neu nachgefertigt angeboten. So gibt es wieder Reifen in klassischen Abmessungen, Gummis, Dichtungen, Auspuffanlagen, Vergaser und alt aussehende Gehäuse mit modernsten Innereien für verbesserte Alltagstauglichkeit. 

Es gibt kaum ein besseres Gefühl, als das eine Teil, das man schon ewig sucht, an irgendeinem Stand in irgendeiner Kiste zu finden

Von Anfang an kamen auch die Freunde von Eigenbauten auf ihre Kosten. Nirgendwo sonst wird eine solche Fülle an gebrauchtem Material angekarrt. Beispielsweise bieten viele Händler Reihen von gebrauchten wie neuen Chopper- und Harleyteilen an.

Größter europäischer Markt für Oldies und Klassiker

Für mich ist die Veterama nicht nur deswegen eine Pflicht, der ich gerne nachkomme. Das Treffen mit Freunden, der Kaffee, das Bierchen an deren Stand gehört genauso dazu. Was 1975 in der alten Kannenberg-Halle in Mannheim begann, gilt heute als größter europäischer Markt für Oldies und Klassiker. Und groß meint unbeschreiblich groß!

Bevorzugter Lebensraum der Metall-Wühl­mäuse sind Teilemärkte mit breit­gefächertem Angebot – von alt bis neu und von Kleinteil bis Komplettkrad

Hätte ich 2015 alle Stände der Veterama abgehen wollen, wären über 20 Kilometer zurückzulegen gewesen – keine Chance. In jeder Gasse des Ausstellungsgeländes stieß ich auf mindestens einen Bekannten. Gerade deswegen gelang es mir am Samstag nur ein Fünftel des Marktes zu schaffen.

Im nächsten Jahr sollte es endlich wieder klappen …

Vieles blieb unentdeckt und die Zeit war zu knapp. Okay, okay, nächstes Jahr wird ja hoffentlich wieder gefuggert. Dann allerdings mit Insiderticket, für drei volle Tage Veterama! Den Termin am besten schonmal irgendwo einritzen: 7. bis 9. Oktober 2022.

Info | veterama.de

 

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.