Unser Redaktionsfreund »Michi« Wegener stammt aus Hamburg und lebt heute in Kalifornien. Seine Garage ist ein Muss für uns – denn Jäger und Sammler wie er gewähren nur selten Einblick in ihr Refugium. Also, show me your Garage, Michi!

»Honey, I’m home«, Michi ruft lautstark in die Wellblechhalle. Alte Gewohnheit? Oder Vorsorge, um beim Öffnen eventuell agierende Einbrecher zu verscheuchen? Es sind keine ungewöhnlichen Geräusche zu hören. Keine Frau, keine Katze, kein Hund antwortet ihm, kein Dieb wird aufgescheucht. Alles ist noch da, wo es hingehört. Seine Schätze bestehen nicht aus Gold und Silber. Sie haben eher ideellen Wert – für ihn selbst wie für unsere Szene. Bei unseren Berichten aus der Blütezeit der Chopper hat sich sicherlich der ein oder andere schon gefragt, woher wir das denn alles wissen.

Show me your Garage, Michi!

Einerseits braucht es dazu jemanden mit entsprechendem Vorleben und einem prall gefüllten Archiv. Andererseits sind Leute an den entsprechenden Stellen nötig, die die Erinnerungen unserer Spezialisten bestätigen, aber auch Recherchen vor Ort bei den entsprechenden Personen betreiben. In Kalifornien ist unser Experte der Ex-Hamburger Michael »Michi« Wegener. Bei einem unserer Besuche im Sonnenstaat war er unser Guide. Und selbstverständlich wollten wir auch zu seiner Garage. 

Blick in »Michi« Wegeners Garage

Michi, der hier in den Staaten natürlich Mike gerufen wird, öffnet nach der Eingangstür gleich auch das Rolltor. Tageslicht erhellt die Bude. Ein zwischengeparkter deutscher Autoklassiker schränkt unsere Bewegungsfreiheit etwas ein. Michi lebt hauptsächlich vom Export solcher Wagen. In einer Ecke steht Miss Kitty, sein Triumph-Chopper – teilzerlegt auf einer Hebebühne, Ersatzteile darunter. Eine auseinandergerissene Panhead daneben auf dem Boden. Michi lässt seinen Erinnerungen freien Lauf: »Noch in der Zeit vor meiner Auswanderung fand ich bei der Rückfahrt vom Containerhafen einen kleinen Chopperladen in Wilmington. Da erspähte ich eine lange, verchromte Harley Springergabel mit doppelten AEE-Lucas-Scheinwerfern.«

Die Triumph war im Dezember 1971 Coverbike

Es war das Vorderteil eines Choppers mit Triumphrahmen und -motor. »Der Tank und der gereckte Rahmen in Candyred, sonst alles Chrom. Ein 1960er Jahre Showbike-Traum. Schnell gekauft nannte ich die Triumph Miss Kitty.« Jahre später – als eBay noch ganz neu war – suchte Michi nach alten Chopperzeitschriften im Internet. Er war total überrascht: »Auf einem Foto, das einen Stapel mit Heften zeigte, war meine Triumph. Sie war mal ein Coverbike gewesen, auf Ausgabe Dezember 1971 des Big Bike Magazins.« Zurzeit ist Michi dabei, Miss Kitty in den Zustand von 1968 zurückzuversetzen – mit kürzerer Gabel, aber immer noch mit ihrem originalen Lack. 

Covergirl: Michael Wegener bei der Arbeit an Miss Kitty. Den Chopper hatte er sich in seinen frühen Jahren in Amerika zugelegt. Später fand er heraus, dass die Triumph es Anfang der Siebziger aufs Titelbild geschafft hatte

Leider ist Michi heute nicht mehr so gut auf den Beinen. Krankheitsbedingt wurde ihm sein Bürosessel so lieb wie die Werkstatt. Für ihn öffnet das Internet die Tore hinaus in die Welt. Vintagecars und -bikes, Chopper, Hot-Rods und Musclecars kommen so in sein kleines Refugium. Michi gibt die Hoffnung nicht auf. Irgendwann wird er wieder Motorrad fahren können. Bis dahin mag er es, im Kundenauftrag Fahrzeuge aufzuspüren, zu inspizieren, sie nach Europa zu schaffen. »Mein Traum war es immer, Autos aus den USA zu holen und sie in Hamburg zu verkaufen», erzählt er. Als Erstes hatte er einen 1974er Chevrolet El Camino geholt.

Show me your Garage, oder besser: Show me your Museum

Nach missglückten Startversuchen konnte er 1984 Fuß fassen. Sein Häuschen in Los Angeles bot Platz für Autos und Motorradteile, »ich fühlte mich wie aus dem Gefängnis befreit.« Wir stehen in Michis Garage vor seiner Vitrine mit seltenen Chopperbrocken. Auch an der Wand dahinter hängt klassisches Chopperzubehör. Darüber – über eine Beistellleiter erreichbar – ein Zwischenboden gefüllt mit Kästen, Kisten, Kartons voller alter Zeitschriften. Michis Garage ist aufgebaut wie ein Shop in einem kleinen Museum. Sechzigerjahre-Folk-Rock aus dem Büro, milde Hippie-Musik, gerahmte Poster aus der Zeit machen das Ganze runder.

Revellbaukästen aus den sechziger und siebziger Jahren – Michi sammelt noch immer

Auf und in seitlichen Schränken stapeln sich alte Revell-Bausätze, Puppen und 60er-Jahre-Spielzeug dazwischen. Antike Kalender, Wimpel, Motorradkennzeichen … Fotos, teilweise auch signierte, wie das der Schauspielerin Ann-Margret, dazu seltene Ed »Big Daddy«-Roth-Drucke an den Wänden. Nichts wirkt gestellt, jedes Teil könnte Geschichten erzählen. 

»Ich habe hier interessante Leute als Nachbarn«

Nach mehreren Umzügen ist Michi in Apple Valley – in der Wüste Kaliforniens – gelandet. »Ich habe hier interessante Leute als Nachbarn. Firmen, die Schrauben verkaufen oder Motorräder restaurieren, die abends auch mal vor ihrem Shop zusammensitzen und mit den Nachbarn ein Barbecue veranstalten. Ich exportiere immer noch Autos und Motorräder, wenn Bedarf ist. Die Nachfrage brach seit 2008 stark ein. Und gottlob habe ich immer noch Teile zu verkaufen, um zu überleben.«

»Als Jäger und Sammler hatte ich schon in Deutschland gelernt, dass man nie den gleichen Weg zweimal machen sollte. Auf diese Art und Weise sieht man doppelt so viel.«

Daneben schreibt Michi Texte für Autozeitschriften, war schon 1992 Co-Herausgeber eines Automagazines namens HOP UP, das traditionelle Hot Rods im Focus hatte. Heute betreibt Michi die Website california-Route66.com und ist unter dem gleichen Namen auf Facebook aktiv. Er macht den Reiseführer, organisiert Touren und verkauft ab und an was von den Chopperteilen. Seine Garage in der »neuen Welt« gilt dem Ex-Hamburger längst als Zuhause. 

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.