Groß ist es nicht, das ehemalige Zuhause der »Suicidal Choppers« aus Lampertheim, aber es war bis unters Dach vollgepackt mit guten Menschen, Motorrädern und Geschichten.

Wenn du einmal durch die blaue Tür getreten bist, ist es schwer, wieder den Absprung zu finden. Von der Türschwelle zur selbstgezimmerten Bar sind es nur zwei Schritte, sofort hast du ein Bier in der Hand – oder wahlweise einen Eierlikör, handgemacht, unsere Frau Reuter hätte ihre Freude hier. Hoch die Tassen, wir stoßen an mit Gosche, dem Blechpatscher, Starrgabler, McGyver und dem Worschde Bernd. Jeder Spitzname erzählt eine Geschichte, auch von den vielen Kilometern, die sie zusammen abgerissen haben. Gardasee, Cannes, Tschechien, Mallorca – immer auf den Bikes, zum großen Teil knallharte und getunte Umbauten. Die »Suicidal Choppers« sind echt, keine Blender, keine Showbiker.

Ein winziger Raum beherbergt Werkzeuge, Material und die Drehbank

Im kleinen Raum verteilt stehen eine Werkbank und ein paar Motorräder, Harleys hauptsächlich. Ein weiterer winziger Raum beherbergt Werkzeuge, Material und die Drehbank. An den Wänden hängen die gerahmten Bike-Veröffentlichungen aus Motorradmagazinen und viele Bilder und Zeichnungen. »Irgendwann hat unser Bernd angefangen zu malen, einfach so«, erzählt Atze, einer aus der Gründungscrew der Suicidals. Im Jahr 2004 war das mit der Gründung, ein genaues Datum wissen sie hier nicht mehr. Freunde waren sie seinerzeit schon. Zusammen aufgewachsen, zusammen geschraubt, gefahren und »das ein oder andere Mal richtig Scheiße gebaut«, sagt Atze.

»Der eine malt, der andere kümmert sich um Elektrik, der nächste kennt sich mit Blech aus und wieder ein anderer kann mit Holz prima umgehen. Das hilft in einer Gemeinschaft«

Damals traf man sich im Eiscafé in Lampertheim, später in der Garage von Atzes Schwiegereltern in spe. Irgendwann die Trennung von der Freundin und der Verlust des Refugiums. Mittlerweile war Frank zu den Suicidals gestoßen und hat für den passenden Raum gesorgt. Im Industriegebiet der Kleinstadt hat er seine Firma, auf dem Gelände ist noch der kleine Raum im Nebengebäude frei. Dort wird Platz geschafft. Die Jungs können einziehen, etwa acht Jahre ist das her.

»Es klappt, weil keiner etwas muss«

Knapp zwanzig Leute sind sie mittlerweile, und eine erstaunlich gut funktionierende Truppe. »Es klappt, weil keiner etwas muss«, sind sie sicher. Die einzige Verpflichtung besteht darin, jeden Monat den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen, der Miet- und Unterhaltungskosten deckt. »Pflichtfahrten, Regeln, Rituale – die herrschen woanders, nicht bei uns«, zwinkern uns die Jungs mit Seitenhieb auf andere Strukturen der Motorradszene zu.

In einem winzigen zweiten Raum hat die ebenso kleine Drehbank ihren Platz gefunden, Spaß auf engstem Raum eben

Geschraubt wird nicht ausschließlich hinter der blauen Tür, einfach, weil der Raum zu klein ist. »Und manchmal«, sagt Frank, »musst du dich einfach konzentrieren. Da ist es nicht förderlich, wenn zehn Mann dabeistehen und Kommentare ablassen. Da bleibst du doch lieber in deiner eigenen Garage.« Trotzdem, jeder hier fährt ein umgebautes Motorrad, eine gewisse Harleylastigkeit hat sich in den letzten Jahren ergeben, aber auch BSA, Triumph und Intruder kamen hier schon unters Messer, »wir trauen uns an jeden Umbau ran.«

Suicidal Choppers – Die Karren werden auch gerne über die Viertelmeile geprügelt

Meist ist der Stil der Bikes rennoptimiert, die Motoren sowieso. Weil die Bande die Karren eben nicht nur über Landstraße und Autobahn, sondern auch gerne über die Viertelmeile prügelt. Fahrt mal zu den Race Days oder den Nitrolympx nach Hockenheim oder zu den Starr Wars am Glemseck. Dann werdet ihr die Jungs aus Lampertheim sicher treffen. Alternativ kann es euch passieren, dass sie auf der A6 an euch vorbeirasen.

Viel Platz zum Schrauben ist bei den »Suicidal Choppers« nicht, viele Motorräder bauen sie trotzdem. Die meisten davon auf Harley-Basis und mit ordentlich Bumms zwischen den Rädern

»Wenn dieser Moment gekommen ist, wo ein kurzer Blickkontakt mit dem Nebenfahrer ausreicht, damit die Hähne für einen Autobahnabschnitt mal kurz auf Anschlag gedreht werden«, wie Atze erzählt. Der Name »Suicidals« kommt nicht von ungefähr. Bekannt sind sie mittlerweile in ihrem Ort. Viel ist hier nicht mehr los, Lampertheim ist eine Art Vorstadt ohne Stadt, ein paar Spargeläcker und ein Badesee, mehr nicht.

Es kann schon vorkommen, dass sich im Schatten der blauen Tür 1000 Menschen drängen

Seit 2012 veranstaltet die Truppe ihr Vatertagsfest, die halbe Stadt kommt vorbei, hier ist noch was los und das Bier günstig. Da kann es schon vorkommen, dass sich im Schatten der blauen Tür 1000 Menschen drängen. Vom Erlös der Vatertagssause und kleineren Events finanzieren die Jungs ihre Touren. Das werden sie auch weiterhin so machen, allerdings nicht mehr in ihrer alten Hütte. Aufgrund des dauerhaften Platzmangels hat sich die Lampertheimer Truppe schweren Herzens entschlossen, ein neues Domizil zu beziehen. Das ist zwar nicht mehr ganz so heimelig wie das alte, aber jetzt hat’s endlich genügend Platz.

»Es klappt so gut, weil keiner etwas muss. Die einzige Verpflichtung besteht darin, seinen monatlichen Beitrag zur Garage zu leisten«

Ob man Mitglied der eingeschworenen Truppe werden kann? »Es muss passen«, sagen sie. Jeder ist willkommen, aber nicht jeder kann einfach mitmischen. Sowas kristallisiert sich mit der Zeit heraus. »Aber wisst ihr, was wirklich schön war«, sagt Atze, »als neulich der Jochen zu mir kam. Er ist unser neuestes Mitglied und hat mir erzählt, wie stolz er darauf ist, ein Suicidler zu sein.«

Info | www.suicidal-choppers.de

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.