Wer unser Magazin regelmäßig liest, der müsste Eric Parrey oder besser seine Fotos kennen. Unter seinem Pseudonym »Wild Rico« steuert der Franzose seit vielen Jahren regelmäßig Storys zum Heft bei. Was ihn antreibt? Lest selbst …

In meiner Jugend, ich bin Baujahr 1974, sah ich hauptsächlich Harleys in den Straßen. Pans, Shovelheads, Knuckles – nie hätte ich zu träumen gewagt, dass ich eines Tages selbst eine dieser Maschinen fahren würde. Zu weit weg schienen sie von meiner Realität, in der ich meinem Vater half, alte Fahrzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg zu restaurieren. Manchmal kamen Freunde meines Vaters mit ihren WLA Flatheads zu Besuch, die Berührungspunkte mit Harley-Davidson wurden größer. Einer dieser Freunde war ein Franzose, der 1944 mit seiner Flathead an der Invasion in der Normandie teilnahm. Er fuhr das Bike bis zu seinem Tod viele Jahre später.

Motormensch »Wild Rico« – Sein Weg war vorgezeichnet

Es war ein einschneidendes Erlebnis für mich, diese Treue und Leidenschaft zu erleben. Von diesem Zeitpunkt an gehörten Bikes auch zu meinem Leben, bis ich ein paar Monate später zur französischen Marine ging. An einem Wochenende, das ich bei meinen Eltern verbrachte, hörte ich, dass ganz in unserer Nähe das »Free Wheels«-Motorradtreffen stattfinden sollte. Das Meeting in Cunlhat war legendär und gehörte damals zu den größten Treffen in Europa. Ich fuhr also hin und sah große tätowierte Typen mit ihren faszinierenden Choppern. Es war endgültig um mich geschehen, ich wusste, was ich später einmal fahren wollte. Nur ein Jahr später war ich dem Traum ein großes Stück nähergekommen.

Eines von vielen Bildern, die Wild Rico für CUSTOMBIKE fotografiert hat. Unser »Easy Livin’«-Motorrmoment in Ausgabe 03-22

Ich kaufte mir mein erstes Bike, eine Harley FXR, Baujahr 1984. Ein weiteres Jahr später begann ich, die Mühle umzubauen. Zusammen mit meinem damaligen besten Freund und einem Haufen Armeeteilen – mein erstes Customprojekt. Nach dieser Maschine kamen eine 1000er Ironhead, eine Shovelhead in einem Softail-Rahmen, eine Electra-Glide Baujahr 1976, noch eine FXR, eine Evolution-E-Glide, ein Shovelhead Rigid-Chopper, eine 55er Panhead, eine 69er Shovelhead und – wer hätte es gedacht – am Ende wieder eine FXR. Diesmal nahm ich den Umbau ernsthafter in Angriff, mit dem Corbin-Warbird-Kit, Spoolhubs, interner Drossel, faszinierender Lenkung und einer Trommelbremse im Heck, ohne die ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen kann. 

»Keep Motorcycling dangerous!«

Während meiner Zeit bei der Marine entdeckte ich parallel zu meiner Motorradleidenschaft mein Interesse an der Fotografie. Als ich nach acht Jahren das Militär verließ, behielt ich das Fotografieren als Ausdrucksform für mich bei. Irgendwann traf ich die Jungs vom französischen »Wild Magazine« und ich fotografierte mehr und mehr Motorräder. Zwei Leidenschaften waren zu einer geworden. Es war klar, das ist genau meine Welt, bis heute. Es gibt für mich nichts Schöneres, als sich zwischen verrückten Chopper- und Motorradfreaks aufzuhalten. Daran ändert es auch nichts, dass ich momentan um die Welt segle, ein neuer Abschnitt meines Lebens. Aber das Fotografieren von Motorrädern und ihren Besitzern werde ich nie aufgeben, dort bin ich angekommen. Also, lebt eure Träume und merkt euch immer eins. »Keep Motorcycling dangerous!«

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.