Tobias Kircher arbeitet als Fotograf, Online-Redakteur und Klamottentester für unsere Magazine. Vorher hatte der gelernte Lichtbildner mit Mopeds nicht wirklich viel am Hut – außer gelegentlich mit seiner alten Africa Twin auf Langstrecke zu gehen. »Und, hat sich die Metamorphose zum Motormensch gelohnt, Tobi?«

Manchmal öffnen sich Türen im Leben. Türen, die einem nochmal neue Möglichkeiten aufzeigen und neue Chancen zum Greifen nahe rücken lassen. So wie bei mir. Für mich gingen die Verlagstüren auf, nachdem ich den Chef so lange belabert hatte, dass er mir lieber den Job gab, als meine penetrante Dauerbewerbung weiter über sich ergehen zu lassen. Seitdem hat sich mein eher gemächlicher Lebensfluss in den Schleudergang einer Industriewaschmaschine auf Starkstrom verwandelt.

Ich habe Heerscharen butterzarter Babys in gehäkelten Deckchen posieren lassen

In meinem früheren Leben als Porträtfotograf hatte ich Menschen vor der Kamera. Bei ihren Hochzeiten, Einschulungen und Familienfesten. Ich habe ihre Reisepässe und Bewerbungsbilder fotografiert und ganze Heerscharen butterzarter Babys in pastellgehäkelten Deckchen posieren lassen. Stopp. Irgendwann reicht das nicht mehr, lässt sich der Punkt nicht mehr verschieben, an dem man sich einfach nochmal umschauen, sich neu erfinden und fragen muss, ob es dass jetzt bis zum Ende so sein soll.

Habe mein muffiges Studio mit Benzingeruch und Gummiabrieb getauscht

Hört sich nach Midlife-Crisis an. Könnte auch so sein. Warren Buffett, seines Zeichens Großinvestor und Mäzen, brachte es einmal auf den Punkt: »Such dir den Beruf aus, den du wählen würdest, wenn du gar keinen Job bräuchtest. Würde ich keinen Job brauchen, ich würde Motorräder fotografieren. Yeah, strike.« Heute habe ich mein muffiges Studio mit der Straße getauscht, mit Benzingeruch und Gummiabrieb. Ich kann eine gezogene von einer geschobenen Schwinge unterscheiden, hechte kamerabeladen über Rennstrecken oder liege in Straßengräben und fotografiere tollkühne Zeitschriftenredakteure auf ihren fliegenden Motorrädern.

Nur in Unterwäsche bekleidet, stand ich auf einer belebten Eisbahn

Ich reibe mir beißendes Nitromethan von vorbeiröhrenden Top-Fuelern aus den Augen oder fliege zu den Custom Days nach Malle, ganz zu schweigen von seligen Bierrunden mit Schraubern und Customizern. Und neulich erst stand ich nur in Unterwäsche bekleidet auf einer belebten Eisbahn. Okay, es war Motorradunterwäsche und das Ganze war für einen Unterwäsche-Test, aber hey, erklär das mal deiner Oma. Solche und dergleichen Geschichten mehr begleiten mittlerweile meinen Arbeitstag. Natürlich hört sich das alles wesentlich cooler an, als es tatsächlich ist, denn machen wir uns nichts vor: Arbeit ist Arbeit bleibt Arbeit. Dazu ist man manchmal für Tage getrennt von Haus und Heim mit den Kollegen unterwegs, die Straßengräben sind voller Zecken und die Grenzen der eigenen Komfortzone muss man schon ganz ordentlich pushen, um allen neuen Aufgaben und Ansprüchen gerecht zu werden.

Motormensch – Gib Gas, bevor der Ritt vorbei ist

Last but not least braucht man eine liebevolle, verständige Frau. Eine, die einem die Zecken rauszupft, den Rücken freihält, wenn’s wieder auf Dienstreise geht, und die über die neuesten Flachwitze der Kollegen mitlachen kann. Auch wenn’s Liliputaner-Witze sind. 

Wenn sich dir die Chance bietet – hab den Mut, zuzugreifen. Es kann sich nämlich lohnen. Das Grinsen ins Gesicht zurückbringen. Gib Gas, bevor der Ritt vorbei ist.«