Motormensch Horst Heiler – Chopper-Schrauber seit Mitte der siebziger Jahre, BIKERS live!- und CUSTOMBIKE-Mitarbeiter seit Anbeginn und Kurpfälzer mit Herz und Sprache. Er war Veranstalter der »Special-Bike Meetings« in den Achtzigern, der »Custom & Classic Motorräder«-Bikeshows in den Neunzigern und lädt seit 2004 zum »Custom & Classic Fest« ein, wo er die Fahrer von umgebautem sowie originalgetreu restauriertem Zweiradalteisen zusammenführt.

Alle paar Jahre ändern sie sich, die Trends und Stilrichtungen in der Custom-Welt. Ständig wird Neues entwickelt und gefertigt. Schauen wir nur auf die übergroßen Vorderräder, die momentan – noch vorrangig an Bikes aus den USA – gesichtet werden. Bis zu 32 Zoll Durchmesser haben sie sich vorgearbeitet. Wie an unsichtbaren Fäden hängend und mitgezogen folgen viele Customizer zunächst irgendwelchen »neue Zeichen« setzenden Außenseitern oder Supercustomizern. Sie entwickelten Ideen weiter und lassen sie in ihren Kreationen einfließen. Nur weg vom Alltäglichen!

Irgendwann kann man diese Extremauswüchse nicht mehr sehen

Jawohl, obwohl wir in einer (von der »normalen«  Motorradwelt einigermaßen) abgeschotteten Nische agieren, gibt es auch hier – zumindest für uns, die wir selbst schrauben oder darüber schreiben – das Gewöhnliche: Banal und langweilig. So empfand ich es bei dem sich kontinuierlich fortsetzenden Breitreifentrend für Hinterräder. Das war bis heute ein lohnendes Geschäft für Shops und Werkstätten. Aber irgendwann ist man einfach satt, kann diese Extremauswüchse nicht mehr sehen. Ich kann mich gut daran erinnern, während der Bike Week 2003 in Daytona mit einem der Top-Customizer aus Deutschland über ein Projektbike von Performance Machine (PM) geredet zu haben.

Horst war quasi schon im Mutterleib vom Chopper-Virus infiziert. Hier ein Bild von 1989 mit seiner NSU

Was hatte ich geschwärmt von dieser Starrrahmen-Sportster mit ihrem schlichten, schmalen Hinterrad. Ich fragte nach seiner Meinung über dieses von der Trendnorm abweichende Motorrad, das sich an den Wurzeln der Custombikes und der firmeneigenen Historie orientiert hatte: »Ganz nett …«,  meinte er, »aber wer will schon so ein schmales Hinterrad haben?«  Was der gute und äußerst geschäftstüchtige Mann nicht sehen wollte: Es waren längst schon weitere Anzeichen für eine radikale Kehrtwende auszumachen. Die jungen Nachwuchsschrauber in den USA waren nicht mehr gewillt, die in astronomische Höhen abgedrifteten Preise für immer aufwendiger gefertigte Customparts zu zahlen. 

Ich verstand die Custom Welt nicht mehr …

Sie erinnerten sich daran, wie ihre Väter und Großväter ihre Bikes umgebaut hatten. Mit minimalen Mitteln – »Old School«  eben! Was habe ich mich an den ersten Bikes von Billy Lane ergötzen können! Dann folgten unsäglich viele missratene Nachahmungen. Ich verstand die Custom Welt nicht mehr. Selbst Billy, der damals schnell als neuer »Custom-Guru« gefeierte Schrauber, war sich nicht zu schade, immer wieder in die gleiche Kerbe zu hauen. Paaah – what a fuck! Im Namen von Ol’skool schien es nun cool zu sein, jedes nur erdenkliche Schrottteil an ein Bike anzuschrauben. Hauptsache rostig! Ein Kurs, an dem sich auch heute noch einige orientieren. Das ist beileibe nicht meine Richtung. 

Ein retrospektiver Trend gibt ihrer Beharrlichkeit recht

Wenn einer selbst Custombikes baut, entwickelt er manchmal »nur für sich selbst«  einen Stil, der absolut nichts mit dem zu tun hat, was momentan für die Kunden gebaut wird. Kunden sehen diese Beispiele allerdings auch und schnell kann der Trend in die gleiche Richtung gehen. Es gibt aber auch Schrauber, die – allen finanziellen Verlockungen zum Trotz – schon immer ihrem Stil treu geblieben sind. Nun gibt ein retrospektiver Trend ihrer Beharrlichkeit recht. Das Revival der Eisenkopf-Sportster und Starrrahmen-Triumphs resultiert aus dieser Bewegung: Back to the roots! Ich selbst habe meine Custom-Wurzeln nie ganz verkümmern lassen, schraube neben Harleys auch noch an NSUs herum.

Motormensch Horst Heiler – Irgendwann war ich übersättigt

Meinen NSU-Konsul-Chopper hab’ ich auch mal wieder überholt, um ihn im Stil der frühen siebziger Jahre wieder auferstehen zu lassen. Diese Richtung war mir vorgegeben. Zu sehr hatte ich mich in den letzten Jahren mit der Geschichte der Chopper beschäftigt. Aus der intensiven Durchforstung unserer Historie erwuchs so manche Story und es kam zu Kontakten und Freundschaften mit Leuten, die mir während meiner Lehrzeit als große, unerreichbare Idole erschienen. Ich hatte in all den Jahren an meinen Bikes viele Baustile verwirklicht, war bei der Entwicklung und Herstellung von Customparts beteiligt und habe so manche Trends mitgemacht. Diese Trends vielleicht durch meine prägnanten Storys in diversen in- und ausländischen Magazinen sogar initiiert. Aber irgendwann war ich übersättigt.

Die Flucht nach hinten war der logische Schritt

Für mich selbst war eines Tages die Flucht nach hinten der logische Schritt. Weg von der Custom-Front, ein Rückzug, der mir Ruhe brachte, der mir die Sicht für unsere eigene Historie freimachte. Meine eigenen Projekte? Okay, lasst es mich einmal so sagen: »Eine gute Prise Harley-Davidson-Salz und Indian-Pfeffer würzen nicht nur meine bekannt deftigen Eintöpfe, die, kontinuierlich und ruhig auch mal mit einer langen Gabel gerührt, vor sich hin brabbeln! Bei den hinteren Gummis habe ich es am liebsten nicht breiter als fünf Zoll und vorne will ich nicht mehr als 21 Zoll im Durchmesser sehen. So, nun wäre das auch gesagt!

Lange Zeit waren wir ein kleiner Haufen, der eher belächelt wurde

Die Rezepte wie auch die Zutaten für meine Kräder stammen aus meiner Jugend, aus Vaters und Opas Tagen. Ich weiß, ich bin nicht alleine. Doch lange Zeit waren wir ein kleiner Haufen, der eher belächelt als ernstgenommen wurde. Auch das war gut so! Nun beobachte ich aber, dass man solche Bikes mit Vorliebe auf Shows und in Magazinen zeigt. Gefällt mir das? Einerseits ja … aber gerade, weil solche Mopeds für mich eine Art Refugium bilden, hoffe ich, dass dies ein kurzlebiger Trend und nicht Mainstream werden wird. Ich bin halt lieber altmodisch als trendy …

 

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.