Eigentlich hätte nach der zwei Jahren Corona-Pause Mitte März endlich wieder Harley & Snow stattfinden sollen. Doch diesmal hat kein Virus das Event gestoppt …

Vielmehr finden die Veranstalter in Südtirol aktuell keinen Skihang mehr, der Motorräder zum Hillclimb willkommen heißt. Wirklich schade, denn diese Veranstaltung hatte schon einen sehr hohen Spaßfaktor. Hoffen wir also, dass es nächstes Jahr wieder klappt und trösten uns derweil mit einem Blick zehn Jahre zurück, als das erste Harley & Snow stattfand.

White Lightning: Mit der Rohrrahmen-Buell zum Hillclimb – mega!

Manchmal finden wir Custombiker Wintersport doch irgendwie ganz gut. Zumindest wenn er auf zwei Rädern betrieben wird. Und so machten wir uns auf nach Südtirol, wo einem uralten Sport eine ganz neue Facette verpasst wird. Hillclimb und Harley – eine historisch untrennbare Verbindung aus Sport und Motorrad. Kein Berg war für die »Kings of Hills« zwischen den 30er- und 50er-Jahren zu hoch, zahllose Fotos der Gipfelstürmer auf ihren methanolbetriebenen ohv-Maschinen, vor allem Marke Harley-Davidson, aber auch Indian oder Excelsior, erzählen die Storys der mutigen Sportler.

»Hillclimb war rohe Gewalt«

Dragrace in der Vertikalen, oft mit Steigungen von 45 Prozent am Berg, viele Unfälle und Abstürze, ein wagemutiges Unterfangen. »Hillclimb war rohe Gewalt«, so erklärte es zum Beispiel Oluf Zierl, der große Harley-Chronist. Es bedurfte starken Materials, um am Berg zu bestehen. Die schiere Kraft der V2s war es seinerzeit, die das Publikum fesselte.

Weicher Schnee bei fast 20 Grad: Stollenreifen und spezielle Spikes sind gestattet. Und wenn die Anfangsgeschwindigkeit passt, ist die Chance groß, den Berg zu erklimmen

Entweder jubelten sie, wenn das Motorrad samt Fahrer es schaffte, die steile Strecke zu erklimmen und die Bergkuppe zu überwinden oder die Augen waren schreckgeweitet, wenn der Fahrer auf halber Strecke die Kontrolle über das bockende Bike verlor, sich die Maschine überschlug und polternd ins Tal in Richtung der entsetzten Zuschauermenge schoss, ohne große Sicherheitsvorkehrungen. Die Blütezeit des Hillclimb ist heute vorbei, wobei vor allem die Harley-Historie die Erinnerung an die alten Recken hochhält und der Blick auf die uralten, vergilbten Fotos immer noch Laune macht.

Harley & Snow feierte vor genau 10 Jahren Premiere

Und dann kommt etwas ganz Überraschendes auf den Schreibtisch unserer Redaktion geflattert. Ein Hinweis auf ein Ding in Südtirol. Was wir lesen, lässt uns direkt die Koffer packen, es ist Zeit für einen Winterabstecher. Daniel heißt der Mann, der geschrieben hat. Er ist für den offiziellen Harley-Vertragshändler in Bozen in Südtirol tätig und plant dort etwas, was bemerkenswert ist. Hillclimb, gerne auf Harley – im Schnee.

Derart ausgerüstet, wird das Bike auch im Schnee zum Gripmonster

Im März 2013 steigt nach langer Vorbereitungszeit »Harley and Snow« auf der Skipiste in Ridnaun in der Nähe von Sterzing. Das Event verbindet den uralten Motorradsport mit einer Winter-Wunderlandschaft und fesselt seine Zuschauer genauso, wie es die Helden Sprouts Elders oder Joe Petrali vor 80 Jahren taten. Wir nehmen uns da nicht aus, wir sind fasziniert.

Die Königsklasse bei diesem Hillclimb ist die »Harley-Class«

Gestartet wird in drei Kategorien. In der ersten, der »All-Bikes-Klasse«, treten die Crosser und Hillclimbing-Bikes von 50 bis 1800 ccm an – die Marke spielt hier keine Rolle. Die zweite Klasse, die Königsklasse, ist die »Harley-Class«. Hier beweisen sich Flatheads, Pans und Shovels, aber auch moderne V-Twins jeglicher Bauart. Die dritte Klasse gehört den Eigenbauten, hier ist eine Menge möglich.

»Um im Schnee zu bestehen, sind Modifikationen erlaubt und notwendig«

Um im weichen Schnee zu bestehen, sind Modifikationen erlaubt und notwendig. Spezialreifen, Schneeketten und Spikes werden aufgezogen. Selbst gebaute Spikes sind aus Sicherheitsgründen allerdings verboten, genauso wie Schrauben, Nägel oder Schaufelräder. Die Bikes dürfen außerdem eine Gesamtlänge von 2500 mm nicht überschreiten. Wer also meint, durch eine extralange Schwinge Meter zu machen, wird enttäuscht.

Harley & Snow – Keine Leitungsbegrenzung in der Harley-Klasse

Dagegen ist zumindest in der Harley-Klasse eine Leistungsbegrenzung nicht vorgesehen, was den einen oder anderen V-Rod-Fahrer auf den winterlichen Plan ruft. Und dann fällt der Startschuss, jeder gemeldete Fahrer darf sein Glück versuchen. Es ist ein Spektakel: Die Männer auf den Crossern sind kaum zu halten und hämmern gepflegt den Berg hinauf. Auch bei den Eigenbauten ist richtig Feuer drin: Snow-Racer-Triumph gegen modifizierte R1, die Fahrer hängen am Hahn, dass es eine Freude ist.

Wenn sich das Hinterrad erstmal einzugraben beginnt, ist der Spaß schnell vorbei

Allerdings empfehlen wir, auch Flugnoten zu vergeben. Abstiege sind an der Tagesordnung. Dann die Harleys, die erwartungsgemäß mit mangelnder Startgeschwindigkeit zu kämpfen haben. Und trotzdem, wenn sich die alte WLA den Berg hinaufprügelt, dann sind wir völlig dabei und ganz viel von altem Hillclimb-Feeling wirbelt durch den Südtiroler Schnee. Es ist eine große Nummer für alle.

Info | raceandsnow.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.