Alle zwei Jahre Mitte September findet im Allgäuer Bernbeuren das Auerberg Klassik statt. Wer röhrendes Alteisen in Aktion erleben will, ist dort goldrichtig – egal ob als Zuschauer oder hinterm Lenker. 2021 wäre es also wieder so weit gewesen, aber aus hinlänglich bekannten Gründen haben die Veranstalter direkt auf nächstes Jahr verschoben. Also erfreuen wir uns nochmal am Rückblick auf die letzte Sause …

Die Premiere 2017 ­hatte ich in den Sand gesetzt. Vielmehr mein Rücken. Ausgerechnet beim Aufbocken meiner NSU Lux, die ich am Auerberg fahren wollte, fuhr mir ein Hexenschuss rein. Zwei Jahre später ist der Rücken lange wieder fit, meine Lux aber wird von Bernbeuren verschmäht.

Möglichst viele Perlen sollen starten

Sie haben ja recht, die Veranstalter. Um es für die Zuschauer möglichst interessant zu machen, achten sie darauf, dass in den sechs Klassen von Vorkriegsmotor­rädern bis zu Youngtimern bis 1979 möglichst viele Perlen an den Start ­gehen, die optisch, historisch und auch akustisch das Zeug zur Verzückung ­haben. Da macht die Lux als Massenmotorrad aus den Fünfzigern allenfalls historisch einen Stich. Fast 80 000 Mal wurde sie bis 1956 gebaut – und war am Ende des Tages im 210 Maschinen umfassenden Starterfeld im Allgäu kein einziges Mal vorhanden.

Mehr als 200 Fahrer aus sieben Nationen waren am Start, zwei kamen sogar aus den USA und aus Japan

Ich musste mich also nach einem Startmotorrad umschauen. Zu Hilfe kam mir Ingo Fabek, der in seinem Oldtimer-Fachbetrieb Classic Concepts in Willich seit 1994 klassische Fahrzeuge restauriert und sich vor allem auf die Herstellung von Aluminiumkarosserien spezialisiert hat. Auch allerhand Motorräder hat er rumstehen und bot mir seine zum Cafe Racer ­modifizierte BMW R 60/7 an.

BMW R60/7 Racer statt NSU Lux

Im Grunde ist die R 60/7 ein ödes Behördenkrad, das fast ausschließlich im Polizeibetrieb lief – angesichts der Fahrleistungen damals sicher ein Fest für Ganoven … Emotional aber ist Ingos Kiste umso bedeutungsschwerer, war sie doch das Motorrad, mit dem sich sein Vater anno dunnemals seinen Traum vom Motorradfahren erfüllt hatte. Auf ihr hatte Ingo die Welt zum ersten Mal als Sozius betrachtet – eine nicht ­folgenlose Episode.

Fahrerisch anspruchsvoll wird der Auer­berg vor ­allem im oberen Teil, wo vor der Ziellinie zwei 180-Grad-Kehren auf die ­Fahrer warten – hier zu sehen bei der ge­meinsamen Abfahrt

Die Veranstaltung am Auerberg ist kein Rennen, sonst hätte die enga­gierte Crew rund um den gebürtigen Bernbeurer Hermann Köpf von den ­Behörden niemals das Go für ein Revival bekommen. Bis 1987 war sie 21 Mal in Folge als echtes Rennen ausgetragen worden.

Jeglichen Rennambitionen im Keim ersticken

Heute ist sie eine Gleichmäßigkeitsfahrt, bei der es drauf ankommt, die Wertungsrunden in möglichst eng beieinander liegenden Zeiten zu fahren. In diesem Jahr ­verzichtete man sogar aufs Veröffentlichen der Zeiten, um jegliche Rennambitionen von Anfang an im Keim zu ersticken.

Auf fremder Strecke und fremdem Material hielten sich meine Ambitionen in Grenzen

Mit fremder Maschine und ohne Streckenkenntnis waren meine eher gering, es ging ums Aufsaugen der Stimmung, ums Genießen der ­Atmosphäre und ums Erleben fast ­eines ganzen Jahrhunderts Motor­radhistorie in Aktion. Wie attraktiv das sein kann, bewies das aus sieben Nationen bestehende Fahrerfeld, sogar aus Japan und den USA waren Starter angereist.

Der älteste Fahrer war 84 Jahre jung

Nicht nur bei den mehr als 10 000 Besuchern ­waren sämtliche Alterklassen vertreten: Der älteste Fahrer war 84, manch anderer hätte sein Urenkel sein können. Auch 13 Frauen waren als Selbstfahrerinnen am Start.

All die Motorräder stammen aus Zeiten, als man sich um Abgase noch keinen Kopf machte. Dementsprechend lang war die ein oder andere Fahne, die die Starter ­hinter sich her zogen

Weil der Auerberg eine Sackgasse ist, hatten wir alle während der Warte­zeiten auf Auf- und Abfahrten mehr als genug Zeit, Kontakte zu knüpfen, zu fachsimpeln und die Maschinen der „Konkurrenz“ ausgiebig zu bestaunen. Und auch als Zuschauer kann man kaum näher dran sein.

Info | auerberg-klassik.de

 

Guido Kupper
Redakteur bei CUSTOMBIKE

Guido Kupper, fährt praktisch seit seiner Geburt in grauer Vorzeit Motorrad, hat mit dem Schreiben aber erst angefangen, als er schon sprechen konnte. Motorisierte Zweiräder hat er nur acht Stück zur Zeit, Keller und Garagen sind trotzdem voll. Sein letztes Ziel im Leben: Motorrad fahren und mal nicht drüber schreiben