Mal wieder was aus dem Archiv, um den Winter zu überbrücken. Und vielleicht einen Trip für diesen Sommer zu planen, egal mit welchem Gefährt. Wer immer noch denkt, dass maximaler Spaß von maximalem Hubraum abhängt, hat was verpennt. Fünf Jungs mit ihren China-Kreidlern auf dem Weg zum Wheels & Waves an den Atlantik …

Zum »Wheels and Waves« nach Biarritz sind viele gefahren. Auf Starrrahmen-Harleys, auf BMW-Scramblern, auf Custom-Choppern. Alle Trips waren cool und schön und trallala. Und hier zeigt sich mal wieder, dass es eigentlich egal ist, auf welchen Mopeds man solch einen Trip durchzieht – Hauptsache man tut es.

Wild and Free zum Wheels and Waves

So kam uns der Anruf unseres Freundes Niels-Peter Jensen gerade recht. Als der uns nämlich erzählte, dass er und ein paar Freunde mit fünf Kreidlern nach Südfrankreich wollten, war die Story gebongt. Unter dem Motto »Wild and Free« würde die Tour stehen, erzählte Niels uns. Dass das Ganze eigentlich eine Schnapsidee war, erfahren wir später. 

Niels-Peter Jensen war die treibende Kraft hinter der »Wild and Free«-Tour, aber auch ein Macher wie er ist nur so gut wie seine Mitstreiter

Das Wheels and Waves steht schon lange auf Niels Plan und ein Herz für die kleine Mopeds hat er auch. So wächst in ihm die Idee, ein paar Freunde zusammenzutrommeln und die Firma Kreidler um ein paar Bikes zu bitten. Tatsächlich bekommt er fünf 125er Dice für die Tour. Bedingung: Umbauen und schöne Bilder mitbringen. Geht klar, die Mitfahrer sind dann auch schnell gefunden.

Fünf Jungs, fünf Kreidler, ein Ziel: Wheels and Waves

Der Hamburger Lackierer Danny Schramm soll dabei sein, dazu Anthony Partridge, der unter seinem Pseudonym Matt Black bereits für den Yamaha Yard Built geschraubt hatte. Komplettiert wird die bunte Truppe von Mo und Fabi, mit denen Niels oft in seiner Heimat Hamburg unterwegs ist und mit denen er schon immer mal eine längere Tour fahren wollte.

Mit im Spaßboot saß zum Beispiel der Hamburger Lackkünstler Danny Schramm, über den Niels sagt: »Ihn habe ich auf unserer Tour endlich richtig kennengelernt.« Abenteuer schweißen zusammen

Es mangelte bei den Freunden meistens an Geld und einem eigenen Bike, weshalb die große Tour immer wieder scheiterte. Mit dem Rückenwind von Kreidler sieht das diesmal besser aus. Bevor es aber on the road gehen kann, steht die Arbeit. Gerade mal zwei Wochen Zeit bleiben, um die kleinen 125er in amtliche Custombikes zu verwandeln.

Durchgeschraubt – ohne viel Kohle, aber mit Bock auf die Nummer

»Wir haben das wie früher gemacht«, erzählt Niels über die vierzehn Tage in der Werkstatt, »mit einfachen Werkzeugen, ohne viel Kohle, aber mit Bock auf die Nummer« Die Jungs stellen einen Wohnwagen vor die Werkstatt, in der geschraubt wird. Irgendwo muss ja ein auch geschlafen werden.

Mit auf der Reise waren Niels’ Freunde Fabi van Houton …

»Ein bisschen sollte alles so sein, wie damals mit 16 Jahren, als wir die ersten Bikes geschraubt haben.« Und so plant er auch den gemeinsamen Trip, »zusammen fahren, an ein paar coolen Spots anhalten, wo wir surfen, skaten oder BMX fahren können.« Rebellisch und cool ist doch das Beste, einfach so wie früher.

Alles, was sonst noch Räder hat, mit einbeziehen …

Und es soll das verbinden, was die Customszene sowieso schon seit ein paar Jahren spürt. »Es geht oft nicht mehr nur ums Moped fahren, sondern auch darum, alles, was sonst noch Räder hat, mit einzubeziehen. Gerade für die jungen Typen ist das doch einfach geil«, sagt der »Alte«, der ebenfalls für jeden guten Scheiß zu haben ist. Die Bikes werden pünktlich fertig, die erste Testfahrt wird über tausend Kilometer lang.

… und Mo, der 2014 den »Young Guns Custom Award« gewonnen hatte

Anfang Juni startet die Truppe auf den einzigartigen Kreidler-Customs von Hamburg aus an die französische Atlantikküste. Sie können erst kurz nach 18 Uhr losfahren, einer der Männer hatte vorher noch eine wichtige Prüfung abzulegen. Aber die Mittsommernächte sind lang und der Weg das Ziel.

Mit 110 Sachen bis tief in die Nacht

Und so wird gefahren bis in die Nacht, mit 110 km/h, denn da ist bei der 125er Schluss. Eine zweite Grenze zieht der immer wieder einsetzende Regen. »Nach all den Stunden auf dem Bike, nachts und im Regen, da hast du einfach irgendwann keine Lust mehr«, sagen die Männer.

Komplettiert wurde die bunte Truppe durch den Customizer Anthony Partridge, alias Dr. Matt Black. Dass alle Jungs auf umgebauten, zu ihnen passenden Kreidlern fuhren, machte die Sache rund

Am Ende wird es von acht geplanten Tourtagen vier Tage regnen, von 3200 Kilometern gesamt werden die Jungs 1600 auf eigener Achse fahren – eine respektable Bilanz und mehr, als so manche Trailerqueen in einem Sommer schafft. Viele Stopps unterwegs sind außerdem nötig, tanken, essen und schrauben, das kennt jeder, der fährt.

Nach drei Tagen auf der Straße kommt die Truppe in Biarritz an

Der Trip schweißt aber auch zusammen. »Du lernst die Leute nochmal neu und besser kennen, wenn du auf diese Weise unterwegs bist. Das kann nichts ersetzen«, sagt Niels. Nach drei Tagen auf der Straße kommt die Truppe in Biarritz an, die Quintessenz des Treffens offenbart sich schnell.

Irgendwo anhalten, irgendwelchen Quatsch machen. Niels gab nicht nur der Kreidler die Sporen, sondern war auch auf dem BMX oder in den Wellen des Atlantiks zu sehen

Sie dürfen mit ihren kleinen Customs im Infield des Geländes stehen. Es bestätigt, was uns später alle erzählen, die auf dem Wheels and Waves zu Gast waren. Hier ist es egal, wer du bist und was du fährst. Und das empfindet jeder als wohltuend, der auch die andere, die arrogante Seite der Szene kennt. Aber auch die findet sich ja längst auch in der ein oder anderen Ecke von Biarritz …

Der Nebel ist zu dicht fürs Punk’s Peak Race

Auch am »Punk’s Peak Race«, dem Sprintrennen im Hinterland wollen die Männer teilnehmen, stehen mit ihren Bikes an der Startlinie. Keiner, der darüber irgend ein negatives Wort verlieren würde. Everybody welcome! Doch der Nebel ist zu dicht, der Nieselregen zu gefährlich. Die Rennen in Biarritz finden in diesem Jahr nicht statt, abgesagt, aus Sicherheitsgründen.

Freund Mo ist sowieso ein begnadeter Skater und Surfer – die Kulturen vermischen sich weiter

Und so suchen unsere Jungs sich andere Spielwiesen, prügeln die 125er durch die Wälder, stürzen sich ins Meer, surfen auf dem Sand und lassen die BMX-Bikes in der Halfpipe rotieren. Alles, wie es soll, die Suche nach dem perfekten Moment. Den hat Kreidler mit der Dice leider verpasst und das Modell, dass ja irgendwie an die selige Zweitakt-Florett RS erinnern soll, vom Markt genommen.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.