Kuba. Wie wär‘s? Paar alte Freunde treffen, ein bisschen zusammen rumfahren, mit der eigenen Harley? Schrauben, wenn‘s sein muss? Ja, so machen wir das.

Am Anfang ist es nur so eine Idee, die man hat, wenn man zusammensitzt, einen Rum mit coffeinhaltiger Brause mischt, ein bisschen Limette dazu spritzt, eine Zigarre zum Schmurgeln bringt und aus den Boxen Lieder von Liebe, Rum und Liebe funkeln. Einen guten Kontakt nach Kuba gibt es schon lange: Unser Mann für die richtig alten Eisen, Paul, hatte vor knapp 20 Jahren Sergio Morales kennengelernt und immer mal wieder besucht.

Ein Koffer reicht nicht – Mit der Harley nach Kuba

Pauls Erzählungen von den Harleys auf Kuba, den Treffen, Sergios Werkstatt, den Drinks und dem Wetter führen dann zügig zu der Frage, wie es wohl wäre, nicht nur mit einem Koffer nach Havanna zu reisen, sondern auch noch ein Motorrad dabeizuhaben. Oder zwei: eine mit Flathead-Power modifizierte 1947er Knucklehead und eine weitgehend originale 1948er Panhead.

Kuba. Für den, der nie dort war, steht er schon da, der Seitenwagen voller Erwartungen: Sonne, lässige Musik, alte Männer mit guter Laune, ein Meer von Mojitos. Wenn da nicht die Knucklehead wäre …

Zwei alte amerikanische Motorräder für zwei Wochen in ein Land einführen, in das seit 1960 keine amerikanischen Motorräder mehr eingeführt wurden, das ist eine echte Herausforderung für die Damen und Herren vom Flughafen-Zoll. Und spricht sich schnell herum auf der Dienststelle. Was das Personalaufkommen an unseren Kisten deutlich erhöht. Vor allem müssen jetzt auch die höheren Dienstgrade ran. Es klingt ja auch zu ominös, dass da ein paar Typen aus Deutschland kommen, die ein bisschen in Kuba herumfahren wollen, mit Motorrädern, die genau so aussehen wie die, die es hier sowieso gibt.

Schlaglöcher füllen sich blitzartig mit Wasser

So was kann man als gründlicher Beamter nicht auf die Schnelle entscheiden. Nach ein, zwei weiteren Stündchen Zeitvertreib auf der Zulassungsstelle nehmen unsere Motorräder, geschmückt von einheimischen Nummernschildern, Kontakt mit dem kubanischen Verkehr auf. Und schon die ersten Kilometer auf Havannas Straßen machen uns klar, dass wir tatsächlich auf einer Testfahrt sind. Als plötzlich tropischer Regen vom Himmel trommelt, füllen sich die Schlaglöcher blitzartig mit Wasser und werden mehr oder weniger unsichtbar.

Urlaub mit dem eigenen Fahrzeug ist kompliziert. Einfuhr, Abnahme zur Teilnahme am Straßenverkehr und Zulassung verschlingen viel Zeit und Nerven, sind aber prinzipiell möglich

Kubanische Autobahnen haben ihren eigenen Reiz. Wenig Autos, viele Schlaglöcher. Und Platz genug für unsere beiden Maschinen und Ernestos Panhead. Auf dem Standstreifen Schaulustige, Händler, eine Reisegruppe, die vermutlich auf den Linienbus wartet, den wir vor drei Meilen beim Reifenwechsel überholt haben. Das Ziel heißt Viñales, tief in der Tabakregion. Eine Landschaft wie aus dem Kitschfilm.

Erbauliche Revolutionsparolen auf handgemalten Riesenplakaten

Im Zusammenspiel mit dem Gewitterhimmel, der von gleißenden Sonnenlöchern durchbohrt wird, wirkt alles völlig übertrieben. Im Meilentakt verkünden El Lider und sein Kumpel Che erbauliche Revolutionsparolen auf handgemalten Riesenplakaten oder Hauswänden. Der nächste Tag sieht uns über Schotterpisten prötteln, durch Dörfer, die aus der Zeit gefallen sind, vorbei an Menschen, die uns freundlich nachstaunen.

Der Zauber von Havanna. Ein paar alte Freunde treffen bringt uns mitten in den kubanischen Alltag. Entschleunigung. Schauen, was der Tag bringt. Der Plan: kein Plan

Der Weg zurück nach Havanna holt uns in die Realität zurück. Bauern, die auf Ochsenkarren Zuckerrohr durch die Gegend chauffieren, US-Oldtimer, die offensichtlich nur noch von Luft und Liebe zusammengehalten werden, und eine Knucklehead, die nicht mehr richtig läuft. Der hintere Zylinder hat Aussetzer, verabschiedet sich schließlich ganz aus dem laufenden Betrieb. Sergios Werkstatt – eigentlich eine Garage, über der er wohnt – ist jetzt erstmal unser Zuhause. Der Grund für das Zylinderzicken der Knucklehead muss gefunden werden. Schrauben bei Sergio heißt Schrauben auf der Straße. Immer wieder bleiben Passanten stehen, Nachbarn mischen sich ein, Harlistas kommen vorbei, in besten Momenten stehen über zehn Menschen um die Knucklehead.

Sergio fischt reichlich Rostschmodder aus dem Tank

Alle Tricks werden probiert. Die Welle der Zündung wird gedengelt, Sergio fischt mit einer Magnetangel reichlich Rostschmodder aus dem Tank. Der Vergaser wird zerlegt, gereinigt und durchgepustet. Mit einem geradezu herzzerreißend altersschwachen Kompressor. Umsonst, die Knuckle will nicht. Wie soll es weitergehen? So ein bisschen Klischee wollen wir schon noch mitnehmen: einen Daiquiri in Hemingways Stammkneipe, älteren Herren lauschen, die Lieder von Liebe und Rum singen.

Das Leben findet draußen statt. Auch das Schrauben. Unsere Knuckle lässt das Spratzen nicht. So frickeln wir täglich, freundlich beleuchtet von Kubas Sonne. Die Werkstatt bleibt dunkel. Und kühl. Perfekt für die Pausen

Billy fragt nach, ob wir nicht ein bisschen Ablenkung bräuchten, er könne uns mit seinem knallgelben Bel Air rumfahren, ein paar nette Termine klarmachen. Wir müssten nur sagen, was wir wollten. In einer Art Umlaufbahn um Havanna besuchen wir also eine Hinterhofwerkstatt, in der amerikanische Schlitten für Rennen fit gemacht werden. Außerdem Billys Kumpel in einer Karosseriewerkstatt. 

Auch in Kuba ist in den Reifen einer Harley Luft

Wenn man weiß, dass Ernest Hemingway gern dort war, ahnt man schon – es hat was mit Fisch, Schreiben oder Alkohol zu tun. Um genau zu sein: es ist die Bar La Floridita. Die selbsternannte Wiege des Daiquiri. Kann man sich einfach nicht entgehen lassen, wenn man schon mal da ist. Mit der Knuckle auf dem Anhänger von Sergios Flatheadgespann und der Panhead rollen wir bei der Zulassungsstelle vor. Wir müssen ja unsere Nummernschilder wieder abgeben. Höhepunkt des Surfens über bürokratische Hindernisse: die Reifen unserer Harleys – was da drin sei? Luft? Das geht nicht. Die Luft muss raus – zu gefährlich. Da biste platt. Aber dann doch: Abflug.

Und plötzlich endet die Straße – in einem Traum. So wie bei unserem Ausflug nach Viñales. Da fragt man sich dann schon: ist das alles wahr? Oder fahren wir gerade mitten durch einen Kitschfilm über Kuba?

Kuba. Gesegnete Insel, angenehm abgekoppelt vom Rest der Welt. Nur per Musikvideofernsehen schwappen Botschaften vom schnellen, oberflächlichen Glück in die Köpfe. Sonst aber treffen wir nur unverdorbene, freundliche Menschen, nie fühlen wir uns belästigt oder bedroht. Wenn Uniformen ins Spiel kommen, wird es gern ein bisschen unlogisch und leicht paranoid in der Angst vor der Konterrevolution. Wer Schlaglöcher nicht als Feind sieht und der Meinung ist, dass Sicherheit weniger mit TÜV-Plaketten als mit Rücksichtnahme zu tun hat, der kann auf dem Motorrad in Kuba eine rundum genüssliche Zeitreise durchführen.

Mit der Harley auf Kuba zwischen Amischlitten durchschlängeln

Kuba. Erfrischender Anschauungsunterricht hinsichtlich der Frage, was man wirklich braucht. Ja, da ließe sich vieles verbessern, jedenfalls materiell. Ob das Zusammenleben dadurch besser würde? Und ob es dann noch genug 50er-Jahre-Amischlitten gibt, zwischen die man sich mit seiner Harley durchschlängeln kann?  

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