Wir alle tragen ein Gen in uns, das mit Leidenschaft und Zuneigung verbunden ist. Das uns lehrt, was Kultur auf zwei Rädern bedeutet, wie wir sie erhalten und pflegen. Und es gibt eine gute Nachricht: Das Gen ist vererbbar – willkommen bei den Cycle Zombies, der wohl berühmtesten Customfamilie der Welt.

Wir stehen in einer Wohnsiedlung  in Huntington Beach, die Luft riecht frisch und salzig, das Meer ist gerade mal 800 Meter von uns weg. Vor uns steht eine Skate-Rampe auf dem Bürgersteig, zwei blonde Jungs schrabbeln mit ihren Boards darüber.

Cycle Zombies – oder auch: Familie Stopnik

In unserem Rücken geht ein Garagentor weit auf und ein Sammelsurium an Motorradteilen und alten Harleys kommt zum Vorschein. Um uns herum wuseln Menschen, lachen und quatschen wild durcheinander, bis einer die Oberhand gewinnt: »Hallo, ich bin Big Scott. Willkommen bei meiner Familie.« Unser Abstecher führt uns ins Herz kalifornischer Fahrzeugkultur, wir sind zu Gast bei den »Cycle Zombies«. Das zumindest ist der Name, unter dem jeder sie kennt. In Wirklichkeit sind die Zombies eine ziemlich reale Familie, die mit Stolz den Nachnamen Stopnik trägt.

The next Generation: Scotty Stopnik kickt seine Panhead an, er hatte sie von einem 70-Jährigen gekauft. Das Bike war 20, 30 Jahre nicht in Betrieb. Mit vereinten Kräften wurde sie wieder zum Laufen gebracht und ergänzt nun den Fuhrpark der Zombies

Und langsam bekommen wir auch mit, wer hier wer ist. Da wäre also Papa Stopnik, eben jener Big Scott. Er hat drei Söhne: Scotty jr., Turk und Taylor. Er hat auch noch vier Töchter, Schwiegersöhne und -töchter und Enkelkinder, aber die alle lassen wir mal außer Acht, das würde euch nur verwirren. Zum Inner Circle der Cycle Zombies gehört dagegen ganz fest noch Big Scotts Neffe Chase (27) … uff. Doch was unterscheidet diese kalifornische Familie von anderen? Vielleicht ist es diese unglaubliche Liebe zu Motorrädern, alten Motorrädern wohlgemerkt.

47er Knuckle im Stil der 60er Jahre

»Ich möchte alte Bikes von den Toten erwecken«, erklärt Big Scott, während er an einer 47er Knuckle fummelt, dem aktuellen Projekt im Stile der 60er-Jahre. Die steil zum Himmel ragenden Auspuffrohre lassen es zumindest vermuten. Sein erstes Bike, einen Kawa Flat Tracker baute Big Scott im Alter von 12 Jahren.

Von der Skate-Rampe vorm Haus sind es nur wenige Schritte zur Garage des Vaters. Die Kinder waren von klein auf ins Custom-Thema involviert und fahren alle selbst alte, umgebaute Harleys

Später entdeckt er seine Leidenschaft zu den Harleys. Neben der Knuckle tummeln sich noch andere Projekte in der Garage, so eine 67er-Shovel mit Namen »Cal Gold«, eine FLH, die er an Sohn Taylor vererbt hat und der damit gerade erste Custom-Versuche unternimmt oder die FXR, Baujahr 93.

Customvirusinfektion im Homeschooling

Und weil Big Scott genau das schon immer tut, alte Karren professionell auf- und umbauen, hat er seine komplette Familie mit dem Customvirus infiziert. »Es war eine Art Homeschooling mit meinen Kids. Ein Privatunterricht, den ich ihnen über die Jahre gegeben habe. Ich habe ihnen die Bikes erklärt, ihre Technik gezeigt und immer wieder vorgebetet, dass wir diese alte Zweiradkultur erhalten müssen«, erzählt er nicht ohne Stolz. Und so kommt es, dass auch die jungen Stopniks Moppeds bauen und alte Harleys fahren. 

Ein Teil der Stopnik-Familie: Vater Big Scott mit seinen Söhnen Turk, Taylor und Scotty (v. l. n. r.) sowie seinem Neffen Chase (2. v. l.) – das ist der innerste Kreis der Cycle Zombies

Wie auf Kommando kommen Turk und Chase, die zusammen in einem runtergekommenen Haus in Costa Mesa wohnen, auf ihren Panheads um die Ecke geblubbert. »Es ist für mich eine Freude und Genugtuung, die Kids auf den alten Harleys zu sehen«, Papa Stopnik ist zufrieden. Weil aber das Meer hier in Huntington Beach so nah ist, gibt es da noch was anderes, etwas, was genauso wichtig für die Jungs ist: Surfen! Parallel zum Spaß in der Garage haben alle Stopnik-Kids früh gelernt, mit einem Surfbrett umzugehen.

Die Jungs waren süchtig nach dem Surfen

»Sie waren früh auf den Brettern, sie waren alle so neun oder zehn Jahre alt und sie waren süchtig danach«, erzählt der Vater. Scotty erwies sich dabei schnell als großes Talent, sein Gesicht war bekannt in der Szene. Er wurde von der Marke »Hurley«, einem Klamotten-Label aus seiner Heimatstadt, entdeckt und hatte schnell einen Sponsorenvertrag in der Tasche, der es ihm ermöglichte, aus dem Hobby Surfen einen Job zu machen.

Turk und Chase leben zusammen in einer alten Hütte in Costa Mesa – auch hier dreht sich alles um zwei Dinge: Bikes und Bretter

Und ermöglichte es, im Rahmen von Touren auch nach Japan zu fliegen, Turk und Chase waren mit dabei. Ein weiterer Meilenstein in der Ausprägung von Vorlieben, denn schließlich ist auch Japan in Sachen Bikes wesentlich cooler als es auf den ersten Blick scheint. Auf die Frage, warum Surfen und Bikes die zwei Sachen sind, die die Familie am meisten faszinieren, antwortet Turk stellvertretend für alle und fast poetisch: »Weißt du, die Moppeds, die haben dieses rohe, mechanische, diese Urkraft.

Cycle Zombies – Die perfekte kalifornische Familie

Tja, und das Surfen, das ist organisch, glatt und schwerelos … zwei Welten eben, die sich ergänzen und beide ihre eigene Faszination haben.« Ein drittes Hobby kommt noch dazu, Skaten. Wie zum Beweis schnappen sich die Jungs ihre Boards und testen die neue Rampe vor Daddys Haus. Und sind so am Ende die perfekte kalifornische Familie. 

Surfen ist das andere große Ding für die Cycle Zombies – zumindest für die Jungs

Vor acht Jahren beschließt Big Scott schließlich ganz businesslike seiner ganzen Sippe einen Namen zu verpassen. Als der »Cycle Zombie«-Blog an den Start geht, glauben nicht wenige, dass sich ein neuer Motorradclub gegründet hat.

Cycle Zombies – Kein neuer Motorradclub

Erst nach und nach kristalliert sich heraus, was die CZ wirklich sind. Dazu trägt auch bei, dass die Familie geschlossen auftritt. Sei es beim örtlichen SwapMeet oder auf gemeinsamen Touren, zum Beispiel zum Nite Poker Run in North Carolina oder zur jährlichen Love Party in Arizona.

Ist halt schon ganz praktisch, wenn man direkt am Pazifik wohnt

Daneben sind die kalifornischen Veranstaltungen natürlich Pflicht, wie zum Beispiel auch der Stand auf dem Teilemarkt an jedem dritten Samstag im Monat in Long Beach. Praktisch übrigens, dass Jessica Stopnik, eine von Big Scotts Töchtern, Fotografin ist und die Familie in all ihrem Tun oft begleitet und auf ihrem Blog darüber berichtet.

Hinter all der Coolness stecken auch Geschäftsleute

Und auch praktisch, dass die Stopniks nicht nur professionell Mopeds bauen, sondern auch jede Menge Merchandise am Start haben und unter dem Zombies Label zum Beispiel Skater-Socken an den Mann bringen. Denn klar ist, hinter allem Lifestyle und all der Coolness stecken auch Geschäftsleute, die leben müssen.

Turkey dekoriert den Familienhund und zeigt uns seine Panhead. California Style, angelehnt an die 60er-Jahre-Umbaukultur im Sonnenstaat mit hohem Auspuff, Sissybar und gebogenem Lenker

Trotzdem sind die Stopnik-Jungs mit Sicherheit keine verwöhnten Kids, was die alte Hütte von Turk und Chase beweist. Vollgestopft mit Devotionalien, Bikes und Surfbrettern. Sie zahlen hier eine reduzierte Miete, müssen aber im Gegenzug Hausmeisterarbeiten erledigen und das alte Cottage selbst instand halten. Ein guter Deal für die Lebenskünstler. 

Loyal und mit viel Spaß als Familie zusammenstehen

Es wird langsam Zeit, sich von den Zombies zu verabschieden. Auch wenn es schwerfällt, sind wir doch immer noch fasziniert von diesen Menschen, die loyal und mit viel Spaß als Familie zusammenstehen und ihr Ding machen. Eines interessiert uns aber noch. »Wie würde eigentlich so ein perfekter Stopnik-Samstag aussehen?« Scotty antwortend grinsend: »Um vier stehen wir auf, bereiten das Swap Meet vor, laden die Bikes und Teile ein, wecken dabei die Nachbarn auf und fahren nach Long Beach.

Papa Stopnik alias Big Scott führt die Zombie-Bande an

Um elf ist der Teilemarkt schon zu Ende, das passt prima, so dass wir um 12 am Strand sein können. Die Brandung ist jetzt perfekt zum Surfen. Um drei packen wir die Bretter ein, fahren mit den Bikes rum, gehen Kaffee trinken. Um 18 Uhr etwa, die Sonne beginnt langsam unterzugehen, testen wir die neue Skateramp. Unsere Schwestern sind dabei und die Kids und Mama, wir skaten, quasseln und haben Spaß. Leider nur bis neun, weil dann müssen wir noch eine Knucklehead abholen.

»Wir werden Dad beim Aufbau helfen, wie immer«

Sie muss erst Probe gefahren werden, aber sie ist perfekt fürs nächste Projekt und wir kaufen sie. Wir werden Dad beim Aufbau helfen, wie immer. Er wird die Richtung vorgeben und das Zepter schwingen, wir werden ihn unterstützen, beraten und ihm das Werkzeug reichen.

Papa Stopnik und seine Zombie-Bande fahren natürlich Oldschool-Harleys: »Diese Mopeds haben dieses Rohe, Mechanische, diese Urkraft«

Gegen elf an unserem perfekten Tag hängen wir mit unseren Freunden in einem neuen Restaurant der Stadt ab, genießen den Abend. Und um zwei Uhr bin ich zu Hause, gehe schlafen und träume von der nächsten großen Welle.« Wir haben den leisen Verdacht, dass Scotty uns keine Vision erzählt hat, sondern dass ein großes Stück Wahrheit in seiner Geschichte steckt. 

Info |  czombieblog.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.