Die schönen Geschichten schreibt die Straße, die allerschönsten die Rennstrecke – sechs Jungs auf der Suche nach dem Racingglück auf dem Automotodrom Grobnik oberhalb von Rijeka in Kroatien.

Habt ihr nicht mal Lust, mit euren alten Scheesen auf der Rennstrecke zu fahren?«, als Motorrad-Rennstreckeninstruktor Mike Dunn den Jungs von der Fonzomoto Garage diese Frage stellt, müssen die nicht wirklich lange überlegen, »Na klar, Mann!«, Fonzo und Andreas sind sofort dabei und durch die Flatheadgarage der Jungs zieht augenblicklich eine frische Brise Rennbezin. Und weil das Ganze zu zweit nur halb so lustig wäre, werden ein paar Freunde mobilisiert. Stolen Garage-Mastermind Michael Kronenberg sowie Alfons, René und Sven von »Planet 10 Metalworks« aus Bochum lassen sich nicht lange bitten und sagen augenblicklich zu: Der No-Breaks & Itchy-Throttles-Racing-Club ist geboren.

Auf zum Racing nach Rijeka

Der Ausflug soll nach Kroatien gehen. Dort hat Mike die frühere Moto GP-Strecke in Rijeka für sein Summer Race Camp auserkoren und der verrückten Moppedtruppe aus Deutschland ein paar Startplätze gesichert. Nun ist Mikes Camp eigentlich ein reines Sportfahrer-Training für Ernstmeiner auf Superbikes, doch ein bisschen Abwechslung kann ja nicht schaden. So war auch schon der Mofaclub »Die Kobras« am Start. Nun also die Custombande mit der wildesten Mischung an Bikes, die die Rennstrecke in Kroatien wohl je beehrt hat.

Automotodrom Grobnik oberhalb von Rijeka in Kroatien. Fünf Kilometer feinstes Kurvenglück auf der ehemaligen Moto GP-Strecke

Donnerstagnacht ist Abfahrt für ein paar Transporter und Hänger, vollgestopft mit Bikes und Klamotten, 1200 Kilometer Fahrt liegen vor den Jungs aus dem Pott. Im Konvoi gehts über die Alpen Richtung Kroatien. 17 Stunden später Ankunft am herrlich in den Bergen gelegenen Automotodrom Grobnik, oberhalb von Rijeka. Das Grinsen ist den Jungs bei der ersten Streckenbesichtigung nicht auszutreiben. Vor ihnen liegt ein fast fünf Kilometer langes Kurvengeschlängel mit super griffigem Asphalt ohne Gegenverkehr oder lästigen Geschwindigkeitskontrollen.

No-Breaks & Itchy-Throttles-Racing-Club

Drei Tage Vollgas bei Traumwetter sind angesagt, »das wird ein super Wochenende«, man ist sich einig. Gecampt wird gemütlich im Fahrerlager, es gibt Strom, sanitäre Anlagen und das streckeneigene Restaurant »Box 000«, das ausgezeichnetes Abendessen serviert. Um die Jungs vorm längst überfälligen Schlaf nochmal ordentlich anzuheizen, fährt Mike die aufgedrehte Truppe im Crewbus noch ein paar Runden mit durchgetretenem Pedal über die Strecke. Dann gehts in die Kojen, die Herren schlafen wie die Steine.

Gecampt wird im Fahrerlager, 1700 Kilometer war die Truppe für den Wochenendtrip unterwegs, die Rennrunden natürlich nicht mitgezählt

Freitagmorgen, die ersten Sonnenstrahlen treffen aufs Fahrerlager, gespenstische Ruhe über der Anlage – bis Frühaufsteher Alfons seinen Ironhead-Chopper ankickt und auf der Suche nach Kaffee durchs Fahrerlager bollert. Das ist der Startschuss, endlich geht es los. Doch die Jungs müssen sich noch etwas gedulden, als erstes dürfen die Sportfahrer auf die Strecke. Die bremsen nach der langen Zielgerade mit fast 300 Km/h die erste Kurve an und damit unser fröhlicher Customclub ohne Bremsen nicht zum rollenden Hindernis wird, hat Mike ihnen eigene Fahrzeiten auf der Strecke eingeräumt.

Oldchool-Racing mit den Panheads in Rijeka

Der Rennleiter an der Startampel staunt nicht schlecht, als unsere Jungs endlich zum ersten Mal in die Boxengasse rollen dürfen: Die drei wilden Planet-10-Chopper, Michaels stollenbereifte Zweitakt-Yamaha, Baujahr 1968, und Fonzos Flathead-Racer, was für ein Spektakel. Übertrumpft wird das nur noch von Andreas, der die Packtaschen voll mit Werkzeug noch an seiner orginalen 48er Panhead hängen hat. Mit fettem Grinsen gibt der Ampelmann die Strecke frei, die Burschen rasen sofort los.

Spannung vor dem ersten Start: Der Mann an der Startampel hat ordentlich was zu gucken

Obwohl noch nie auf diesem Kurs gefahren, ist schnell klar, diese Jungs haben Benzin im Blut. Konzentriert wird in den ersten Runden die Strecke gelesen, danach lassen sie es nur noch mächtig fliegen. Nach dem ersten fünfzehnminütigen Turn wird außerdem erstmal alles, was aufgesetzt hat und über den rauen Asphalt schleift, abgeschraubt oder gelockert. Fonzos Seitenständer muss runter, von Renés Bremspedalaufnahme ist echt nicht mehr viel übrig und Sven fehlen die halben Fußrasten.

Die Alteisengaser haben Blut geleckt

Egal, die Alteisengaser haben Blut geleckt, was für ein geiler Moppedspielplatz. Der restliche Tag mit drei weiteren Turns auf Vollgas und Adrenalin vergeht wie im Flug. Abends gibt es großzügiges Essen und leckere Kaltgetränke in der Box 000. Um Mitternacht liegen alle selig in ihren Schlafsäcken und träumen von bald benötigten Ellenbogenschleifern.

Es erfordert Eier und Konzentration, einen astreinen Panhead-Chopper im Starrrahmen über die Rennstrecke zu bürsten

Am Samstag weckt Alfons – er hat nämlich Geburtstag – die Gemeinde standesgemäß mit einem schönen Burnout. Da ist der Reifen direkt auf Betriebstemperatur, den Rest erledigt der extrem heiße Asphalt. Die Reifen sind schnell überzogen mit dem klebrigen Renngummi-Abrieb der Sportfahrer, selbst Michaels Grobstoller haben Grip ohne Ende. Die Strecke ist außerdem nun vertraut, die Bremspunkte werden immer später gesetzt und Runde um Runde werden die Jungs schneller.

Beim Racing in Rijeka wird alles abgeschliffen

Fonzo hat in weiser Voraussicht die Firestones auf seinem Flattie gegen ein paar moderne Sportreifen getauscht und fährt fast nur noch Vollgas und wie auf Schienen um den Kurs. Auch Sven ist überhaupt nicht mehr zu stoppen. Der brachialen Power seines getunten Shovels und seiner aberwitzigen Fahrweise ist nichts mehr entgegenzusetzen, neben seinen Fußrasten hat er nun auch seine Schuhe bis auf die Fußsohlen durchgeschliffen. Alle fahren jetzt in einem Bereich, wo sie keinen Moment mehr unkonzentriert sein dürfen.

Da hat es die getunte Shovel nur unwesentlich leichter, Schuhe und Fußrasten sind schnell durchgeschliffen

Als Andreas in der berüchtigten Zagreb-Kurve einen Moment zu weit innen bleibt, reicht es nicht mehr für den Kurvenausgang und die schwere Pan will sich von der Strecke schieben. Aber Andreas richtet das dicke Ding kurz vorher auf und fährt eiskalt mit Vollgas über den Grünstreifen wieder zurück auf den Kurs, wohl seine schnellste Runde an diesem Wochenende. Auch Alfons und René sind am Ende nur durch heftig ölende und pfeifende Kopfdichtungen zu stoppen und lassen es danach lockerer angehen. Nach diesem Fahrtag muss man allen das Grinsen aus dem Gesicht meißeln.

Noch einmal das Letzte aus den umgebauten Kisten rausholen …

Mike fährt die Bagage im Crewbus direkt zur Abkühlung runter ans Meer. Der Abend klingt in einer Tangobar im lauschigen Hafen von Rijeka aus. Am Sonntag noch einmal volle Konzentration. Obwohl alle müde sind, legt sich der Schalter sofort um, wenn die Bikes in die Boxengasse rollen. Hellwach, fokusiert, kein Gedanke mehr an die Hitze vor dem Start, keinen Blick für die traumhafte Landschaft im Hintergrund. Noch einmal heißt es nur Gas, noch einmal das Letzte aus den umgebauten Kisten rausholen. Und hätte der Streckenmeister nach der letzten Runde nicht sorgfältig abgeschlossen, sie würden da wahrscheinlich noch immer rumfahren.

 

Peter Lustig