Bei Dirk kam eine Suzuki VS 1400 Intruder auf die Werkbank, und er weiß: »Wer einmal mit dem Customizing anfängt kommt nicht mehr davon los.«

Wer selbst schraubt, wird bestimmt schon oft mit der Frage konfrontiert worden sein, welcher Laden seinen Umbau denn wohl aufgebaut habe. Umso erstaunter sind die Fragenden, wenn die Antwort lautet: »In meiner Garage!« Klar, nicht jeder kann alles können, und einige haben auch erst gar keine Lust sich mit solchen Problemen auseinanderzusetzen.

Bedingt durch die lange Gabel ist die Fuhre bei langsamer Fahrt recht kippelig. Das gibt sich aber recht schnell und mit zunehmendem Tempo. Dann schnuckelt die Trude absolut spurstabil dahin. Da der Motor bei höheren Drehzahlen nicht mit Vibrationen geizt, reicht es Dirk, sich auf der Autobahn mit knapp über 100 km/h zu bewegen

Aber es gibt eben auch diejenigen, denen ein »kann ich nicht« völlig fremd ist und »versuch ich, wenn’s nicht klappt, kann ich immer noch jemanden rufen« als ständige Vorgabe im Raum steht. Autodidakten nennt man solche Menschen, die sich durch Probieren und Eigeninitiative immer wieder neue Fähigkeiten aneignen – und genau so ein Typ ist Dirk.

Eine artgerechte Lehre ist von Vorteil

1975 legte dieser den Grundstein durch eine Zweiradmechanikerlehre. Bedingt durch einen Arbeitsunfall musste er diesen Beruf schon sechs Jahre später offiziell an den Nagel hängen, privat kam er aber erstmal nicht davon los. Zu der Zeit hieß es aber noch umbauen, das Wort Customizing kannte damals noch keiner. Sein finales Teil war ein AME-Chopper Mitte der 80er Jahre, danach trat die alte Leidenschaft in den Hintergrund.

Hochkant: Zwei LED-Rückleuchten sind vertikal in den Fender integriert

Bis Ende 2008, da flammte es wieder auf und Dirk wollte es noch mal wissen. Mittlerweile Inhaber einer Flüssigkunststofffirma, konnte er hier einen Raum zur Werkstatt umfunktionieren. Die Basis für die Realisierung seines Wunsches bildete eine vierzehnhunderter Intruder. Um dem Endprodukt auch das TÜV-Siegel aufdrücken zu können, war klar, dass am Rahmen nichts geändert werden durfte.

Suzuki VS 1400 – Gestaltung am PC

Aber die eigentliche Formengebung sollte trotzdem eine gravierende Änderung erfahren. Bei ausschließlicher Verwendung fahrzeugspezifischer Katalogware ist das natürlich nicht möglich, da diese sich immer an den Werksvorgaben orientiert. Dank einer zwischenzeitlichen Tätigkeit in der IT-Branche konnte er sich seinen Traum erst einmal im PC gestalten, bevor eine Schraube gedreht werden musste. Wobei ein paar Komponenten von vornherein feststanden und dementsprechend auch pauschal geordert wurden.

Doppelt: Ein zweiter Schutzblechrohling musste für die Erstellung der Chrom­blende herhalten

Dazu gehörte unter anderem der Tank, dem aber die originale Aufnahme gekürzt wurde, wodurch er im vorderen Teil niedriger sitzt. Die folgenden Teile wie Heckfender und Seitendeckel wurden dann per Computer designed. Dabei spielte der sogenannte Fluss der Linien die Hauptrolle. Die Seitenteile entstanden aus jeweils zwei Originalteilen, die zugunsten ihrer geschwungenen Oberkante zersägt und entsprechend neu zusammen gefügt wurden.

Sieht anders aus, als es ist

Zwei der übrig gebliebenen Ecken bieten jetzt den Kabeln eine Eintrittsmöglichkeit an den Lenkkopfverkleidungen. Auch sie bestehen inzwischen aus zwei Original­teilen, damit die mechanische Reckung der Gabel nicht offenkundig ist. Es scheint nun vielmehr so zu sein, als wenn der Lenkkopf wirklich in schrägerer Position neu angeschweißt worden wäre. Ist er aber nicht, und somit handelt es sich also um eine reine optische Täuschung.

Feststellung: Der Tacho ist am Rahmen befestigt und macht daher keine Lenkbewegung mit

Die Eigenbauhalterung der Frontlampe entstand durch die Wunschhöhe des Scheinwerfers. Dieser sollte nämlich auf die gleiche Höhe wie der Tank, und somit war eine Befestigung unterhalb der unteren Gabelbrücke nötig. Aber nicht nur dafür war das Leuchtmittel verantwortlich. Irgendwie war Dirk das Teil zu glatt. Er beschloss, den hinteren Teil mit Klebestreifen zu versehen. Genau die gleichen Farben mussten sich dann aber auch in der restliche Lackierung wiederfinden.

Suzuki VS 1400 mit aufwändigem Lackjob

Ein zeitaufwendiger Teil dieser Aktion war das Abkleben der zu sprühenden Teile, denn die Linen sollten flüssig von einem auf das folgende Teil übergehen. Die vier Basis­farben wurden nacheinander aufgebracht. Anschließend wurden die Linienbänder entfernt und mittels Airbrush-Pistole noch einige Nebelkanten gespritzt. Da scheinen die folgenden zwölf Klarlackschichten bis zum Micro-Glow-Glitter fast schon eine Lappalie zu sein. Aber eine gute Vorarbeit ist die absolute Voraussetzung für ein gutes Endergebnis. Dirk hat damit allemal bewiesen, dass er das Umbauen – Moment, das heißt ja heute Customizen – noch immer beherrscht.

Info | dime-design.de

 

 

Lothar Steinmetz
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE

Lothar Steinmetz ist bereits seit dem Jahr 2000 als freier Mitarbeiter für die CUSTOMBIKE tätig und kümmert sich vorrangig um Lowbudget-Umbauten. Darüber hinaus analysiert er Gesetzestexte und macht Technik für den Leser verständlich. Seit 1993 besitzt er eine gelbe Trude, die neben den anderen Mopeds der Familie immer wieder für Detailaufnahmen oder Reparaturanleitungen herhalten muss.