Unser Gaul ist eine Suzuki Intruder VS 750. Man schaut ihm nicht ins Maul, meint der Volksmund. Wir tun es trotzdem …
Knapp 28.000 Kilometer auf dem Zähler und in makellosen originalem Zustand, so übergibt Erics Erzeuger seine Intruder an den Sohn. »Aber mit so einem originalen Kackstuhl kann und will ich nicht durch die Gegend fahren«, drückt der seinem Vater bei der Übergabe hin. Der alte Herr kapiert gleich, dass er seine gehegte und gepflegte Trude so nicht mehr wiedersehen wird.
Streetfighter-Instinkte
Zuhause muss einiges schon mal runter, Streetfighter-Instinkte lassen sich nicht unterdrücken: Für die verbliebenen Tage des letzten Sommers wird aus Restbeständen eine kleine, flache Sitzbank gebastelt und der Heckfender kurzerhand gegen ein rumliegendes Autoanhängerschutzblech getauscht. Die Sprühdose schwärzt alles matt. So kann sich Erics Neue erstmal sehen lassen.
Im Winter geht’s dann nochmals – und nun richtig – zur Sache. In einem Web-Forum lassen sich die 21-Zoll-Vorderfelge inklusive Fender gegen die 19-zölligen Gegenstücke einer 1400er Intruder tauschen. Der recht schmale originale hintere Felgenring hat zusätzliche Breite nötig. Das TLM-Team greift ein. Sie zerlegen das originale Hinterrad und ein paar Wochen später kriegt Eric das umgespeichte Rad wieder.
Die Fenderwerden gekürzt
Jetzt mit schwarz pulverbeschichteter Felge und Nabe. Dabei braucht der breitere Felgenring leichten Versatz, sonst hat der Reifen links und rechts nicht den gleichen Abstand zur Schwinge. Vom alten Frontfender werden kurzerhand vorne und hinten einige Zentimeter dem Altmetall zugeführt.
Die 750er Intruder hat ja standardmäßig ein schmaleres Vorderrad, ergo sind die angegossenen Halter des Frontfenders wesentlich länger, als jetzt mit dem breiteren benötigt. Nach kurzem Einsatz der Eisensäge und Nachschneiden des Innengewindes der Haltepunkte an der Gabel passt der Frontfender mittig über das neue Rad. Alles wunderbar jetzt? Denkste!
Gabelcover für die schmächtige Forke
Nun stellt sich heraus, dass der radiale Abstand zwischen Reifen und Fender optisch eine Katastrophe ist. Kurzerhand gibt’s neue Befestigungslöcher im Blech, die drei Zentimeter über denen der originalen Anschraubpunkte liegen. Die schmächtige Gabel gedenkt Eric mit Gabelcovern aufzupeppen. Nur … eine käufliche, komplette Verkleidung der Standrohre liegt schon wieder weit jenseits des eng gesteckten Budgets.
Hier hat er eine Sparfuchsvariante parat. Die Gabeldurchmesser und die Distanz zwischen oberer und unterer Gabelbrücke gemessen und mit der Skizze ab zur Schlosserei in den Nachbarort. Für kleines Geld gibt’s dort zwei Abfallstücke Aluminiumrohr im passenden Durchmesser. Nur noch kürzen und schwärzen.
Flacheisen biegen als Schwerstarbeit
Auch acht Millimeter starkes Flacheisen und Rundeisen mit zehn Millimeter Durchmesser finden sich – das Rohmaterial für die Halterung des Heckfenders, der mit der Schwinge mitschwingen soll. Das Flacheisen biegen ist eine Sauarbeit in einer Garage mit nur einem kleinen Schraubstock und ohne Gas und Flamme. Mit einem 800-Gramm-Hammer prügelt Eric die Eisen in die benötigte Form, Trial and Error als Helfer.
Zwei Abende hell tönender Schmiedesound honoriert die Nachbarschaft mit wenig wohlwollenden Worten. Der angestrebten flachen Optik dienen ein niederer Lenker und die kurzen Riser einer Suzuki LS 650. »Der Sattel muss nach vorne klappbar sein! Ohne große Umstände will ich an die Elektrik kommen.« Was Eric so lapidar Elektrik nennt, sind Leitungen und elektronische Bauteile, die er ausnahmslos unter den Sitz verbannen will.
Optik optimieren
Das Klappen des Sitzes realisiert er mit einem Gartentorscharnier. Noch immer klafft ein hässliches Loch zwischen Tank und dem Platz, wo die neue Sitzgelegenheit hin soll. Die originalen Seitendeckel sind jetzt nach oben hin nicht mehr abgedeckt, enden seitlich viel zu früh. Seine am Ex-Streetfighter erarbeiteten Fähigkeiten mit GFK helfen ihm jetzt, die optisch wenig ansprechende Lösung zu optimieren.
Eine Schaumstoffmatte zwischen die beiden Seitendeckel geklemmt, ergibt die Form einer homogenen, gewölbten Abdeckung. Das Ganze komplett mit Klebefolie fixiert und überzogen und den kompletten Bogen mit ein paar Lagen GFK überlaminiert. Das Laminat-Gewölbe wird mit den beiden Seitendeckeln verklebt und vernietet und danach der Länge nach von hinten nach vorne aufgetrennt.
Anpassen und verbessern
Somit hat Erich zwei bis unter den Sitz ragende und optisch fast spiegelgleiche Seitendeckel, basierend auf den Originalteilen. Noch verspachtelt, grundiert und fertig. Den gesägten Schlitz deckt ein weiteres, oben aufgeschraubtes GFK-Teil ab. Viele Teile muss Eric in der Folge noch anpassen und verbessern, am Ende sitzt alles optisch einwandfrei.
»Als Farbe habe ich mich schon früh für Schwarz entschieden. Aber als die graue Grundierung drauf ist, sieht das einfach nur geil aus«, Eric verzichtet auf eine schwarze Endlackierung. Stattdessen kriegt die graue Grundierung mehrmaligen Glattschliff und anschließend wird mit Klarlack versiegelt.
Mattierungskur und gebrauchte Optik
Bis auf die obere Gabelbrücke und die Vorderlampe bekommen alle Chromteile die Mattierungskur verordnet, »gebrauchte« Optik inklusive. Und was ist mit den aufgeklebten 44 auf den Seitendeckeln? »Das Dankeschön an meinen Vater. Sein Geburtsjahr!«
Horst Heiler
Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.