Mofa mit Sternmotor – Holy Star



Dieses Mofa ist der Wahnsinn! »Aber warum macht man sowas?« »Warum nicht?«, fragt Sigg und streichelt über die eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Zylinder

In der Schweiz nennen sie ein ­Motorrad ein »Töff«. Ein Mofa, völlig logisch, ist ein Töffli. Und der Sigg ist der Meister der Töfflis, auch das weiß jeder. Maurus Sigg, so sein vollständiger Name, ist eine echte Type. Und die Nummer mit den Mofas liegt ihm im Blut.

Mofa ja, aber bitte Custom

Neben Restaurationen alter Originale entstehen bei Siggnature Bikes auch ganze Custom-Mofas, »und manchmal gehen dann die Pferde mit mir durch«, sagt Sigg. Ein Partner in Crime ist er gerne für die mit den ganz verrückten Ideen, wobei jene hier von ihm selber kam. Früher interessiert sich Sigg nämlich fürs Modellbauen von Flugzeugen. Irgendwann gibt er dieses  alte Hobby auf, aber ein Motor, der bleibt übrig.

Fahrbar ja, einlösbar leider nicht: In der Schweiz bezeichnet man das Zulassen eines Fahrzeuges als Einlösen

Aus deutscher Fertigung kommt er, der Sternmotor von Evolution. Und zum rumliegen und vergammeln ist er definitiv zu schade. Weil Flugzeugtechnik in Motorrädern ebenso bekannt ist wie es immer mal wieder Motorräder mit Sternmotoren gibt, ist es wohl das Naheliegendste, um den kleinen Siebenzylinder herum ein Mofa zu bauen.

Ungewöhnlicher Längseinbau

Tatsächlich wird sich Sigg mit dem Aufbau der »Holy Star« etwas untreu, denn über 100 Kubik geht es bei ihm im Regelfall nie. Der Sternmotor verfügt über 168 Kubik, »immerhin«, erklärt uns Sigg, »das Drehmoment ist nicht der Kracher, die 24 Kubik pro Zylinder mühen sich ab, um in Gang zu kommen. Da muss man schon ein bisschen mit der Kupplung zaubern«; selten ist jemand so bemüht, der Leistung nicht viel Gewicht einzuräumen. Würde nämlich zu einem Mofa auch kaum passen.

Für die »Holy Star« verweigerten die helvetischen Behörden die Zulassung, das Mofa wird also vorrangig ein Showbike bleiben

Wichtiger ist da schon, wie Sigg einer ästhetischen Linie folgt, und zwar so, dass er den Motor nicht quer, sondern längs einbaut. Das ist untypisch für Sternmotoren und so offenbart das schmale Moped nicht so schnell seinen Antrieb, wie es ein stolzer Mopedpfau mit aufgeschlagenem Rad – im übertragenen Sinne – täte. Sigg weiß historische Formen eben zu schätzen, so kommt die »Holy Star« optisch am ehesten einem antiken Boardtracker gleich.

Die Sache mit der Kühlung

Der Längseinbau des Motors bringt allerding Probleme mit sich, vor allem in Sachen Kühlung ist das schwieriger. Daher wurde extra ein Propeller für die Kühlung installiert. Der selbstgebaute Ringauspuff ist umwickelt, der konische Endtopf sorgt für eine Verstärkung des Sounds.

Das kreisrunde Auspuffrohr mündet in einen selbst gedrehten konischen Endtopf. Kombiniert hat Sigg den Sternmotor mit einem Dreiganggetriebe von Sturmey Archer, diese Firma aus Taiwan ist vor allem im Fahrradbereich bekannt

Um die gewünschte schmale Bauweise zu realisieren, ist der Bau eines eigenen Rahmens unumgänglich. Dessen Form orientiert sich an klassischen 20er-Jahre-Motorrädern und wird für die Holy Star adaptiert. Die Springergabel stammt ursprünglich aus dem Fahrradbereich, wird aber mittlerweile über den Schweizer Zubehörshop Mofakult verkauft. Für den Einbau muss sie im Kopfbereich entsprechend angepasst werden.

Viele Teile von einem Kultmofa

Auch an anderer Stelle kommen explizite Mofateile zum Einsatz. So stammen Felgenringe, Speichen und Naben von einer Puch Maxi, dem österreichischen Kultmofa. Die Ösis sagen übrigens gern »Saugerl« zu ihren Töfflis. Was für ein Wissen hier wieder verbreitet wird. Der Kracher! Wo waren wir?

Der Rahmen mit den vielen Rundungen ist ein Eigenbau, die modifzierte Springergabel wurde an den gewählten Lenkkopf angepasst

Auch beim Bau des Tanks orientiert sich Sigg an den 20er-Jahren. Das Spritgefäß sitzt unter den Oberrohren und passt sich mit seinen filigranen Rundungen dem gebogenen Rahmen unter ihm perfekt an. Auch der Lenker, der direkt auf dem Gabelkopf sitzt, nimmt die runden Formen auf.

Handwerk verpflichtet

Und selbst im nicht offensichtlichen Bereich fühlt Sigg sich traditionellem Handwerk verpflichtet. Alle Teile am Bike sind entweder blankes Aluminium oder vernickelt. »In den 20er-Jahren wurde nicht verchromt, und wenn man sich beim Umbau schon von dieser Zeit inspirieren lässt, dann sollte das auch konsequent geschehen.«

Selten hat jemand einen Sternmotor so dezent in ein Zweirad gebaut wie Maurus Sigg. Seine Holy Star ist trotz ihrer sieben Zylinder ein filigranes, schlankes Mofa, in dem jede Menge historische Anleihen stecken. Großartig!

Konsequent ist übrigens auch die Haltung der Schweizer Behörden zu Siggs Custom-Sternchen. Eine Zulassung gibt es dafür nicht, so flossen die benötigten 550 Arbeitsstunden in ein reines Showbike, was für Sigg auch völlig okay ist. Dass die »Holy Star« nämlich problemlos zu fahren ist, hat der Schweizer ­Töfftler auch ohne amtlichen Segen schon bewiesen. Holy Shit … ähm, Star!

Info | siggnaturebikes.com

 

Technische Daten
Modell Eigenbau-Mofa
Baujahr 2017 – 2018
Erbauer Maurus Sigg, Siggnature Bikes

Motor
Typ Evolution-Siebenzylinder-Viertakt-Sternmotor
Hubraum 168 ccm
Ventile/Steuerung Ventilstößel aus Titan
Auspuff Ringauspuff mit gedrehtem Konus
Getriebe Sturmey Archer Dreigang
Kupplung Trockenkupplung
Leistung 10 PS
Fahrwerk
Rahmen Eigenbau-Doppelschleifen-Starrrahmen
Gabel Springer v. Mofakult, angepasst
Lenker Mofakult
Räder vo. und hi. Puch-Maxi-Naben
Bremsen vo. und hi. Trommel
Zubehör
Tank Eigenbau
Fußrasten Eigenbau
Schutzbleche Mofakult
Lack Weinrot/Beige vier Schichten
Sonstiges zahlreiche Teile vernickelt
Metrie
Leergewicht ca. 40 kg
Radstand 1330 mm

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