So sieht man eine Harley Sportster selten: Drei Jahre baute Jörg an seinem Ironhead-Chopper im ungewöhnlichen TWA-Fahrwerk

Die Dämmerung war gerade in die Nacht übergegangen. Das von weitem schon vernehmbare Grollen wurde immer lauter. Zunächst zeigte sich ein glitzerndes Vorderrad im spärlichen Licht, anhängend eine lange, verchromte Trapezgabel. Dann erschien das nächste Rad, dann die nächsten … und das Grollen wuchs zu einem Bollern an, vermischt mit dem Surren eines Turboladers: Jörg mit seinen Kumpels checkte auf dem Gelände des kleinen Custom & Classic Festes ein.

Mal wieder was mit TÜV

Bärtige Männer umarmten sich, schlugen einander dabei mit flachen Händen zur Begrüßung auf den Rücken. Noch mit dem ersten Drink in der Hand werden gemeinsam die Bikes gecheckt. Und dabei streute Jörg es so ganz nebenbei ein. »Ich muss unbedingt mal wieder was mit TÜV und normaler Zulassung aufbauen.« Weder ich, noch einer seiner Kumpel wollte das zunächst so recht glauben.

Jörgs Chopper ist voll legal und seit beinahe zwei Jahren auf deutschen Straßen unterwegs. Die aufgezogenen Dunlop Qualifier-Reifen haben trotzdem schon über 20 Jahre auf dem Gummi. Und man schreibt alten Reifen ja eine verminderte Haftfähigkeit zu. Dessen ist sich auch Jörg bewusst, der bei den Bremsen in der Folge keine Kompromisse zuließ

Jörg hatte ja seinen ganz genialen Eisenkopf Sportster Chopper zum Fahren. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht noch an Jörg Löfflers früheren BMW-Chopper oder auch an diesen 70er-Jahre-Sportster-Chopper mit Turbolader, mit dem er aufs Fest gekommen war. Seine Bikes waren uns schon immer eine Story wert.

Red Hill Choppers

Klar, denn wenn man zu der »Red Hill Choppers«-Schraubergemeinschaft gehört und schon seit Jahren alles Mögliche, was klassische Chopper angeht, sammelt, ist immenses Wissen und die notwendige Hardware vorhanden. Seine Sammlung von Siebziger-Jahre-Chopperzeitschriften ist sehenswert. In seiner Werkstatt stapeln sich Anbauteile alter Langgabler und hin und wieder entsteht auch mal ein Chopper für einen Kumpel dort.

Als Jörg den Rahmen damals zum ersten Mal in den Händen hielt, war er geschockt über den katastrophalen Zustand: »Des hot mer richdich weedoa«

Wichtig beim Bau ist es für Jörg, immer zu wissen, wer die Teile hergestellt hat oder über wen sie ehemals vertrieben wurden. E-Bay war da eine Zeitlang eine ergiebige Quelle für Ersatzteile. Da wurde dann auch mal ein Fiedler-Rahmen für Sportster angeboten, den Jörg ersteigerte – und der dann gar keiner war. Die eingeschlagene Rahmennummer war zweifellos nicht von Fiedler.

Harley Sportster im TWA-Rahmen

Auf Mobile.de fand sich zufällig ein TWA-Honda-Chopper mit ganz ähnlichem Rahmen. Und jetzt machte auch die Kombination STWA in der Rahmennummer Sinn. Da S steht für Sportster, T für den Nachnahmen Toth und WA für die Vornamen Werner und Alfred. Manche Quellen ordnen zwar das A im Kürzel auch dem Ortsnamen Aldingen bei Remseck zu, aber Jörg meint, die erstere Version ist die korrekte.

Viele Teile, die in den Seventies der letzte Schrei waren, sind auch heute noch erhältlich: Bestes Beispiel dafür sind die Trompeten-Schalldämpfer

Seine Recherchen beim TÜV hatten zunächst negativ begonnen – »Den Rahmen können sie wegwerfen« – bis Jörg auf den als Harleyjäger bekannt gewordenen Prüfer Matthias Gerst stieß. Der sah keine Probleme bei allen TWA-Fahrzeugabnahmen. Seinen Aussagen zufolge wären die Unterlagen darüber alle beim TÜV in Schorndorf archiviert. »Ich also nach Schorndorf geschossen, zu einem Herrn Knorp oder so, und mit einem Gruß von Matthias Gerst öffnete der die Datensammlung …«, erinnert sich Jörg.

Auf der sicheren Seite

Die Fahrgestellnummer ergab dann, dass es mit diesem Rahmen eine Begutachtung gegeben hatte. Bingo! Jetzt auf der sicheren Seite, konnte Jörg loslegen. Tauchrohre gab’s über E-Bay USA. »Die kamen – cheap – aus Hawaii.« Aus der US-Quelle stammt auch der Prismentank, da war in Deutschland überhaupt nichts aufzutreiben. Jogi von CPO in Neckartenzlingen hatte noch einen Satz alter getüvter CPO-Gabelbrücken. Seltsamerweise fand sich das seltene »Crazy Frank«-Hinterradschutzblech im deutschen E-Bay.

Ursprünglich sollte der Ironhead-Motor in einen Fiedler-Ramen wandern. Der als solcher angebotene Rahmen entpuppte sich aber als ein TWA-Chassis

Sämtliche vergoldeten Teile hingegen kamen wiederum aus den USA und waren komplett als Kit in dem geliebt/gehassten Internet-Auktionshaus angeboten. »Und bis der Auspuff gepasst hat …«, Jörg zeigt bei seiner Beschreibung die Stellen am Krümmer, die er mit dem Kugelhammer nachbearbeitete. »Diese Krümmeranlagen gab es serienmäßig in Schwarz an der XLCR Sportster und in Chrom an der XLH von 1979.« Aber der TWA-Rahmen hatte etwas andere Abmessungen, so musste er eben passgenau nachdengeln.

Harley Sportster mit Chopper-Relikten

Tausendfach verkaufte und auch heute noch erhältliche Trompeten-Schalldämpfer aus den Siebzigern ergänzten die Rohre im Austrittsbereich. Der so ganz anders aussehende sargförmige Ansaugluftfilter ist ein original altes Relikt aus der Chopper-Blütezeit, damals von der legendären Firma A.E.E. Choppers in Kalifornien vertrieben. Seine Grundplatte bekam einen Adapter zur Befestigung an den moderneren Vergaser.

Die Reifen hatten bei unserem Fototermin schon ein paar Jahre auf dem Gummi. Und man schreibt alten Reifen ja eine verminderte Haftfähigkeit zu. Dessen ist sich auch Jörg bewusst, der bei den Bremsen in der Folge keine Kompromisse zuließ

Und, wie so viele der verbauten klassischen Teile, hatte der Red Hill-Schrauber ihn aufwändig zu restaurieren und dazu gehörte auch die Neuverchromung. Als nagelneue NOS-Teile fanden die »Low Rider«-Räder ihren Weg ins Schwabenländle. »Den Öltank im Eisernen-Kreuz-Design habe ich auf der Veterama am Stand von Harry aus Wollenberg gesehen, der passte so gut dazu, den hab ich gebraucht.«

Die passende Hymne: Ecstasy of Gold

Der von Jörg aufgetragene Diamanteffekt-Lack und die Gold-Applikationen, die ein anderes Red Hill Choppers-Mitglied beifügte, verbinden nun sämtliche Teile zu einer Einheit. Endlich vollendet ist Jörgs neuer Chopper schon in Bikeshows zu Ehren gekommen. Die passende Hymne zum Bike spielt Metallica, sie stammt von Ennio Morricone: Ecstasy of Gold!

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei CUSTOMBIKE Magazin

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.