Der Freak, die Ikone, das Urgestein, Chopperdave ist eine Institution der West Coast-Szene. CUSTOMBIKE schnüffelt in seiner Werkstatt

David Freston steigt von seinem rattigen Japansportler, fingert nach dem Schlüssel für die Tür zur Unit H, hier in einer der trostlosen Ansammlungen aus Rolltoren und weißen Wänden, wo sich Werkstatt an Werkstatt reiht und man kaum Individualismus vermuten würde. »Ist halt billig zu mieten«, erklärt Dave fast entschuldigend und hält uns eine Tüte mit frischen Donuts unter die Nase »Auch was?« Dann schließt er die Tür zu seiner Firma auf, die Donuts sind vergessen, die Heimstätte eines Motorradverrückten breitet sich vor uns aus. Und etwas fällt sofort ins Auge, als wir die Werkstatt in Long Beach betreten. Ein Motorrad, eines, das hier irgendwie nicht hingehört.

»Ich bin geskatet, habe Punkrock gehört und mir diese Fuck you-Haltung zugelegt.

Chopperdave, der Name unter dem Freston bekannt ist, ist ein Verfechter des 60er Jahre Customstils. Bikes, die kurz, schmal und funktional sind. Abgespeckte Chopper, die wirklich laufen, was anderes gibt es hier nicht zu sehen. Dave ist außerdem ein Sinner, einer jener rebellischen Bikergemeinschaft, die die coolsten Karren fahren und zu denen auch Helden wie Cole Foster, Kutty Noteboom oder James Intveld gehören.

Hochkant: Wo kein Platz auf dem Boden mehr ist, müssen die Dinge eben Wände hochklettern

Umso bemerkenswerter dann dieses eine Motorrad, das hier zwischen alle dem alten Kram steht. Goldglänzend, Breitreifen, Barockfender und auf dem Tank blinkt das West Coast Choppers-Logo. Dave zuckt mit den Schultern: »Sie bringen immer noch manchmal Moppeds zur Wartung her. Ist gut verdientes Geld«, erzählt er und offenbart etwas, was vielleicht nicht jeder weiß.

Chefmechaniker bei WCC

Chopperdave war einige Jahre Chefmechaniker bei WCC. Und ähnlich wie sein damaliger Kollege Bill Dodge, der heute an der Ostküste schraubt, kehrte er der Firma den Rücken. Um einen eigenen Laden zu eröffnen und sich dem alten Stil zu widmen: Chopperdaves Casting Co.

Blick von oben auf das Refugium einer Ikone: So muss eine Werkstatt aussehen

Zu seinem ehemaligen Chef Jesse James hat er ein zwiespältiges Verhältnis: »Ich finde nicht alles gut, ich mochte den Hype nie und habe eine Fuck you-Einstellung zu diesem Kommerz und dem Fernsehmist. Aber Jesse hat auf der anderen Seite eine Menge für die Szene getan. Nur durch den damaligen Boom gibt es heute Platz für soviele Nischen, die wir im Moment im Custombike-Bau haben.«

Alte Helden als Vorbild

Dave hat seine Nische gefunden. Er restauriert alte Motorräder und baut um. Und er fertigt gefragte Teile wie Fußrasten, Abdeckungen und Deckel aus Bronze und Aluminium. Dabei folgt er einer seiner Ikonen, Randy Smith. Der baute in den 60er und 70er Jahren Moppedteile. Dave Freston sorgt dafür, dass alte Helden wie er unvergessen bleiben.

 


»Showbikes sind fucking Bullshit« – Chopperdave im Interview

CB: Du bist in Kanada aufgewachsen. War das schwierig?
Chopperdave: Nein, aber es war kalt.

Was geht derzeit bei dir so ab?
Alles und nichts neues, immer das selbe. Ich bin die meiste Zeit ein fucking Einsiedler. Aber ich arbeite an einer Menge neuer Teile, darüber bin ich glücklich. Ich habe den Segen von Randy Smiths Familie, dass ich Teile in seinen ursprünglichen Designs bauen darf. Da wären zum Beispiel diese schönen Umlenkungen oder die gerippten Zylinder-Abdeckungen. Außerdem reproduziere ich gerade ein Rücklicht für meine eigene Knuckle und entwickle Parts für Freunde. Ich bin sehr aufgeregt, wenn ich die neuen Sachen endlich zeigen kann.

Showbikes sind fuckin’ Bullshit

Von allen Bikes, die du gebaut hast, hast du da einen Favoriten?
Ich mag einige Bikes, aus verschiedenen Gründen. Meine Knuckle zum Beispiel: Jeder sagte mir, sie würde nie rund laufen, weil ich eigene Stößel und Zylinderköpfe verbaut hatte. Sie läuft perfekt. Oder ich liebe meine Pan, weil ich Killer-Wheelies mit ihr machen kann. Und ich stehe auf das verdammte S&S X-Wedge Monster, das ich gebaut habe, wegen dem Tank und weil ich den Motor mag. Außerdem baue ich gerade einen Tracker, ich werde ihn sicher mögen. Und ich mag viele Bikes, an denen ich einfach nur Restaurationen gemacht habe. Fuck, ich habe keinen Favoriten.

Wer beeindruckt dich in Sachen Custombikes am meisten?
Das sind einige. Jeff Decker hat zum Besipiel eine sehr geile Vincent Lightning gebaut. Und ich mag Leute, die die eingefahrenen Wege verlassen und was Neues probieren, wie Greggs Customs. Die bauen Sportbikes, haben schon aus einer Yamaha R1 ’nen Tracker mit Einarmschwinge gebaut. Aus ’ner R1, das musst du dir mal vorstellen. Aber mein großer Held ist Cole Foster. Sein Shit ist so simpel, aber dabei so gut. Ich werde jedes Mal wahnsinnig, wenn ich was Neues von ihm sehe – weil er so viel besser ist als ich. Sauber und einfach und vor allem immer fahrbar. Ich hasse Bikes, die du nicht fahren kannst. Showbikes sind fucking Bullshit.

David Freston alias Chopperdave

Wo fährst du am liebsten Motorrad? Wo macht es dich glücklich? Deine tägliche Route sozusagen
Eigentlich egal, ich möchte nur fahren. Oft habe ich nicht soviel Zeit dazu, deshalb heize ich bei jeder Ausfahrt so extrem … und scheiße dann drauf, wo ich gerade bin. Aber verdammt, eine Tour durch die Dolomiten mit meinen besten Freunden, das wäre mal richtig episch.

Nur eine Handvoll Leute

Gibt es etwas, dass du an der »Chopper-Industrie« nicht magst?
Oh, ich hasse die Chopper-Industrie. Also die, in der sich die Leute nur produzieren, sich in den Vordergrund drängen und die Konkurrenz permanent überflügeln wollen. Und die nebenbei die größte unfahrbare High-End-Scheiße bauen. All diese Typen mit ihren riesigen Firmen, ihren Bikes und den größten Motoren aller Zeiten. Mist, wer braucht sowas? Nur eine Handvoll Leute haben es am Ende drauf, einen Motor und einen Rahmen perfekt zusammenzuführen. Genau dasselbe mit den Vintage-Choppern, die gar nicht Vintage sind, ich hasse das. Und scheiße, ich bin auch schuld an dieser Entwicklung. Aber es gibt einfach einen Punkt, an dem musst du auch heute gefertigte Teile an alte Bikes verbauen.

Kein schnelles Geschäft

Wenn du es nicht tust, hast du ein Problem, weil 35 Jahre alte Scheiße dir um die Ohren fliegt. Aber ich versuche, die Reproduktionen gut zu machen, authentisch, wenn du so willst. Ich weiß nicht, aber es ist doch immer gleich. Etwas wird populär, dann verliert es wieder seinen Reiz und es wird immer Leute geben, die wollen einfach nur schnell und Massenware und ohne Gefühl, Danke dafür an unsere abgefuckte Wirtschaft. Ich fertige meine Teile in Handarbeit, das dauert. Das ist mein Zugeständnis an die alten Werte von Leuten wie Randy Smith. Aber manche akzeptieren das nicht, denen geht es nicht schnell genug, Scheiß auf sie. Ich liebe einfach Motorräder, originale, alte Serienmaschinen ebenso wie Custombikes. Und ich versuche, den Fokus auf das zu lenken, was ich liebe. Zum Glück habe ich genug Leute, die verstehen, dass gute, konzentrierte Arbeit kein schnelles Geschäft ist. Und jetzt halte ich am besten einfach die Fresse, denn zum Thema Chopper-Industrie fallen mir so viele böse Dinge ein.

Der X-Wedge-Motor, den S&S 2007 präsentierte, konnte sich in der Customszene nicht durchsetzen. Für Chopperdave ist er dagegen der beste Motor der Neuzeit. Logisch, dass er sich auf dieser Basis ein Bare Metal-Bike im Stil der 60er baute

Du verdienst nebenbei Kohle mit dem Fotografieren von nackten Mädels. Wie kam das?
Fotos machen ist eine Sache, die ich genauso liebe wie Motorräder. Und ich schwöre, ich habe am Anfang nur Moppeds fotografiert. Aber irgendwann fragte eine Freundin, ob ich sie nackt auf ’nem Bike shooten könnte. Was soll ich sagen? Sie lag da wie eine Brezel, schön verschlungen auf der Harley, herrlich. Ganz ehrlich, ich steh auf nackte Frauen. Seitdem fotografiere ich sie also auch. Ich möchte irgendwann ein Buch mit meinen Fotos veröffentlichen, aber dazu brauche ich noch mehr Material. Ich brauche mehr Chicks, verdammt.

Träume und Ziele

Wer ist deine liebste Pornodarstellerin?
Hmmm, eine sehr subjektive Frage … Kimberly Kane und Asa Akira vielleicht. Aber es gibt wirklich viele nette Mädels da draußen.

Gibt es noch Träume und Ziele?
Eigentlich bin ich im Moment sehr zufrieden. Ich habe immer wieder Kundenaufträge, habe letztes Jahr viel Glück in der Gießerei gehabt und konnte alles fertig stellen. Und ich habe noch eine Tonne Rohmatieral, mit dem ich arbeiten kann. Tja, und Träume? Ich würde gerne mal nen altes Flugzeug restaurieren, wer weiß …

Was war der beste Ratschlag, den dir jemals jemand gegeben hat?
»Es ist nur ein Motorrad, es ist nicht klüger als du!«

Info | Chopperdave Instagram

 

 

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.