»Nur Motorräder« – es hat ein bisschen gedauert, bis Marcus erkannt hat, was ihn neben Job, Club und Familie noch glücklich macht. Also dann, show me your Garage!

»Ich könnte euch sagen, ich bin ein Mittvierziger, der in seiner zweiten Midlife Crisis steckt und sich einbildet, Bikebuilder zu sein«, lacht Marcus Lauchstädt. Glauben tun wir das auf keinen Fall. Gut, die Sache mit dem Mittvierziger, die ist korrekt. Aber das mit der Einbildung, das stimmt so schon mal nicht. Denn das, was wir in Marcus’ Werkstatt sehen, zeugt von Wissen, nicht von Ahnungslosigkeit.

Langweilig und krisenverdächtig klingt das nicht …

Und auch die Midlifekrise unterstellen wir ihm nicht, schließlich hat der Typ ’nen sicheren Job als Personalleiter eines mittelständigen Betriebes, der ihn voll zufrieden macht, eine Frau, zwei Töchter und das Leben als Member eines großen Motorradclubs. Langweilig und krisenverdächtig klingt das alles nicht.

Wohnzimmergarage: »Eigentlich war der Teil als Einliegerwohnung geplant, deshalb die Fließen und das Parkett«

Doch was steckt dann hinter der Tür von Marcus’ Werkstatt? »Ich bin ein Auswuchs der alten Awo-Szene der DDR«, erklärt uns der 44-Jährige aus Wittenberg. Aufgewachsen in der DDR und motorradaffin von Jugend an fuhr man hier seinerzeit Awo oder MZ. Und man landete fast automatisch in der Clubszene, Jungs wie Marcus gern auch mal in den Einprozenter-MCs, die die Wende so mit sich brachte.

Show me your Garage – MC-Member mit Leib und Seele

»Wir lebten aber damals eigentlich das 70er-Jahre-Rockertum. Das hat sich ja heute leider etwas geändert«, sagt er. Marcus ist trotzdem MC-Member mit Leib und Seele, aber es gibt eben auch die andere Seite. Das ist der Marcus, der sich als privater Schrauber in einer wirklich vorzeigbaren Werkstatt eingerichtet hat, der Oldschool-Karren baut und sich auf Events wie der Kustom Kulture rumtreibt.

Ein Rocker alter Schule, im positiven Sinn: Geschraubt wird mit normalem Werkzeug und ohne großen Maschinenpark

Wenn man bedenkt, dass Rocker sich früher mehr über Motorräder, als über Politik definierten, so ist Marcus genau das: Ein Rocker der alten Schule, im völlig positiven Sinn gemeint. Ein Harley-Umbau ist der Startschuss, dem Schrauberkind mehr Substanz und eine Heimat zu geben.

Show me your Garage – Ziemlich viel Motorradkram

Für einen Freund übernimmt er die Arbeiten an dessen Harley, als diesem der ursprünglich für den Umbau vorgesehene Schrauber abhanden kommt. Marcus findet Gefallen, gibt seinem Projekt einen Namen – Skidrow – und fängt an, seine Regale zu durchforsten, in denen sich seit 20 Jahren ziemlich viel Motorradkram angesammelt hatte.

Projekte, Projekte: Mit einem Umbau für einen Freund fing alles an. Aktuell arbeitet Marcus an diversen Projekten, darunter ein Chopper mit Harman-Gabel und eine Harley Knucklehead

Denn Motorrad fährt er schon immer, jedes Jahr ein anderes, aber immer eine Harley. »Ein Vierzylinder im Starrrahmen, das wäre schon auch was. Aber sonst nur Harley«, da ist er eisern. Ein Anbau am Familienhaus wird zur Werkstatt. »Eigentlich war der Teil als Einliegerwohnung geplant, deshalb die Fließen und das Parkett«, schmunzelt Marcus.

Show me your Garage – Save the Choppers!

Neben dem Hauptraum gibt es noch einen Nebenraum, »wo man auch mal ein bisschen Dreck machen kannen.« Seine benötigten Teile stellt er hier teilweise selbst her, Werkzeuge sind genug vorhanden. Die großen Maschinen suchen wir dafür vergeblich, das meiste entsteht in traditioneller Handarbeit. Dazu schmücken Bilder die Wände, Vorbilder wie Indian Larry oder Jesse James entdecken wir. Aber auch den »Save the Choppers«-Spruch, der Marcus’ Garage eindeutig als Ort von Umbautradition definiert.

Der »Save the Choppers«-Schriftzug auf der Werkbank markiert den Traditionalisten

Seit 2014 ist Marcus unter seinem Skidrow-Logo in der Szene aktiv. Mittlerweile hat er sich einen gewissen Respekt in der Customszene erarbeitet. Das geht so weit, dass er zu Events wie der Choppertown Nation oder der Custombike-Show eingeladen wird, um seine Bikes auszustellen.

Die Freiheit beim Schrauben will Marcus nicht aufgeben

Drei Motorräder will Marcus in den kommenden drei Jahren bauen, darunter anspruchsvolle Projekte wie Harman- und Knuckle-Chopper. Marcus hat keine Ambitionen, sich mit der Customizerei selbständig zu machen, »dazu mag ich meinen Job zu sehr, und die Freiheit beim Schrauben.« Ein unruhiger Typ ist er, ein Getriebener, wie er selbst sagt. Aus Erfahrung wissen wir, genau die bauen oft die coolsten Kisten – Marcus’ Buch ist noch nicht zu Ende geschrieben.

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.