Was hätte die Sachs Beast für ein schönes Serienmotorrad werden können. Aber erinnert sich überhaupt noch jemand an den Prototyp?

So mancher kann sich sicher noch an die erstaunten Gesichter auf der Intermot 2000 erinnern. An Besucher, Presse und Fachpublikum, die versteinert und mit offenen Mündern am Sachs-Stand innehielten. Grund für das Massenstaunen war ein einziges Motorrad, genauer eine Studie, die noch nicht einmal fahrbereit war.

Sachs Beast – eine einzigartige Studie

Dafür aber hinreißend schön gezeichnet, einzigartig und technisch anspruchsvoll. Die Sachs Beast. Nach solchen Messeauftritten verschwinden Studien normalerweise im Firmendepot, im besten Falle im Werksmuseum.

Kleinkunst: Der Rahmen, der gleichzeitug als Öltank dient, wurde bei Sam Wassermann geschweißt. Bei Sachs fehlte dazu einfach die Zeit

Wieso aber steht die einmalige Beast so viele Jahre nach ihrem großen Auftritt in einer privaten Halle? »Irgendwann bin ich als Hauptgesellschafter der Sachs-Fahrzeug und -Motorentechnik ausgeschieden und habe der Firma die Beast schlicht abgekauft. Das Ganze war doch eh meine Idee«, erzählt Hartmut Huhn von der nicht ganz simplen Firmengeschichte der Schweinfurter.

Höhen und Tiefen

Höhen und Tiefen hatte der Diplomingenieur miterlebt, hatte die Entwicklung großvolumiger Einzylinder-Zweitakter vorangetrieben und ausländische Werksteams bei Geländeveranstaltungen betreut. Nach und nach stieg er zum Leiter des Motorenversuchs auf. Und in der Freizeit mischte er bei Straßen- und Bergrennen heftig mit.

37 Jahre Sachs: Hartmut Huhn war für die Schweinfurter bereits als Motorenentwickler, Renningenieur, Produktionsleiter und sogar Firmeninhaber tätig. Nebenbei fuhr er Rennen auf Honda-Eigenbauten, Ducati oder Z 1000. Noch heute berät er die Nachfolgefirma SFM

1982 etwa gewann er den Ducati-Pokal. Zu dieser Zeit waren Motorräder von Fichtel & Sachs sowie deren Tochterfirma Hercules längst nicht mehr konkurrenzfähig. Die W 2000 Wankel wurde vom Markt nicht angenommen, 125er blieben Nischenprodukte, lediglich bei den 50ern konnte man gegen die Japaner bestehen. »Die Prima5 blieb eine gefühlte Ewigkeit im Programm«, so Huhn.

Modellfamilie auf Papier

Schließlich musste die Motorenfertigung in Schweinfurt eingestellt werden. Hartmut verlagerte seine Tätigkeiten nun in Richtung Nürnberg, zu Hercules. Er entwickelte die Saxonette, kümmerte sich um das Horex-2000-Projekt und schuf auf dem Papier eine ganze Motorrad-Modellfamilie – bis hin zum Dreizylinder-Sportler.

Von den ersten Ideenskizzen bis zum fertigen Messeprototyp hatten die Entwickler gerade einmal drei Monate Zeit. Später sollte ein fahrbereites Bike nachgeschoben werden, dessen Chassis heute auch zur Sammlung von Hartmut Huhn zählt

Als der damalige Besitzer, der holländische Sachs-Importeur Kock-Kleeberg, signalisierte, die Marke verkaufen zu wollen, schlug Hartmut zu. Gemeinsam mit Karl-Heinz Summerer und Dr. Oliver Schnorr erwarb er die Reste der einst stolzen Firma. Vorher jedoch hatte sich der Entwickler ein Motorrad ausgedacht, wie er selbst es gerne besessen hätte.

Ein Messehighlight musste her

Auf einem Blatt Papier begann die Planung der Beast. »Weil wir für ein geplantes Roadster-Konzept einen Hayabusa-Motor benötigten, Suzuki aber nicht liefern wollte, habe ich mir statt dessen als Messehighlight die Beast ausgedacht«, erinnert sich Hartmut. Das bekannte Design-Studio Target Design setzte die Ideen in kürzester Zeit professionell um.

Zum Fahren wurde der Messeprototyp nicht gebaut. Zu filigran die Motorhalterung am Zylinderkopf, zu kompromisslos der für Offroad entwickelte Motor. Erst das zweite Fahrgestell sollte ein fahrbereites, 100 PS starkes Motorrad ergeben. Doch dazu kam es dann leider nicht mehr

»Wir besorgten einen 950 ccm-60°-V2 von Highland aus Australien, dachten uns ein Konzept mit minimalem, am Zylinderkopf verschraubten Hauptrahmen aus Aluminium und direkt angelenktem Monofederbein aus«, in Hartmuts Augen funkelt echte Motorradleidenschaft. Ein sehniger Twin, federleichte 165 Kilo, verpackt in ein minimalistisches Nakedbike, das stach. Innerhalb von nur drei Monaten stellte das Team die Messeschönheit fertig  mit bekanntem Ausgang.

Ein fahrbereites Bike sollte entstehen

Und auch nach der Messe gingen die Planungen weiter. Ein fahrbereites Bike sollte entstehen, der Highland-Motor ein stabileres Gehäuse samt Ausgleichswelle und Anlasser erhalten. Später kam auch der V2 des französischen Herstellers Voxan ins Gespräch.

Minimalismus: Der winzige Einmann-Höcker scheint über dem Hinterrad zu schweben

Hartmut entwarf das kühne MadAss-Mokick, gemeinsam mit Target Design auch die Studie MadAss 500 mit Enfield-Single und später noch eine Mad Ass 250 mit chinesischem ZongShen-Motor. Und als Hartmut dann als Gesellschafter bei Hercules ausschied, arbeitete er als freier Ingenieur in Technik und Entwicklung bei der Sachs-Nachfolgefirma SFM weiter. Leider sind ds heute alles Erinnerungen, die Beast hat es ebenso wenig auf die Straße geschafft wie die MadAss-Studie. Aber beides erinnert an wirklich innovative Zeiten im Motorraddesign und im Customizing.

Feuchte Hände, Atemstillstand

Und die private Sammlung ist ja geblieben. Sie umfasst neben der Beast (»die darf mit ins Haus.«) und einem Beast-Fahrgestell unzählige weitere Motorräder – etwa unrestaurierte Sachs GS, Hercules Wankel, weitere Prototypen, aber auch Vespa-Roller, edle NCR-Ducatis oder Honda-350-Renner. Wer das Glück hat, diese prall gefüllte Scheune zu betreten, der darf sich noch einmal wie auf der Intermot 2000 fühlen. Mund auf. Feuchte Hände. Atemstillstand.

 

 

Dirk Mangartz