Wie eine züchtige Royal Enfield Bullet zum saloppen Mountainbike mit 500-ccm-Motor wurde
Seit über 40 Jahren baut Dirk Öhlerking schon an Motorrädern herum, hat sich mit seiner Firma »Kingston Custom« längst einen guten Namen gemacht. Lange ist es her, da war er als Yamaha-Vertragshändler tätig, bis er irgendwann feststellen musste, dass beim täglichen Business mit konventionellen Bikes kaum noch etwas vom alten »Spirit« übrig geblieben ist. Freiheit, mit den Kumpels rumfahren, Rebellion? Wo war das alles geblieben?
Vom Vertragshändler zum Customizer
Dirk drehte ein riesiges Rad, kam kaum mehr dazu, seine eigentliche Passion Motorrad auszuleben. Zwischen all den Angefressenen, den passionierten Bike-Buildern und hoch motivierten Garagen-Schraubern, da fühlte er sich aber wohler. So traf er eine folgenschwere Entscheidung: Er verkaufte seine Vertragswerkstatt, um sich ab da nur noch den ganz den schönen Dingen rund ums Motorrad zu widmen.
Umgehend gründete er seine eigene kleine Ein-Mann-Bude Kingston Custom und begann damit, Bikes aller Art umzubauen, zu verschönern, zu verbessern. So, wie es ihm gefiel. Nicht, wie es jemand von ihm erwartete. In seiner üppig ausgestatteten Werkstatt in Gelsenkirchen spürt man längst, dass Dirk zu seiner Leidenschaft zurückgefunden hat.
Royal Enfield – nur echt aus Indien
So hat er sich etwa einer Royal Enfield Bullet angenommen, die eine Freundin aus Indien mitgebracht hatte. Ein Street Tracker sollte es werden, leicht, minimalistisch, lässig. So etwas wie ein Mountainbike mit klassischem Einzylinder-Motor. Dirk entfernte kiloweise Blech, ersetzte die Originalräder gegen Excel-Speichenfelgen einer Yamaha WR 450, passte die Scheibenbremsen an und besorgte sich eine Schwinge aus dem Zubehör.
Dem ursprünglich 350 ccm großen Single gönnte er einen 500-ccm-Satz und verbaute ein modernes Fünfgang-Getriebe mit Linksschaltung. Mit 22 PS bei nur 4800 Umdrehungen ist der Langhuber weit davon entfernt, ein Hochleistungstriebwerk zu sein. Doch die gewichtsreduzierte Bullet setzt der Einzylinder, dessen Nockenwelle tief unten im Motorgehäuse agiert, mit erstaunlichem Verve in Bewegung.
Unterhalb von Landstraßentempo fühlt sich die Bullet wohl
Unter tiefem Ballern und bei Geschwindigkeiten weit unterhalb des Landstraßentempos fühlt sich die Anglo-Inderin sichtlich wohl. Schneller geht auch, aber wozu das? Mit dem Benzintank einer ostdeutschen Simson SR2 fand sich ein formschöner und kleiner Behälter, der sich perfekt in das reduzierte Design einfügt. Den Solosattel bezog der Mann aus dem Ruhrgebiet mit dem Leder einer englischen Fliegerjacke, die er schon seit vielen Jahren besaß.
Schlicht nach unten verdrehte er den Enfield-Standardlenker, die Schutzbleche für sein Mountainbike-Projekt und die Blechbox im Rahmendreieck für die leidige Bordelektrik fertigte er selbst an. Dirk grinst über beide Backen. Jahrelang musste er sich solch kleine Spielereien verkneifen. Fast schon hatte er befürchtet, den Spaß an Motorrädern verloren zu haben. Jetzt weiß er es besser.
Info | kingston-custom.de