12.000 Kilometer, 27 Tage, zwei Harley-Shovels, eine BSA, drei Männer – die faszinierende Reise von Max Schaaf, Chris Lindig und Ken Nagahara

Oakland – New York – Oakland, einmal von Westen nach Osten und zurück, auf ihren Alltagsmoppeds, ohne Begleitfahrzeug und viel Gepäck, mit wenig Geld in der Tasche, keine detaillierte Planung. Als die drei Freunde Max Schaaf, Chris Lindig und Ken Nagahara im Spätsommer auf ihren zwei 69er Shovel-Customs, sowie Kens 500er BSA zu ihrer Reise aufbrechen, verbreiten die modernen Buschtrommeln des weltweiten Netzes schnell, was da in den USA passiert. Fasziniert verfolgen Beobachter aus aller Welt die Tour im Internet. Per Handy wird die wachsende Fangemeinde informiert und erlebt, wie drei Jungs an ihre Grenzen gehen.

Das Leben, eine Reise

Zumal sie Material fahren, das nicht unbedingt dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Der Vierliter-Tank der BSA ist dabei noch das kleinste Drama – hundert Tankstopps sind doch kein Ding. Aber letztlich werden es die zahllosen Unterbrechungen und Pannen mit den alten Schüsseln, die »Cost to Coast« zur Lebenserfahrung machen. Neue Bekanntschaften, neue Freundschaften und Orte entdecken, an denen man im Normalfall achtlos vorbeifährt. Besonders für Ken Nagahara, der die Tour mit seiner Kamera festhält, wird die Erfahrung zum Mantra seines weiteren Lebens: »Ich wünschte, mein Leben könnte so verlaufen wie diese Reise.«

Geschlafen wird irgendwo am Straßenrand. Das spart Geld, ist irgendwie cool und sorgt für Spannung im Leben

Ken ist japanischer Abstammung, wurde aber in Singapur geboren. Einen großen Teil seiner Kindheit verbringt er in Deutschland und England, bevor er schließlich als Jugendlicher nach Japan kommt und für 12 Jahre dort lebt. Dort beginnt er auch, Skateboard zu fahren und ist von diesem Sport und dem lässigen Rollbrett-Lebensstil so begeistert, dass es ihn zwangsläufig nach Kalifornien verschlägt.

Roadtrip mit dem Custom-Skater

Schon in Japan kennt er aus Videos und Magazinen den Profi-Skater Max Schaaf. Nach Oakland umgezogen, begegnet Ken ihm schließlich persönlich. Max ist inzwischen für seine Chopper-Umbauten bekannt und auch Ken hat seinen Spaß am Motorradfahren entdeckt. Hauptberuflich arbeitet Ken als selbständiger Fotograf, aber wenn nicht genügend Aufträge vorliegen, übernimmt er auch jede andere Arbeit, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

Auch in Utah verlaufen die Highways meistens schnurgerade

Neben den Fotos aus dem Motorrad-Untergrund sind natürlich Skater ein häufiges Motiv in seinem »Oakland Journal«. Immer wieder überrascht er mit Momentaufnahmen, die die Straßen Kaliforniens ganz anders zeigen, als die Postkarten-Idylle vorgaukelt. Oakland ist längst zu seiner Heimat geworden, hier geben ihm Freunde den nötigen Halt und Inspiration. Trotz oder vielleicht auch wegen der harten Realität der Wirtschaftskrise, die auch hier, wie überall in den USA zu sehen und zu spüren ist, hat Ken die typische »kalifornische« Lebenseinstellung übernommen: Nimm alles wie es kommt und hab Spaß.

Dunkle Momente im Nirgendwo

Als ihm Max drei Monate vor der Reise von seinem Plan erzählt, steigt Ken sofort begeistert ein. Bereut hat er seine Entscheidung nicht. Auch der dunkle Moment, als er irgendwo im Nirgendwo von Utah durch eine gerissene Kette und ein zerbrochenes Kettenschloss an seinem persönlichen Tiefpunkt angekommen ist, ist vergessen, als die Skyline von Manhattan am Horizont zu sehen ist.

Selbst die nervigsten Momente sind bei der Ankunft in New York vergessen

Die Jungs schaffen es rechtzeitig, zur Brooklyn Invitation Show im Big Apple anzukommen, bevor es zurück nach Oakland geht. Jederzeit würde Ken wieder mit Max und Chris auf Tour gehen, dann vielleicht lieber auf einer Panhead. Was er zusätzlich mitnehmen würde, wäre ein Ersatz-Kettenschloss und etwas mehr Bargeld, ansonsten würde er nichts verändern. Und Chris dürfte sogar seinen berüchtigten Kaffee wieder genauso brauen wie gehabt.

Ein Roadtrip in Bildern

Von der Reise erzählen Kens Bilder. Von Lagerfeuern, Übernachtungen auf Hinterhöfen und mitten im Nichts, von Reperaturen und Pannen und eben jenem selbstgebrautem Kaffee, von Starrrahmen und Minimalgepäck, von Lachen und den Tränen nahe, von 40 Grad plus bis Regen nicht von dieser Welt. Als Kens Bilder das erste Mal öffentlich in den USA und Japan gezeigt werden, machen Begriffe wie »episch«, »tapfer«, »einmalig« oder »bewusstseinserweiternd« die Runde. Max Schaaf fasst das etwas pragmatischer zusammen: »It was a long fucking ride.«

Mehr Bilder zu »Cost to Coast« gibt es hier: Ken Nagahara

 

Lutz Tiemann